Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.unter schwoll der tobende Haufe zu einem Schwarm von 2VVV Men¬ Am 2. Oktober fand die Vermählung des Fürsten Sulkowskv, unter schwoll der tobende Haufe zu einem Schwarm von 2VVV Men¬ Am 2. Oktober fand die Vermählung des Fürsten Sulkowskv, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0147" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/271408"/> <p xml:id="ID_343" prev="#ID_342"> unter schwoll der tobende Haufe zu einem Schwarm von 2VVV Men¬<lb/> schen, vor denen sich die anrückende Husarcnpatrouille unverrichteter<lb/> Sache zurückziehen mußte. Ein Hofwagen, in dem ein Erzherzog<lb/> ins Theater fahren wollte, kehrte beim Anblick dieser Menschenmasse<lb/> wieder um und fuhr nach Schönbrunn zurück. Inzwischen rückte ein<lb/> Dctaschement Cavallerie unter Anführung eines Offizieres gegen die<lb/> Ruhestörer heran, und nur der Besonnenheit und der Unerschrockenheit<lb/> dieses Mannes hat man es wahrscheinlich zu danken, daß die Sache<lb/> ohne Unglück ablief, denn der Offizier ritt auf die> Leute zu und<lb/> sprach sie freundlich an, worauf sich die Menge bald in Ruhe zer¬<lb/> streute. Doch streiften zahlreiche Cavalleriepatrouillen bis nach Mit¬<lb/> ternacht in den Straßen, um die Wiederholung ähnlicher Scenen zu<lb/> verhüten, was auch vollkommen gelang.</p><lb/> <p xml:id="ID_344" next="#ID_345"> Am 2. Oktober fand die Vermählung des Fürsten Sulkowskv,<lb/> Herzogs von Bielitz, mit der einzigen Tochter des Baron Dietrich Statt.<lb/> Der Baron Dietrich war früher ein Großfuhrmann und ist erst nach¬<lb/> träglich baronisirt worden. Die Nachschübe zur Zeit der französischen<lb/> Kriege und manche andere wohlgelungene Speculation haben ihn zum<lb/> steinreichen Mann gemacht und jetzt gilt Baron Dietrich für den reich¬<lb/> sten Privatmann in Wien und sein Vermögen wird auf 12 Millio¬<lb/> nen Gulden Conv. Münze geschätzt. Dabei besitzt er eine leidenschaft¬<lb/> liche Neigung für das Theaterwesen und man weiß, daß nur durch<lb/> seine finanziellen Mittel der Ankauf des Theaters an der Wien für<lb/> den Direktor Pokomy möglich war. Auch hat sich Baron Dietrich<lb/> seit vielen Jahren in seinem Palais ein recht artiges Haustheater her¬<lb/> stellen lassen, auf dem regelmäßig alle Woche einmal von einer Ge¬<lb/> sellschaft Dilettanten kleine Stücke zur Aufführung gebracht werden;<lb/> in früheren Zeiten spielte der Baron gewöhnlich selbst mit, jetzt be¬<lb/> gnügt er sich wohl mit dem Arrangement und mit dem Anschauen der<lb/> Leistungen. Die meisten seiner Beamten sind Schauspieler. Bei die¬<lb/> ser Gelegenheit will ich zugleich einer Anekdote erwähnen, welche un¬<lb/> glaublich scheinen mag, für deren Wahrheit ich mich aber völlig ver¬<lb/> bürgen kann. Baron Dietrich hat nämlich in Ulm einen Geschäfts¬<lb/> freund, dessen Namen ich verschweigen will, der sein bedeutendes Ver.<lb/> mögen lediglich dem Antheil verdankt, den ihm der Baron bei seinen<lb/> Unternehmungen gönnte. An diesen alten Freund schrieb nun der<lb/> Baron vor längerer Zeit in einem Anfall von Trübsinn einen Brief,<lb/> worin er ihn dringend einlud ja recht bald nach Wien zu kommen,<lb/> wo er ihm eine glänzende Aufnahme zusagte, damit sie sich einige<lb/> Monate gegenseitigen Umganges eefreuen und vergangener Tage erin¬<lb/> nern könnten. Der Freund ließ sich nicht lange bitten und ehe noch<lb/> der Mond voll war, hielt der Postwagen vor dem Hause des gastli¬<lb/> chen Freiherrn, der ihn freundlich aufnahm und ein halbes Jahr köst¬<lb/> lich bewirthete und für dessen Zerstreuung sorgte. Endlich erfolgte die</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0147]
unter schwoll der tobende Haufe zu einem Schwarm von 2VVV Men¬
schen, vor denen sich die anrückende Husarcnpatrouille unverrichteter
Sache zurückziehen mußte. Ein Hofwagen, in dem ein Erzherzog
ins Theater fahren wollte, kehrte beim Anblick dieser Menschenmasse
wieder um und fuhr nach Schönbrunn zurück. Inzwischen rückte ein
Dctaschement Cavallerie unter Anführung eines Offizieres gegen die
Ruhestörer heran, und nur der Besonnenheit und der Unerschrockenheit
dieses Mannes hat man es wahrscheinlich zu danken, daß die Sache
ohne Unglück ablief, denn der Offizier ritt auf die> Leute zu und
sprach sie freundlich an, worauf sich die Menge bald in Ruhe zer¬
streute. Doch streiften zahlreiche Cavalleriepatrouillen bis nach Mit¬
ternacht in den Straßen, um die Wiederholung ähnlicher Scenen zu
verhüten, was auch vollkommen gelang.
Am 2. Oktober fand die Vermählung des Fürsten Sulkowskv,
Herzogs von Bielitz, mit der einzigen Tochter des Baron Dietrich Statt.
Der Baron Dietrich war früher ein Großfuhrmann und ist erst nach¬
träglich baronisirt worden. Die Nachschübe zur Zeit der französischen
Kriege und manche andere wohlgelungene Speculation haben ihn zum
steinreichen Mann gemacht und jetzt gilt Baron Dietrich für den reich¬
sten Privatmann in Wien und sein Vermögen wird auf 12 Millio¬
nen Gulden Conv. Münze geschätzt. Dabei besitzt er eine leidenschaft¬
liche Neigung für das Theaterwesen und man weiß, daß nur durch
seine finanziellen Mittel der Ankauf des Theaters an der Wien für
den Direktor Pokomy möglich war. Auch hat sich Baron Dietrich
seit vielen Jahren in seinem Palais ein recht artiges Haustheater her¬
stellen lassen, auf dem regelmäßig alle Woche einmal von einer Ge¬
sellschaft Dilettanten kleine Stücke zur Aufführung gebracht werden;
in früheren Zeiten spielte der Baron gewöhnlich selbst mit, jetzt be¬
gnügt er sich wohl mit dem Arrangement und mit dem Anschauen der
Leistungen. Die meisten seiner Beamten sind Schauspieler. Bei die¬
ser Gelegenheit will ich zugleich einer Anekdote erwähnen, welche un¬
glaublich scheinen mag, für deren Wahrheit ich mich aber völlig ver¬
bürgen kann. Baron Dietrich hat nämlich in Ulm einen Geschäfts¬
freund, dessen Namen ich verschweigen will, der sein bedeutendes Ver.
mögen lediglich dem Antheil verdankt, den ihm der Baron bei seinen
Unternehmungen gönnte. An diesen alten Freund schrieb nun der
Baron vor längerer Zeit in einem Anfall von Trübsinn einen Brief,
worin er ihn dringend einlud ja recht bald nach Wien zu kommen,
wo er ihm eine glänzende Aufnahme zusagte, damit sie sich einige
Monate gegenseitigen Umganges eefreuen und vergangener Tage erin¬
nern könnten. Der Freund ließ sich nicht lange bitten und ehe noch
der Mond voll war, hielt der Postwagen vor dem Hause des gastli¬
chen Freiherrn, der ihn freundlich aufnahm und ein halbes Jahr köst¬
lich bewirthete und für dessen Zerstreuung sorgte. Endlich erfolgte die
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