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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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blick verkündigte, da ein verdienter Staatsmann nach einem funfzig¬
jährigen segensreichen Walten den Dank einer freigesinnten, aber
loyalen Nation empfing. Eine Tafel mit 94 Gedecken vereinigte die
Elite der beiden Städte um den Erzherzog, aus dessen Augen die
freudige Erregtheit dieser Stunde sichtbar herausleuchtete, und mit dem
Anbruch der Nacht begann die im großartigsten Maaßstab angelegte
Illumination, die sich nicht blos auf die beiden Donaustädte mit
ihren Bewohnern erstreckte, sondern auf ihre nächsten Um¬
gebungen, auf den Strom und dessen Brücke ausgedehnt wurde. Es
gewährte einen wahrhaft prachtvollen, feenartigen Anblick, die weite
Landschaft mit den modernen Hausern und der uralten Festung im
schimmernden Lichtschmuck zahlloser Lampen und Flammen zu über¬
schauen, und besonders bot die blitzende Flut des mächtigen Ister ein
majestätisches Schauspiel dar, dessen man sich seit dem Jahre 1815
bei der Anwesenheit der Alliirten nicht entsinnen konnte. Die Pächter
der Donaubrücke hatten Alles gethan, um die Großartigkeit des Gan¬
zen noch zu erhöhen, und das Dampfschiff Sophie, welches gerade vor
Anker lag, gewährte nicht minder ein herrliches Schaustück. Die
Festung von Ofen schimmerte weit hinaus in'S Land, und auf dem
Gipfel des Blocksberges sprühte ein Tempel der Urania in allen Far¬
ben zum Entzücken des Volkes, das sich in dichten Massen durch die
Gassen drängte und sich nicht satt sehen mochte an der feurigen Ver¬
klärung, die über die ganze Gegend ausgegossen schien.

Die Regierung hat eine lobenswerthe Maßregel ergriffen, indem
sie die Spielhöllen in Bartfeld und EherinS schließen ließ, und es
wäre nur zu wünschen, daß sich diese Maßregel zu der Autorität eines
allgemeinen Gesetzes erhübe, damit das Land endlich einmal von der
moralischen Pest der Spielleidenschaft befreit würde, die besonders im
Badeort Mehedin ihren Sitz aufgeschlagen hat, dort, wo sich vorzugs¬
weise die Bojaren aus der Moldau und Wallachei einzusinken pflegen,
um das von ihren in tiefster Knechtschaft seufzenden Unterthanen er¬
preßte Geld in wüsten Nächten zu vergeuden. Erst unlängst hat sich
bei uns ein schauderhafter Fall ereignet, der, als ein Beitrag zu der
Geschichte des Elends, das diese unselige Leidenschaft seit Menschenge¬
denken über die Welt gebracht, allgemein bekannt zu werden verdient.
Ein wohlhabender Gutsbesitzer war mit seinem ältesten Sohne, der
selbst schon an der Landwirthschaft den thätigsten Antheil nahm, nach
Pesth zum Markt gekommen, der eben abgehalten ward. Die Ge¬
schäfte waren abgemacht und der Gewinnst sehr beträchtlich; in den
Mußetagen, die die Verkäufer gewöhnlich zu ihrem Vergnügen hier
zubringen und in welchen viel Geld ausgeht, läßt sich der Vater zum
Spiel verleiten und, höchst wahrscheinlich Spielern von Profession in
die Gaunerbande gefallen, hatte er in wenigen Tagen seine ganze be¬
deutende Baarschaft verloren. Aus Schaam wollte er sich nicht dem


blick verkündigte, da ein verdienter Staatsmann nach einem funfzig¬
jährigen segensreichen Walten den Dank einer freigesinnten, aber
loyalen Nation empfing. Eine Tafel mit 94 Gedecken vereinigte die
Elite der beiden Städte um den Erzherzog, aus dessen Augen die
freudige Erregtheit dieser Stunde sichtbar herausleuchtete, und mit dem
Anbruch der Nacht begann die im großartigsten Maaßstab angelegte
Illumination, die sich nicht blos auf die beiden Donaustädte mit
ihren Bewohnern erstreckte, sondern auf ihre nächsten Um¬
gebungen, auf den Strom und dessen Brücke ausgedehnt wurde. Es
gewährte einen wahrhaft prachtvollen, feenartigen Anblick, die weite
Landschaft mit den modernen Hausern und der uralten Festung im
schimmernden Lichtschmuck zahlloser Lampen und Flammen zu über¬
schauen, und besonders bot die blitzende Flut des mächtigen Ister ein
majestätisches Schauspiel dar, dessen man sich seit dem Jahre 1815
bei der Anwesenheit der Alliirten nicht entsinnen konnte. Die Pächter
der Donaubrücke hatten Alles gethan, um die Großartigkeit des Gan¬
zen noch zu erhöhen, und das Dampfschiff Sophie, welches gerade vor
Anker lag, gewährte nicht minder ein herrliches Schaustück. Die
Festung von Ofen schimmerte weit hinaus in'S Land, und auf dem
Gipfel des Blocksberges sprühte ein Tempel der Urania in allen Far¬
ben zum Entzücken des Volkes, das sich in dichten Massen durch die
Gassen drängte und sich nicht satt sehen mochte an der feurigen Ver¬
klärung, die über die ganze Gegend ausgegossen schien.

Die Regierung hat eine lobenswerthe Maßregel ergriffen, indem
sie die Spielhöllen in Bartfeld und EherinS schließen ließ, und es
wäre nur zu wünschen, daß sich diese Maßregel zu der Autorität eines
allgemeinen Gesetzes erhübe, damit das Land endlich einmal von der
moralischen Pest der Spielleidenschaft befreit würde, die besonders im
Badeort Mehedin ihren Sitz aufgeschlagen hat, dort, wo sich vorzugs¬
weise die Bojaren aus der Moldau und Wallachei einzusinken pflegen,
um das von ihren in tiefster Knechtschaft seufzenden Unterthanen er¬
preßte Geld in wüsten Nächten zu vergeuden. Erst unlängst hat sich
bei uns ein schauderhafter Fall ereignet, der, als ein Beitrag zu der
Geschichte des Elends, das diese unselige Leidenschaft seit Menschenge¬
denken über die Welt gebracht, allgemein bekannt zu werden verdient.
Ein wohlhabender Gutsbesitzer war mit seinem ältesten Sohne, der
selbst schon an der Landwirthschaft den thätigsten Antheil nahm, nach
Pesth zum Markt gekommen, der eben abgehalten ward. Die Ge¬
schäfte waren abgemacht und der Gewinnst sehr beträchtlich; in den
Mußetagen, die die Verkäufer gewöhnlich zu ihrem Vergnügen hier
zubringen und in welchen viel Geld ausgeht, läßt sich der Vater zum
Spiel verleiten und, höchst wahrscheinlich Spielern von Profession in
die Gaunerbande gefallen, hatte er in wenigen Tagen seine ganze be¬
deutende Baarschaft verloren. Aus Schaam wollte er sich nicht dem


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[0141] blick verkündigte, da ein verdienter Staatsmann nach einem funfzig¬ jährigen segensreichen Walten den Dank einer freigesinnten, aber loyalen Nation empfing. Eine Tafel mit 94 Gedecken vereinigte die Elite der beiden Städte um den Erzherzog, aus dessen Augen die freudige Erregtheit dieser Stunde sichtbar herausleuchtete, und mit dem Anbruch der Nacht begann die im großartigsten Maaßstab angelegte Illumination, die sich nicht blos auf die beiden Donaustädte mit ihren Bewohnern erstreckte, sondern auf ihre nächsten Um¬ gebungen, auf den Strom und dessen Brücke ausgedehnt wurde. Es gewährte einen wahrhaft prachtvollen, feenartigen Anblick, die weite Landschaft mit den modernen Hausern und der uralten Festung im schimmernden Lichtschmuck zahlloser Lampen und Flammen zu über¬ schauen, und besonders bot die blitzende Flut des mächtigen Ister ein majestätisches Schauspiel dar, dessen man sich seit dem Jahre 1815 bei der Anwesenheit der Alliirten nicht entsinnen konnte. Die Pächter der Donaubrücke hatten Alles gethan, um die Großartigkeit des Gan¬ zen noch zu erhöhen, und das Dampfschiff Sophie, welches gerade vor Anker lag, gewährte nicht minder ein herrliches Schaustück. Die Festung von Ofen schimmerte weit hinaus in'S Land, und auf dem Gipfel des Blocksberges sprühte ein Tempel der Urania in allen Far¬ ben zum Entzücken des Volkes, das sich in dichten Massen durch die Gassen drängte und sich nicht satt sehen mochte an der feurigen Ver¬ klärung, die über die ganze Gegend ausgegossen schien. Die Regierung hat eine lobenswerthe Maßregel ergriffen, indem sie die Spielhöllen in Bartfeld und EherinS schließen ließ, und es wäre nur zu wünschen, daß sich diese Maßregel zu der Autorität eines allgemeinen Gesetzes erhübe, damit das Land endlich einmal von der moralischen Pest der Spielleidenschaft befreit würde, die besonders im Badeort Mehedin ihren Sitz aufgeschlagen hat, dort, wo sich vorzugs¬ weise die Bojaren aus der Moldau und Wallachei einzusinken pflegen, um das von ihren in tiefster Knechtschaft seufzenden Unterthanen er¬ preßte Geld in wüsten Nächten zu vergeuden. Erst unlängst hat sich bei uns ein schauderhafter Fall ereignet, der, als ein Beitrag zu der Geschichte des Elends, das diese unselige Leidenschaft seit Menschenge¬ denken über die Welt gebracht, allgemein bekannt zu werden verdient. Ein wohlhabender Gutsbesitzer war mit seinem ältesten Sohne, der selbst schon an der Landwirthschaft den thätigsten Antheil nahm, nach Pesth zum Markt gekommen, der eben abgehalten ward. Die Ge¬ schäfte waren abgemacht und der Gewinnst sehr beträchtlich; in den Mußetagen, die die Verkäufer gewöhnlich zu ihrem Vergnügen hier zubringen und in welchen viel Geld ausgeht, läßt sich der Vater zum Spiel verleiten und, höchst wahrscheinlich Spielern von Profession in die Gaunerbande gefallen, hatte er in wenigen Tagen seine ganze be¬ deutende Baarschaft verloren. Aus Schaam wollte er sich nicht dem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/141>, abgerufen am 05.02.2025.