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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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I)>. Laube Wien besuchen und hoffentlich einen längeren Aufenthalt
hier nehmen. Auch der Schriftsteller Willkomm, dessen Tendenzromane
aber hier nur von wenigen gekannt sind, soll nächstens eintreffen.
Der großem Publikum möchte er wohl nur durch die Criminalklage
bekannt geworden sein, welche nach den Zeitungsnachrichten gegen¬
wärtig wegen seines Buches: Weiße Sklaven -- über ihm schwebt.

Von hiesigen Literaturerscheinungen ist wenig zu melden, doch
müssen wir auf ein tüchtiges Werk aufmerksam machen, welches das
Resultat einer umfassenden Gelehrsamkeit und die Ausbeute der flei¬
ßigsten Specialstudien ist. Der Eustos der k. k. Hofblibliothek, Dr.
Schmidt, hat nämlich ein Buch herausgegeben über den Erfinder des
Musiknotendrucks mittelst Metalltypen, den Italiener bei Petrülli
aus Fofsombrone im Kirchenstaat und darin eine sorgfältige
Kenntniß der musikalischen Zustände jener Zeit an den Tag ge¬
legt, so daß das Werk in den betreffenden Kreisen ohne Zweifel ge¬
rechtes Aufsehen erregen wird. Es sollte schon 1840 als Festschrift
zur Jubiläumsfeier der Erfindung der Buchdruckerkunst erscheinen,
allein Hindernisse mancher Gattung machten damals sein Erschei¬
nen unmöglich und der Werth dieser gediegenen gelehrten Arbeit sichert
ihm auch ohne Benutzung dieses Zeitpunktes die Beachtung aller
gründlichen Kunstkenner.

Da diese Blätter der musikalischen Raisonnements von öl,
Schmidt, dem Redakteur der hiesigen Musikzeitung, bereits in ge¬
rechter Würdigung gedacht haben, so bin ich der Mühe überhoben,
sie nochmals zu besprechen und will noch auf ein Heft Lieder hin¬
weisen, welche"; der Direktor der Blindenanstalt, Herr Klein, in den
Druck gegeben hat, und deren besondere Bedeutung darin besteht,
daß die meisten derselben Blindgeborene zu Verfassern haben. Sie
gestatten deshalb einen interessanten Einblick in den Ideen- und An¬
schauungskreis dieser Fehlsinnigen, und es wäre eine nicht ganz un¬
dankbare Aufgabe für einen Kritiker, die Ursprünglichkeit der in die¬
sen Gedichten angewendeten poetischen Bilder und Gleichnisse zü zer¬
gliedern und auf die beschränkte Vorstellungsgabe der Unglücklichen
zurückzuleiten.

Noch will ich der neuen Ausgabe von Friedrich von Schlegels
Werken erwähnen, die der spekulative Buchhändler Klang veranstal¬
tet und derentwegen er in den Zeitungen alle jene, die dem Ver-
stoebenen im Leben naher gestanden, auffordert, Beiträge zum Be¬
hufe einer neuen und vollständig zu bearbeitenden Biographie dieses
Schriftstellers einzusenden. Wir zweifeln jedoch sehr, daß sich in
Oesterreich selbst eine umfassende und in geistvoller anderer, Beziehung
wahre und genügende Lebensgeschichte Schlegels schreiben läßt, denn
die Thätigkeit des k. k. Hofsckretärs Friedrich von Schlegel war zu
tief verwebt mit den reaktionären Tendenzen der österreichischen Staats-


I)>. Laube Wien besuchen und hoffentlich einen längeren Aufenthalt
hier nehmen. Auch der Schriftsteller Willkomm, dessen Tendenzromane
aber hier nur von wenigen gekannt sind, soll nächstens eintreffen.
Der großem Publikum möchte er wohl nur durch die Criminalklage
bekannt geworden sein, welche nach den Zeitungsnachrichten gegen¬
wärtig wegen seines Buches: Weiße Sklaven — über ihm schwebt.

Von hiesigen Literaturerscheinungen ist wenig zu melden, doch
müssen wir auf ein tüchtiges Werk aufmerksam machen, welches das
Resultat einer umfassenden Gelehrsamkeit und die Ausbeute der flei¬
ßigsten Specialstudien ist. Der Eustos der k. k. Hofblibliothek, Dr.
Schmidt, hat nämlich ein Buch herausgegeben über den Erfinder des
Musiknotendrucks mittelst Metalltypen, den Italiener bei Petrülli
aus Fofsombrone im Kirchenstaat und darin eine sorgfältige
Kenntniß der musikalischen Zustände jener Zeit an den Tag ge¬
legt, so daß das Werk in den betreffenden Kreisen ohne Zweifel ge¬
rechtes Aufsehen erregen wird. Es sollte schon 1840 als Festschrift
zur Jubiläumsfeier der Erfindung der Buchdruckerkunst erscheinen,
allein Hindernisse mancher Gattung machten damals sein Erschei¬
nen unmöglich und der Werth dieser gediegenen gelehrten Arbeit sichert
ihm auch ohne Benutzung dieses Zeitpunktes die Beachtung aller
gründlichen Kunstkenner.

Da diese Blätter der musikalischen Raisonnements von öl,
Schmidt, dem Redakteur der hiesigen Musikzeitung, bereits in ge¬
rechter Würdigung gedacht haben, so bin ich der Mühe überhoben,
sie nochmals zu besprechen und will noch auf ein Heft Lieder hin¬
weisen, welche«; der Direktor der Blindenanstalt, Herr Klein, in den
Druck gegeben hat, und deren besondere Bedeutung darin besteht,
daß die meisten derselben Blindgeborene zu Verfassern haben. Sie
gestatten deshalb einen interessanten Einblick in den Ideen- und An¬
schauungskreis dieser Fehlsinnigen, und es wäre eine nicht ganz un¬
dankbare Aufgabe für einen Kritiker, die Ursprünglichkeit der in die¬
sen Gedichten angewendeten poetischen Bilder und Gleichnisse zü zer¬
gliedern und auf die beschränkte Vorstellungsgabe der Unglücklichen
zurückzuleiten.

Noch will ich der neuen Ausgabe von Friedrich von Schlegels
Werken erwähnen, die der spekulative Buchhändler Klang veranstal¬
tet und derentwegen er in den Zeitungen alle jene, die dem Ver-
stoebenen im Leben naher gestanden, auffordert, Beiträge zum Be¬
hufe einer neuen und vollständig zu bearbeitenden Biographie dieses
Schriftstellers einzusenden. Wir zweifeln jedoch sehr, daß sich in
Oesterreich selbst eine umfassende und in geistvoller anderer, Beziehung
wahre und genügende Lebensgeschichte Schlegels schreiben läßt, denn
die Thätigkeit des k. k. Hofsckretärs Friedrich von Schlegel war zu
tief verwebt mit den reaktionären Tendenzen der österreichischen Staats-


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[0188] I)>. Laube Wien besuchen und hoffentlich einen längeren Aufenthalt hier nehmen. Auch der Schriftsteller Willkomm, dessen Tendenzromane aber hier nur von wenigen gekannt sind, soll nächstens eintreffen. Der großem Publikum möchte er wohl nur durch die Criminalklage bekannt geworden sein, welche nach den Zeitungsnachrichten gegen¬ wärtig wegen seines Buches: Weiße Sklaven — über ihm schwebt. Von hiesigen Literaturerscheinungen ist wenig zu melden, doch müssen wir auf ein tüchtiges Werk aufmerksam machen, welches das Resultat einer umfassenden Gelehrsamkeit und die Ausbeute der flei¬ ßigsten Specialstudien ist. Der Eustos der k. k. Hofblibliothek, Dr. Schmidt, hat nämlich ein Buch herausgegeben über den Erfinder des Musiknotendrucks mittelst Metalltypen, den Italiener bei Petrülli aus Fofsombrone im Kirchenstaat und darin eine sorgfältige Kenntniß der musikalischen Zustände jener Zeit an den Tag ge¬ legt, so daß das Werk in den betreffenden Kreisen ohne Zweifel ge¬ rechtes Aufsehen erregen wird. Es sollte schon 1840 als Festschrift zur Jubiläumsfeier der Erfindung der Buchdruckerkunst erscheinen, allein Hindernisse mancher Gattung machten damals sein Erschei¬ nen unmöglich und der Werth dieser gediegenen gelehrten Arbeit sichert ihm auch ohne Benutzung dieses Zeitpunktes die Beachtung aller gründlichen Kunstkenner. Da diese Blätter der musikalischen Raisonnements von öl, Schmidt, dem Redakteur der hiesigen Musikzeitung, bereits in ge¬ rechter Würdigung gedacht haben, so bin ich der Mühe überhoben, sie nochmals zu besprechen und will noch auf ein Heft Lieder hin¬ weisen, welche«; der Direktor der Blindenanstalt, Herr Klein, in den Druck gegeben hat, und deren besondere Bedeutung darin besteht, daß die meisten derselben Blindgeborene zu Verfassern haben. Sie gestatten deshalb einen interessanten Einblick in den Ideen- und An¬ schauungskreis dieser Fehlsinnigen, und es wäre eine nicht ganz un¬ dankbare Aufgabe für einen Kritiker, die Ursprünglichkeit der in die¬ sen Gedichten angewendeten poetischen Bilder und Gleichnisse zü zer¬ gliedern und auf die beschränkte Vorstellungsgabe der Unglücklichen zurückzuleiten. Noch will ich der neuen Ausgabe von Friedrich von Schlegels Werken erwähnen, die der spekulative Buchhändler Klang veranstal¬ tet und derentwegen er in den Zeitungen alle jene, die dem Ver- stoebenen im Leben naher gestanden, auffordert, Beiträge zum Be¬ hufe einer neuen und vollständig zu bearbeitenden Biographie dieses Schriftstellers einzusenden. Wir zweifeln jedoch sehr, daß sich in Oesterreich selbst eine umfassende und in geistvoller anderer, Beziehung wahre und genügende Lebensgeschichte Schlegels schreiben läßt, denn die Thätigkeit des k. k. Hofsckretärs Friedrich von Schlegel war zu tief verwebt mit den reaktionären Tendenzen der österreichischen Staats-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/188>, abgerufen am 05.02.2025.