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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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angewendet werden, und diese Künste werden immer noch mächtig ge,
ung sein, ihm das zu verbergen, was er nicht sehen und nicht hören
soll." Deshalb empfiehlt nun Büsch "Einrichtungen, durch welche
dem Fürsten und seinen verständigen Rathgebern genaue Berichte
von dem Austande des Volkes verschafft werden."

Nun, dergleichen Einrichtungen bestehen bei uns, und in einigen
deutschen Ländern sind sie sogar bis zu einem höchst vollkommenen
Mechanismus aufs sinnreichste ausgebildet. Aber wie geht es mit
solchen Berichten zu? In ruhigen Zeiten werden aus dem ersten Ma¬
terial, welches dem Augenschein und Zeugenaussagen seinen Ursprung
verdankt, in den verschiedenen Distrikten verschiedene Berichte je nach
der Geschicklichkeit des Bearbeiters mehr oder minder zutreffend und
belehrend geformt; aus diesen Berichten wird ein Generalbericht zu¬
sammengestellt, über den Generalbcricht etwa von den obersten Staats¬
dienern berathen und endlich über das Resultat dieser Berathung ein
kurzer Bericht dem Landesherrn eingereicht, ein Bericht, der endlich
so dünne geworden, daß das was ein Bild des im Lande herrrschen-
den Anstandes sein sollte, nichts weiter als eine schöne, reine, Spie-
gelhelle, mit einigen regelmäßigen und dem Auge wohlgefälligen Fi¬
guren verzierte Platte ist. In unruhigen Zeiten dagegen entsteht ein
Bild wie auf einer daguerrotypischen Platte, welcher die
"chzcurit nur Umrisse schnell sich weiter bewegender Gestalten überlie¬
fert hat, ein schauerliches Chaos verworrener Lineamenre und bedroh¬
licher Zeichen.

Also reifen oder nicht reifen? Berichte fordern oder keine?
Reifen und Berichterstattung mit einander verbunden oder was und
wie?

Ich weiß nicht. I?ij"i<I<-in vt>ro ren5"o, daß Leute die nicht
selbst sich einrichten und nicht sich selbst zu helfen wissen, bei Gott
und der ganzen Welt keine Hülfe finden können, und wenn alle Für¬
sten Engel und deren "verständige Rathgeber" eitel Salomone waren.


G. I.
IV.
Notizen.

Die Taucher, keine Ballade. -- Des Deutschen Vaterland. -- Beengung und
Erweiterung des Schriftstellerstandes. -- Berichtigung aus Prag.

Die russischen Juden auf der Leipziger Messe erzählen folgende
Thatsache: Bekanntlich dienen viele jüdische Matrosen auf der russischen
Flotte. Bei einem der letzten großen Seemanöver, welche in Gegen¬
wart des Kaisers abgehalten wurden, erregten zwei Matrosen durch
ihre Geschicklichkeit beim Manövriren und ihre Kühnheit bei den nau¬
tischen Spielen den Beifall des Kaisers in so hohem Grade, daß er
sie sogleich, den einen zum Schiffslieutenant und den andern zum


angewendet werden, und diese Künste werden immer noch mächtig ge,
ung sein, ihm das zu verbergen, was er nicht sehen und nicht hören
soll." Deshalb empfiehlt nun Büsch „Einrichtungen, durch welche
dem Fürsten und seinen verständigen Rathgebern genaue Berichte
von dem Austande des Volkes verschafft werden."

Nun, dergleichen Einrichtungen bestehen bei uns, und in einigen
deutschen Ländern sind sie sogar bis zu einem höchst vollkommenen
Mechanismus aufs sinnreichste ausgebildet. Aber wie geht es mit
solchen Berichten zu? In ruhigen Zeiten werden aus dem ersten Ma¬
terial, welches dem Augenschein und Zeugenaussagen seinen Ursprung
verdankt, in den verschiedenen Distrikten verschiedene Berichte je nach
der Geschicklichkeit des Bearbeiters mehr oder minder zutreffend und
belehrend geformt; aus diesen Berichten wird ein Generalbericht zu¬
sammengestellt, über den Generalbcricht etwa von den obersten Staats¬
dienern berathen und endlich über das Resultat dieser Berathung ein
kurzer Bericht dem Landesherrn eingereicht, ein Bericht, der endlich
so dünne geworden, daß das was ein Bild des im Lande herrrschen-
den Anstandes sein sollte, nichts weiter als eine schöne, reine, Spie-
gelhelle, mit einigen regelmäßigen und dem Auge wohlgefälligen Fi¬
guren verzierte Platte ist. In unruhigen Zeiten dagegen entsteht ein
Bild wie auf einer daguerrotypischen Platte, welcher die
«chzcurit nur Umrisse schnell sich weiter bewegender Gestalten überlie¬
fert hat, ein schauerliches Chaos verworrener Lineamenre und bedroh¬
licher Zeichen.

Also reifen oder nicht reifen? Berichte fordern oder keine?
Reifen und Berichterstattung mit einander verbunden oder was und
wie?

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selbst sich einrichten und nicht sich selbst zu helfen wissen, bei Gott
und der ganzen Welt keine Hülfe finden können, und wenn alle Für¬
sten Engel und deren „verständige Rathgeber" eitel Salomone waren.


G. I.
IV.
Notizen.

Die Taucher, keine Ballade. — Des Deutschen Vaterland. — Beengung und
Erweiterung des Schriftstellerstandes. — Berichtigung aus Prag.

Die russischen Juden auf der Leipziger Messe erzählen folgende
Thatsache: Bekanntlich dienen viele jüdische Matrosen auf der russischen
Flotte. Bei einem der letzten großen Seemanöver, welche in Gegen¬
wart des Kaisers abgehalten wurden, erregten zwei Matrosen durch
ihre Geschicklichkeit beim Manövriren und ihre Kühnheit bei den nau¬
tischen Spielen den Beifall des Kaisers in so hohem Grade, daß er
sie sogleich, den einen zum Schiffslieutenant und den andern zum


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/150>, abgerufen am 05.02.2025.