Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.sches Buch mehr, auf dessen Titelblatt nicht die Erlaubniß eines Georg's Betrachtungen über die künftige Standeswahl glichen Das Publikum möge sich durch meinen Anfang gefälligst nicht Wer meinen Haupthelden, welcher bereits in vollem Glänze Ist auf diese Art mein Held auch zu keiner Erregung mäch¬ 19*
sches Buch mehr, auf dessen Titelblatt nicht die Erlaubniß eines Georg's Betrachtungen über die künftige Standeswahl glichen Das Publikum möge sich durch meinen Anfang gefälligst nicht Wer meinen Haupthelden, welcher bereits in vollem Glänze Ist auf diese Art mein Held auch zu keiner Erregung mäch¬ 19*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0155" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/271416"/> <p xml:id="ID_369" prev="#ID_368"> sches Buch mehr, auf dessen Titelblatt nicht die Erlaubniß eines<lb/> katholischen Ordinariates gedruckt zu sehen war.</p><lb/> <p xml:id="ID_370"> Georg's Betrachtungen über die künftige Standeswahl glichen<lb/> auf'ö Haar seiner Lebensphilosophie. Nur faßte er hier überall die<lb/> schöne Außenseite allein in's Auge, Wie der Knabe Mohnköpfe ab¬<lb/> schlägt und sich dabei für einen zweiten Alerander Magnus hält, so<lb/> träumte auch unser Zögling schon von künftigen Thaten. In der<lb/> Theologie fing er mindestens mit dem Ornate eines Bischofs an;<lb/> bei der Jurisprudenz schien ihm der Rang eines Regierungspräsi¬<lb/> denten nicht zu gering; in den Naturwissenschaften waren Oken und<lb/> Büffon seine künftigen Rivalen. Kurz, Georg war ein — famoser Kerl,<lb/> über den man recht herzlich lachen konnte, oder vielmehr, über den<lb/> ich selbst jetzt herzlich lachen muß; denn dieser famose Ritter Georg<lb/> war niemand anderes als ich selbst.</p><lb/> <p xml:id="ID_371"> Das Publikum möge sich durch meinen Anfang gefälligst nicht<lb/> langweilen lassen. Autobiographien der Schriftsteller sind jetzt in der<lb/> Mode; und weil der größere Theil meiner jetzigen Leser wahrschein¬<lb/> lich bis jetzt noch gar nichts von mir gelesen hat, so finde ich es<lb/> doppelt billig, ihn mit einer möglichst langen Einleitung über meine<lb/> vergangene Weisheit behelligen zu dürfen. Ueberdieß habe ich in<lb/> dem Drama, das jetzt beginnt, selbst eine Hauptrolle übernommen.<lb/> Die Gesetze der Wahrheit fordern hier genaue, treue Charakterzeich¬<lb/> nung selbst auf Kosten der Eigenliebe.</p><lb/> <p xml:id="ID_372"> Wer meinen Haupthelden, welcher bereits in vollem Glänze<lb/> dasteht, für plump und ungeschickt erklären sollte, der mag bedenken,<lb/> daß ich als geborner Schwabe das unbestrittene Privilegium habe,<lb/> erst mit zurückgelegtem vierzigsten Lebensjahre klug werden zu müssen,<lb/> und ich damals kaum in's achtzehnte ging.</p><lb/> <p xml:id="ID_373"> Ist auf diese Art mein Held auch zu keiner Erregung mäch¬<lb/> tiger Sympathien geeignet, so verfehlt er deshalb nicht im mindesten<lb/> meine Absicht. Ich hoffe in streng ausgeprägten Nebencharakteren<lb/> dafür Ersatz zu bieten und dem deutschen Volke hier ein Zeitgemälde<lb/> zu enthüllen, das in die religiösen und politischen Bewegungen der<lb/> Gegenwart eingreift, darum aber auch von allen echten ReligionS-<lb/> und Vaterlandsfreunden mit ungetheilter Aufmerksamkeit betrachtet<lb/> und beurtheilt werden dürfte.</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 19*</fw><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0155]
sches Buch mehr, auf dessen Titelblatt nicht die Erlaubniß eines
katholischen Ordinariates gedruckt zu sehen war.
Georg's Betrachtungen über die künftige Standeswahl glichen
auf'ö Haar seiner Lebensphilosophie. Nur faßte er hier überall die
schöne Außenseite allein in's Auge, Wie der Knabe Mohnköpfe ab¬
schlägt und sich dabei für einen zweiten Alerander Magnus hält, so
träumte auch unser Zögling schon von künftigen Thaten. In der
Theologie fing er mindestens mit dem Ornate eines Bischofs an;
bei der Jurisprudenz schien ihm der Rang eines Regierungspräsi¬
denten nicht zu gering; in den Naturwissenschaften waren Oken und
Büffon seine künftigen Rivalen. Kurz, Georg war ein — famoser Kerl,
über den man recht herzlich lachen konnte, oder vielmehr, über den
ich selbst jetzt herzlich lachen muß; denn dieser famose Ritter Georg
war niemand anderes als ich selbst.
Das Publikum möge sich durch meinen Anfang gefälligst nicht
langweilen lassen. Autobiographien der Schriftsteller sind jetzt in der
Mode; und weil der größere Theil meiner jetzigen Leser wahrschein¬
lich bis jetzt noch gar nichts von mir gelesen hat, so finde ich es
doppelt billig, ihn mit einer möglichst langen Einleitung über meine
vergangene Weisheit behelligen zu dürfen. Ueberdieß habe ich in
dem Drama, das jetzt beginnt, selbst eine Hauptrolle übernommen.
Die Gesetze der Wahrheit fordern hier genaue, treue Charakterzeich¬
nung selbst auf Kosten der Eigenliebe.
Wer meinen Haupthelden, welcher bereits in vollem Glänze
dasteht, für plump und ungeschickt erklären sollte, der mag bedenken,
daß ich als geborner Schwabe das unbestrittene Privilegium habe,
erst mit zurückgelegtem vierzigsten Lebensjahre klug werden zu müssen,
und ich damals kaum in's achtzehnte ging.
Ist auf diese Art mein Held auch zu keiner Erregung mäch¬
tiger Sympathien geeignet, so verfehlt er deshalb nicht im mindesten
meine Absicht. Ich hoffe in streng ausgeprägten Nebencharakteren
dafür Ersatz zu bieten und dem deutschen Volke hier ein Zeitgemälde
zu enthüllen, das in die religiösen und politischen Bewegungen der
Gegenwart eingreift, darum aber auch von allen echten ReligionS-
und Vaterlandsfreunden mit ungetheilter Aufmerksamkeit betrachtet
und beurtheilt werden dürfte.
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