Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.schmerzliche Trennung und der Baron hatte kaum den Kummer des Abschie¬ III. Fürstliches Reise". Unser Tagebuch ist, wie überhaupt Tagebücher sein müssen, nicht Der alte ehrliche Johann Georg Busch sagte vor mehr als fünf¬ "Die Fürsten beruhigen sich zu leicht über den Austand ihres Seit jener Zeit, da der gute Busch schrieb, hat man freilich schmerzliche Trennung und der Baron hatte kaum den Kummer des Abschie¬ III. Fürstliches Reise«. Unser Tagebuch ist, wie überhaupt Tagebücher sein müssen, nicht Der alte ehrliche Johann Georg Busch sagte vor mehr als fünf¬ „Die Fürsten beruhigen sich zu leicht über den Austand ihres Seit jener Zeit, da der gute Busch schrieb, hat man freilich <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0148" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/271409"/> <p xml:id="ID_345" prev="#ID_344"> schmerzliche Trennung und der Baron hatte kaum den Kummer des Abschie¬<lb/> des verwunden, als er ein Schreiben aus Ulm empfing, worin ihm der<lb/> Freund ganz kurz anzeigte, wie er hoffe daß selbiger keinen Anstand neh-<lb/> men werde, da er nur auf dessen dringende Einladung die Reise ge¬<lb/> than und in der Zwischenzeit in seinem Geschäfte in Folge seiner Ab¬<lb/> wesenheit beträchtlichen Schaden gelitten, die Summe von I VMtt si.<lb/> als Entschädigung an ihn auszuzahlen. Der Empfänger war nicht<lb/> wenig betroffen ob der seltsamen Forderung, welche ihm denn doch<lb/> nicht ganz billig erschienen sein muß, weil, wie ich höre, diese Ent¬<lb/> schädigungsforderung zu einem Prozeß der beiden zärtlichen Freunde<lb/> geführt hat, in dem es sich zeigen soll, wie theuer in gewissen Fällen<lb/> eine Anwandlung sentimentaler Erinnerung kommen kann.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> III.<lb/> Fürstliches Reise«.</head><lb/> <p xml:id="ID_346"> Unser Tagebuch ist, wie überhaupt Tagebücher sein müssen, nicht<lb/> ein trockener Bericht über die laufenden Ereignisse, sondern eine ^ml-<lb/> I^se riti8oniive. In den Tagebüchern von Privatpersonen kommt es<lb/> wohl vor, daß sogar die ^lui^s« oder das ki-nsmiuomoiit allein ste¬<lb/> hen, indem der Betheiligte vergißt oder unnöthig findet, das Ereig¬<lb/> nis), welches ihm zu Betrachtungen Anlaß giebt, namentlich einzutra¬<lb/> gen- Bei politischen Tagebüchern, die öffentlich geführt werden, dürfte<lb/> ein gleiches Verfahren, das freilich da nicht von selbst und unwill¬<lb/> kürlich entstehen wird, unter Umständen doch practisch und deshalb<lb/> nicht zu verschmähen sein. Manches Raisonnement ist schon vor<lb/> Alters gemacht worden, das man in seinem Tagebuche nur abzu¬<lb/> schreiben hätte, um darin wie in einem Spiegel den Wiedersehe!» ge¬<lb/> genwärtiger Bedürfnisse und Anforderungen zu erblicken. Wie viel<lb/> nützliche Reflexionen vermodern im Schütte der Bibliotheken, Refler-<lb/> xionen, deren Anwendung auf den Augenblick unsägliches Gute stif¬<lb/> ten könnte, wenn nur nicht wieder immer das gute Alte umgelernt<lb/> und das alte Arge unvergessen bliebe. Der geneigte Leser möge er¬<lb/> lauben, daß wir ihm sogleich ein Beispiel liefern.</p><lb/> <p xml:id="ID_347"> Der alte ehrliche Johann Georg Busch sagte vor mehr als fünf¬<lb/> zig Jahren in seiner dickleibigen „Abhandlung über den Geldumlauf",<lb/> die überhaupt einen Schatz kostbarer Wahrheiten enthält, Folgendes:</p><lb/> <p xml:id="ID_348"> „Die Fürsten beruhigen sich zu leicht über den Austand ihres<lb/> Landes; sie sind von zu vielen Personen umgeben, deren Vortheil es<lb/> ist, sie in dieser Beruhigung zu erhalten. Nichts wäre in dieser Hin¬<lb/> sicht zuträglicher, als häufige Reisen eines Landesherrn, der — mit<lb/> eigenen Augen zu sehen und nach dem was auf den Wohlstand des<lb/> Landes Beziehung hat, zu fragen gelernt hat."</p><lb/> <p xml:id="ID_349" next="#ID_350"> Seit jener Zeit, da der gute Busch schrieb, hat man freilich</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0148]
schmerzliche Trennung und der Baron hatte kaum den Kummer des Abschie¬
des verwunden, als er ein Schreiben aus Ulm empfing, worin ihm der
Freund ganz kurz anzeigte, wie er hoffe daß selbiger keinen Anstand neh-
men werde, da er nur auf dessen dringende Einladung die Reise ge¬
than und in der Zwischenzeit in seinem Geschäfte in Folge seiner Ab¬
wesenheit beträchtlichen Schaden gelitten, die Summe von I VMtt si.
als Entschädigung an ihn auszuzahlen. Der Empfänger war nicht
wenig betroffen ob der seltsamen Forderung, welche ihm denn doch
nicht ganz billig erschienen sein muß, weil, wie ich höre, diese Ent¬
schädigungsforderung zu einem Prozeß der beiden zärtlichen Freunde
geführt hat, in dem es sich zeigen soll, wie theuer in gewissen Fällen
eine Anwandlung sentimentaler Erinnerung kommen kann.
III.
Fürstliches Reise«.
Unser Tagebuch ist, wie überhaupt Tagebücher sein müssen, nicht
ein trockener Bericht über die laufenden Ereignisse, sondern eine ^ml-
I^se riti8oniive. In den Tagebüchern von Privatpersonen kommt es
wohl vor, daß sogar die ^lui^s« oder das ki-nsmiuomoiit allein ste¬
hen, indem der Betheiligte vergißt oder unnöthig findet, das Ereig¬
nis), welches ihm zu Betrachtungen Anlaß giebt, namentlich einzutra¬
gen- Bei politischen Tagebüchern, die öffentlich geführt werden, dürfte
ein gleiches Verfahren, das freilich da nicht von selbst und unwill¬
kürlich entstehen wird, unter Umständen doch practisch und deshalb
nicht zu verschmähen sein. Manches Raisonnement ist schon vor
Alters gemacht worden, das man in seinem Tagebuche nur abzu¬
schreiben hätte, um darin wie in einem Spiegel den Wiedersehe!» ge¬
genwärtiger Bedürfnisse und Anforderungen zu erblicken. Wie viel
nützliche Reflexionen vermodern im Schütte der Bibliotheken, Refler-
xionen, deren Anwendung auf den Augenblick unsägliches Gute stif¬
ten könnte, wenn nur nicht wieder immer das gute Alte umgelernt
und das alte Arge unvergessen bliebe. Der geneigte Leser möge er¬
lauben, daß wir ihm sogleich ein Beispiel liefern.
Der alte ehrliche Johann Georg Busch sagte vor mehr als fünf¬
zig Jahren in seiner dickleibigen „Abhandlung über den Geldumlauf",
die überhaupt einen Schatz kostbarer Wahrheiten enthält, Folgendes:
„Die Fürsten beruhigen sich zu leicht über den Austand ihres
Landes; sie sind von zu vielen Personen umgeben, deren Vortheil es
ist, sie in dieser Beruhigung zu erhalten. Nichts wäre in dieser Hin¬
sicht zuträglicher, als häufige Reisen eines Landesherrn, der — mit
eigenen Augen zu sehen und nach dem was auf den Wohlstand des
Landes Beziehung hat, zu fragen gelernt hat."
Seit jener Zeit, da der gute Busch schrieb, hat man freilich
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