Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.Tagebuch verewigt. selbstzufrieden über daS vollbrachte Werk, "pars Doch ich vergesse, daß ich eigentlich nicht von Neiseeindrücken Wozu aber die Scherze be ,v ernstem Thema! Bald tauchen Tagebuch verewigt. selbstzufrieden über daS vollbrachte Werk, »pars Doch ich vergesse, daß ich eigentlich nicht von Neiseeindrücken Wozu aber die Scherze be ,v ernstem Thema! Bald tauchen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0162" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/271423"/> <p xml:id="ID_390" prev="#ID_389"> Tagebuch verewigt. selbstzufrieden über daS vollbrachte Werk, »pars<lb/> ich mich erst gegen Mitternacht auf mein weiches Bett, und schlief<lb/> ein, indem ich mich bald im Traum als wohlgenährten Pfarrer sah,<lb/> der eben die schönste Jungfrau der Umgegend bräutlich nach Hause<lb/> führt. Das bezaubernde Mädchen erschreckte mich so sehr, daß ich<lb/> heftig gegen die Wand fuhr, und darüber böse Kopfschmerzen empfand.<lb/> „Eine gottlose Phantasie sür den künftigen Diener der Kirche!"<lb/> dachte ich bei mir selbst, indem ich die wunde Stirne rieb, und wie¬<lb/> der einschlief.</p><lb/> <p xml:id="ID_391"> Doch ich vergesse, daß ich eigentlich nicht von Neiseeindrücken<lb/> und Traumbildern, sondern von der innern Organisation einer wirk¬<lb/> lich bestehenden Jesuiten-Propaganda sprechen wollte. Wir könnten<lb/> schon langem Rom angelangt sein, wenn nicht die Eitelkeit mich<lb/> triebe, meinen famosen Ritter Georg so gut als möglich ausstaffirt<lb/> zum Papst zu practiciren. Der plumpe Kerl mit seinem Register<lb/> will vor jeder Hecke Halt machen, ihr ein Stück sentimentale Mo¬<lb/> ral oder Philosophie zum Besten zu geben, obgleich er von beiden<lb/> eigentlich noch keinen Begriff hat, und hört er hinterdrein kein Echo,<lb/> oder schlagen ihn harmlose Gesträuche und friedliche Kastanienbäume<lb/> nicht mausetodt, so hält er sich zuletzt noch gar für einen Helden.<lb/> Das ist ein kleiner Schwabenstreich, den man dem unerfahrenen<lb/> Neuling verzeihen muß, in Rücksicht auf die vielen klugen Schrift¬<lb/> steller, welche auch dergleichen Sünden begehen, ohne gerade schon!<lb/> durch die Geburt in den Besitz des berühmten Privilegiums gekom¬<lb/> men zu sein. Um meinen Fehler so schnell als möglich wieder gut<lb/> zu machen, will ich jetzt wie im Flug, nach dem Kirchenstaat eilen,<lb/> obgleich ich meinen Lesern versichern kann, daß man von Chiavenna<lb/> aus nicht einmal auf einer Locomotive dorthin gelangt, und ich da<<lb/> her füglich noch von meinem Aufenthalt in Mailand, von meiner<lb/> heftigen Disputation mit einem radicalen Schweizer bei Marengo<lb/> und von vielem andern nicht zur Sache gehörendem Zeug plaudern<lb/> dürfte, um dadurch den Fortschritt von Italien gleichsam sinnbildlich<lb/> darzustellen.</p><lb/> <p xml:id="ID_392"> Wozu aber die Scherze be ,v ernstem Thema! Bald tauchen<lb/> eiserne, kalte Gestalten empor — moderne Soldaten eines Herzogs<lb/> Alba unter dem spanischen Philipp.</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0162]
Tagebuch verewigt. selbstzufrieden über daS vollbrachte Werk, »pars
ich mich erst gegen Mitternacht auf mein weiches Bett, und schlief
ein, indem ich mich bald im Traum als wohlgenährten Pfarrer sah,
der eben die schönste Jungfrau der Umgegend bräutlich nach Hause
führt. Das bezaubernde Mädchen erschreckte mich so sehr, daß ich
heftig gegen die Wand fuhr, und darüber böse Kopfschmerzen empfand.
„Eine gottlose Phantasie sür den künftigen Diener der Kirche!"
dachte ich bei mir selbst, indem ich die wunde Stirne rieb, und wie¬
der einschlief.
Doch ich vergesse, daß ich eigentlich nicht von Neiseeindrücken
und Traumbildern, sondern von der innern Organisation einer wirk¬
lich bestehenden Jesuiten-Propaganda sprechen wollte. Wir könnten
schon langem Rom angelangt sein, wenn nicht die Eitelkeit mich
triebe, meinen famosen Ritter Georg so gut als möglich ausstaffirt
zum Papst zu practiciren. Der plumpe Kerl mit seinem Register
will vor jeder Hecke Halt machen, ihr ein Stück sentimentale Mo¬
ral oder Philosophie zum Besten zu geben, obgleich er von beiden
eigentlich noch keinen Begriff hat, und hört er hinterdrein kein Echo,
oder schlagen ihn harmlose Gesträuche und friedliche Kastanienbäume
nicht mausetodt, so hält er sich zuletzt noch gar für einen Helden.
Das ist ein kleiner Schwabenstreich, den man dem unerfahrenen
Neuling verzeihen muß, in Rücksicht auf die vielen klugen Schrift¬
steller, welche auch dergleichen Sünden begehen, ohne gerade schon!
durch die Geburt in den Besitz des berühmten Privilegiums gekom¬
men zu sein. Um meinen Fehler so schnell als möglich wieder gut
zu machen, will ich jetzt wie im Flug, nach dem Kirchenstaat eilen,
obgleich ich meinen Lesern versichern kann, daß man von Chiavenna
aus nicht einmal auf einer Locomotive dorthin gelangt, und ich da<
her füglich noch von meinem Aufenthalt in Mailand, von meiner
heftigen Disputation mit einem radicalen Schweizer bei Marengo
und von vielem andern nicht zur Sache gehörendem Zeug plaudern
dürfte, um dadurch den Fortschritt von Italien gleichsam sinnbildlich
darzustellen.
Wozu aber die Scherze be ,v ernstem Thema! Bald tauchen
eiserne, kalte Gestalten empor — moderne Soldaten eines Herzogs
Alba unter dem spanischen Philipp.
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