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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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und hineinzieht. Der erste Band ist bereits erschienen und hat all¬
gemeines Lob geerntet.

Unübersehbar ist die Zahl der Monographien, Biographien und
Archivauszüge. Wie viel Unwichtiges auch hier Jahr aus Jahr ein,
als Spreu zwischen den Körnern liegt, so verdient doch der biblische
Spruch Anwendung: Und finde ich in Sodom nur zehn Gerechte,
so will ich der ganzen Stadt um ihretwillen verzeihen. Es sind
aber mehr als zehn Gerechte unter dieser fleißigen Schaar von Mo-
nographcn zu finden, es leiden zwar die meisten an dem Mangel
kritischer Sichtung und an einem Ueberfluß von Enthusiasmus, aber
sie führen doch mit unermüdlichen Händen die Bausteine herbei, aus
denen einst das Gebäude einer umfassenden Geschichte aufsteigen
wird, und ihr Vaterland wie die Wissenschaft überhaupt ist ihnen zu
vielfachem Danke verpflichtet. Bei der großen Zahl dieser Schrift¬
steller kann ich hier nur diejenigen aufzählen, deren Namen am öfte¬
sten genannt werden und den meisten Credit genießen: Willens,
Serrure, Bar. Reifenberg, Abve David, De Potter, Bloe-
maert, Se. Genois, Snellaert, der Archivist Gansart, A.
Van Hasselt, Mole, De Niederwerth, De Laet, Theo¬
dor Juste, Coomans, Atom, A. Baron").



**) Wie ganz anders ist doch die Regierung Frankreichs auf die Propa¬
ganda französischer Ideen bedacht, als die deutschen Regierungsherrn. Herr
A. Baron, ein gevorner Franzose und beliebter Lehrer an der Brüsseler Uni¬
versität, hat von Louis Philipp den Orden der Ehrenlegion erhalten: "wegen
seiner Verdienste um die Ausbildung französischer Sprache in Belgien". Glei¬
ches und aus gleichem Grunde wurde auch andern Professoren, wie Herrn
Bergeron in Namur :c. zu Theil. Nie aber hat man gehört, daß einer von
den zahlreichen deutschen Gelehrten, die an den belgischen Universitäten thätig
sind, ein Wort der Theilnahme, ein Zeichen der Aufmunterung von irgend
einem deutschen Staate erhalten hätte. Diese Männer müssen sich schon glück¬
lich schätzen, wenn man ihnen zur Besuchsreise in ihre Heimath die Pässe
visirt! Wie wenig man deutscher Seits die Verbreitung deutscher Wissenschaft
und Literatur im Auslande einer Berücksichtigung würdigt, davon liefern die
belgischen Bücherzölle einen traurigen Beweis. Belgien mit seiner Nach-
druckerindustrie versendet nach den Aollvcreinsstaaten zum allerwenigsten zwan¬
zig Mal mehr Bücher, als Deutschland nach Belgien führt. Nichts desto we¬
niger müssen die aus Deutschland kommenden Bücher an der bel¬
gischen Grenze zehn Mal so viel Eingangszoll bezahlen, als
die aus Belgien kommenden Bücher an der deutschen Grenze
zahlen! 10" Kilogramme Bücher zahlen beim Eintritt in die Zollvereins-

und hineinzieht. Der erste Band ist bereits erschienen und hat all¬
gemeines Lob geerntet.

Unübersehbar ist die Zahl der Monographien, Biographien und
Archivauszüge. Wie viel Unwichtiges auch hier Jahr aus Jahr ein,
als Spreu zwischen den Körnern liegt, so verdient doch der biblische
Spruch Anwendung: Und finde ich in Sodom nur zehn Gerechte,
so will ich der ganzen Stadt um ihretwillen verzeihen. Es sind
aber mehr als zehn Gerechte unter dieser fleißigen Schaar von Mo-
nographcn zu finden, es leiden zwar die meisten an dem Mangel
kritischer Sichtung und an einem Ueberfluß von Enthusiasmus, aber
sie führen doch mit unermüdlichen Händen die Bausteine herbei, aus
denen einst das Gebäude einer umfassenden Geschichte aufsteigen
wird, und ihr Vaterland wie die Wissenschaft überhaupt ist ihnen zu
vielfachem Danke verpflichtet. Bei der großen Zahl dieser Schrift¬
steller kann ich hier nur diejenigen aufzählen, deren Namen am öfte¬
sten genannt werden und den meisten Credit genießen: Willens,
Serrure, Bar. Reifenberg, Abve David, De Potter, Bloe-
maert, Se. Genois, Snellaert, der Archivist Gansart, A.
Van Hasselt, Mole, De Niederwerth, De Laet, Theo¬
dor Juste, Coomans, Atom, A. Baron").



**) Wie ganz anders ist doch die Regierung Frankreichs auf die Propa¬
ganda französischer Ideen bedacht, als die deutschen Regierungsherrn. Herr
A. Baron, ein gevorner Franzose und beliebter Lehrer an der Brüsseler Uni¬
versität, hat von Louis Philipp den Orden der Ehrenlegion erhalten: „wegen
seiner Verdienste um die Ausbildung französischer Sprache in Belgien". Glei¬
ches und aus gleichem Grunde wurde auch andern Professoren, wie Herrn
Bergeron in Namur :c. zu Theil. Nie aber hat man gehört, daß einer von
den zahlreichen deutschen Gelehrten, die an den belgischen Universitäten thätig
sind, ein Wort der Theilnahme, ein Zeichen der Aufmunterung von irgend
einem deutschen Staate erhalten hätte. Diese Männer müssen sich schon glück¬
lich schätzen, wenn man ihnen zur Besuchsreise in ihre Heimath die Pässe
visirt! Wie wenig man deutscher Seits die Verbreitung deutscher Wissenschaft
und Literatur im Auslande einer Berücksichtigung würdigt, davon liefern die
belgischen Bücherzölle einen traurigen Beweis. Belgien mit seiner Nach-
druckerindustrie versendet nach den Aollvcreinsstaaten zum allerwenigsten zwan¬
zig Mal mehr Bücher, als Deutschland nach Belgien führt. Nichts desto we¬
niger müssen die aus Deutschland kommenden Bücher an der bel¬
gischen Grenze zehn Mal so viel Eingangszoll bezahlen, als
die aus Belgien kommenden Bücher an der deutschen Grenze
zahlen! 10» Kilogramme Bücher zahlen beim Eintritt in die Zollvereins-
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/121>, abgerufen am 05.02.2025.