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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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Politik, deren Erörterungen sicher unter Leine Wiener Druckerpresse
gelangen werden. Schlegels Persönlichkeit und die seiner Frau, der
Tochter von Moses Mendelsohn, ist schon zur Gnüge geschildert wor¬
den, wie denn überhaupt die Denkwürdigkeiten der Earoline Pichler
so ziemlich Alles sagen, was sich bei uns über Schlegel sagen läßt.

Das Hofburgtheatcr hat eine französische Uebersetzung von Theo¬
dor Hell gebracht, von der wir nicht begreifen, wie solches Zeug un¬
ter Leitung des Grasen Dietrichstein zur Aufführung kommen kann.
Das Machwerk heißt: "Jeanne und Janneton" und ist, obschon von
Scribe versaßt, ein Ausbund von Unnatur und Langweiligkeit, der
trotz der ausgezeichneten Besetzung gänzlich mißfiel. Im Theater an
der Wien trat der aus England heimgekchrte Staudigl zum er¬
sten Male auf und erregte als Castellan in den Haimonskindcrn
enthusiastischen Beifall. Fräulein von Marra ist gleichfalls hier ein¬
getroffen und wird nächstens debutiren. Im Hofoperntheater behilft
man sich, da zwei der Primadonnen, nämlich Lutzer-Dingelstedt und
Stöchl-Heinefetter durch die Folgen der Ehe der Kunst entzogen wor¬
den, mit Gästen und wir haben darum in der letzten Zeit die Damen
Mink, Janik und Walter hören müssen, was Viele für kein Glück
halten.

Das Gespräch des Tages, von dem alles Uebrige in den Hin¬
tergrund gedrängt wird, bildet derzeit die Entdeckung des Fälschers,
welcher in der jüngsten Zeit die vielen Banknoten zu 100 und zu
10 Gulden in Umlauf setzte, welche sich durch gelungene Nachahmung
auszeichnen und von denen ich Ihnen schon unlängst schrieb. Ein
hiesiger Privatier, Ritter von B., ein Greis von 73 Jahren, ist
in Folge der schwersten Jndicien zur Haft gebracht worden. Der
Hergang wird verschieden erzählt, und da es auch gar nicht auf das
Wie der Entdeckung ankommt, so lassen wir die Sache ganz dahin¬
gestellt. So viel ist sicher, daß die Nationalbank selbst mehrere die¬
ser falschen Banknoten einnahm, ohne ihre Unechtheit zu erkennen,
und nur die Mehrheit gleichlautender Serienzahlen auf den Bank¬
scheinen führte zu der Untersuchung und zur Erkenntniß. Ritter von
B. ist ein Ausländer von Geburt und leistete der österreichischen Re¬
gierung zur Zeit der Revolutionskriege wichtige Spionendienste gegen
die Franzosen und namentlich soll man es seinen Bemühungen zu
danken haben, daß man der Fabrikation österreichischer Bancozettel auf
die Spur kam, welche von Seite Napoleons im großartigsten Style
betrieben ward, um den Credit der Monarchie zu vernichten und Oest¬
reich die Mittel zur kriegerischen Erhebung zu entziehen- Mehr, als
160 Millionen falsches Geld circnlirte bereits im Lande und hatte die
dermalige Herabsetzung des Geldwerthes zur Folge. B. ward kö¬
niglich belohnt und wie man spricht hatte ihm auch die französische
Geldfälschung nichts weniger als geschadet. B. gründete bedeutende


Politik, deren Erörterungen sicher unter Leine Wiener Druckerpresse
gelangen werden. Schlegels Persönlichkeit und die seiner Frau, der
Tochter von Moses Mendelsohn, ist schon zur Gnüge geschildert wor¬
den, wie denn überhaupt die Denkwürdigkeiten der Earoline Pichler
so ziemlich Alles sagen, was sich bei uns über Schlegel sagen läßt.

Das Hofburgtheatcr hat eine französische Uebersetzung von Theo¬
dor Hell gebracht, von der wir nicht begreifen, wie solches Zeug un¬
ter Leitung des Grasen Dietrichstein zur Aufführung kommen kann.
Das Machwerk heißt: „Jeanne und Janneton" und ist, obschon von
Scribe versaßt, ein Ausbund von Unnatur und Langweiligkeit, der
trotz der ausgezeichneten Besetzung gänzlich mißfiel. Im Theater an
der Wien trat der aus England heimgekchrte Staudigl zum er¬
sten Male auf und erregte als Castellan in den Haimonskindcrn
enthusiastischen Beifall. Fräulein von Marra ist gleichfalls hier ein¬
getroffen und wird nächstens debutiren. Im Hofoperntheater behilft
man sich, da zwei der Primadonnen, nämlich Lutzer-Dingelstedt und
Stöchl-Heinefetter durch die Folgen der Ehe der Kunst entzogen wor¬
den, mit Gästen und wir haben darum in der letzten Zeit die Damen
Mink, Janik und Walter hören müssen, was Viele für kein Glück
halten.

Das Gespräch des Tages, von dem alles Uebrige in den Hin¬
tergrund gedrängt wird, bildet derzeit die Entdeckung des Fälschers,
welcher in der jüngsten Zeit die vielen Banknoten zu 100 und zu
10 Gulden in Umlauf setzte, welche sich durch gelungene Nachahmung
auszeichnen und von denen ich Ihnen schon unlängst schrieb. Ein
hiesiger Privatier, Ritter von B., ein Greis von 73 Jahren, ist
in Folge der schwersten Jndicien zur Haft gebracht worden. Der
Hergang wird verschieden erzählt, und da es auch gar nicht auf das
Wie der Entdeckung ankommt, so lassen wir die Sache ganz dahin¬
gestellt. So viel ist sicher, daß die Nationalbank selbst mehrere die¬
ser falschen Banknoten einnahm, ohne ihre Unechtheit zu erkennen,
und nur die Mehrheit gleichlautender Serienzahlen auf den Bank¬
scheinen führte zu der Untersuchung und zur Erkenntniß. Ritter von
B. ist ein Ausländer von Geburt und leistete der österreichischen Re¬
gierung zur Zeit der Revolutionskriege wichtige Spionendienste gegen
die Franzosen und namentlich soll man es seinen Bemühungen zu
danken haben, daß man der Fabrikation österreichischer Bancozettel auf
die Spur kam, welche von Seite Napoleons im großartigsten Style
betrieben ward, um den Credit der Monarchie zu vernichten und Oest¬
reich die Mittel zur kriegerischen Erhebung zu entziehen- Mehr, als
160 Millionen falsches Geld circnlirte bereits im Lande und hatte die
dermalige Herabsetzung des Geldwerthes zur Folge. B. ward kö¬
niglich belohnt und wie man spricht hatte ihm auch die französische
Geldfälschung nichts weniger als geschadet. B. gründete bedeutende


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/189>, abgerufen am 05.02.2025.