Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.der Waizen! Die freche Gemeinheit, die ohne Brandmarkung, ja Nicht daß ich im Interesse einer Partei spräche, der zunächst blos- Aber bei diesem einzelnen Beispiele wirds nicht bleiben, nicht der Waizen! Die freche Gemeinheit, die ohne Brandmarkung, ja Nicht daß ich im Interesse einer Partei spräche, der zunächst blos- Aber bei diesem einzelnen Beispiele wirds nicht bleiben, nicht <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0103" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/271364"/> <p xml:id="ID_245" prev="#ID_244"> der Waizen! Die freche Gemeinheit, die ohne Brandmarkung, ja<lb/> ohne Widerspruch auftreten, sich verbreiten, über gute und böse Dinge<lb/> hinwuchern darf, die gleißende Gesinnungslosigkeit oder gar die ver-<lb/> d>>rhea Absicht, über welche das Publikum nicht aufgeklärt wird, ge¬<lb/> deihen zur Kühnheit von der Keckheit, gedeihen von der Schwäche zur<lb/> Macht. Deutschland hat keinen anerkannten Mittelpunkt, weder örtlich<lb/> noch geistig. Unserem Wolke fehlt der allgemeine Maßstab der Beach-<lb/> inugswürdigkeit, denn es fehlt uns in Deutschland die Hauptstadt und<lb/> fehlen die Hauptblättcr, an deren Aufmerksamkeit das gesammte Pu¬<lb/> blikum ermessen könnte, was der Aufmerksamkeit werth ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_246"> Nicht daß ich im Interesse einer Partei spräche, der zunächst blos-<lb/> gcstellten durch solch einen Vorfall etwa, nein, ich rede im Interesse<lb/> aller Parteien und jedes edlen Streits. Es gibt Personen und Ten¬<lb/> denzen, von deren Mitbethätigung ich Liberale und Eonfervative frei<lb/> sehen will, weil sie jeder rechtschaffenen Gemeinschaft nur Schande<lb/> und Schaden bringen, ohne damit die Entscheidung der Angelegenheit<lb/> auch nur um eine Linie zu fördern. Ich benutze ein jüngstes Bei¬<lb/> spiel nur, um augenfällig auf den Punkt zu weisen, wohin das Jgno-<lb/> riren führt. Die Polemik, die gegenwärtig wider Herrn Chownitz<lb/> eröffnet wird, ist verspätet und ist, wie sie z. B. in dem Ulmer Ar¬<lb/> tikel vom 8. October der Deutschen Allgem. Zeitung gehandhabt wird,<lb/> geradezu selbstmörderisch. Dagegen hat sich eben diese Polemik un¬<lb/> verantwortlich versäumt und wir tragen Al5e die größte Schuld dabei,<lb/> daß die Journale schwiegen, als Herr Chownitz geiht-, anstands- und<lb/> sittenlose Romane und Blatter schrieb, und daß sie schwiegen, als er<lb/> seinen Namen an die Fahne einer neuen Kirchenpartei heftete und in<lb/> seinem eitlen Interesse gottesdienstliche Versammlungen mit heuchleri¬<lb/> schen Predigten, die Zeitungen aber mit lügenhaften Berichten über¬<lb/> schwemmte. Hätte die Presse ihre Schuldigkeit gethan, so wäre das<lb/> Aergerniß unmöglich gewesen.'</p><lb/> <p xml:id="ID_247" next="#ID_248"> Aber bei diesem einzelnen Beispiele wirds nicht bleiben, nicht<lb/> blos die eine Sache und die eine Partei wird durch solche Vorfälle<lb/> beschimpft werden, wenn die Tagespresse bei ihrem derzeitigen Verfah¬<lb/> ren beharrt. Unsere Literatur und unsere öffentlichen Zustande gehen<lb/> im Ganzen der äußersten Gefahr entgegen, sobald die Blätter noch<lb/> ferner ihr besseres Wissen aus halb aristokratischen, halb furchtsamen<lb/> Rücksichten verhehlen. Es ist des Dichters ganz würdig, gemeine<lb/> Angeiferungen durch ein würdevolles Schweigen zu erwiedern, oder<lb/> des Künstlers verderbte Geschmacksrichtungen nur durch seine Werke<lb/> zum Edleren zu wenden. Auf den Journalisten aber paßt die Ana¬<lb/> logie des Künstlers und Dichters nicht. Er ist verpflichtet, sich bestä¬<lb/> tigend oder verwerfend auf jedes neue Ereigniß einzulassen, bevor das<lb/> Ereignis, stärker wird als die Journalistik, er kann seine Zurückhaltung<lb/> nicht damit entschuldigen, daß ihm unter der Polemik die schöpferische</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0103]
der Waizen! Die freche Gemeinheit, die ohne Brandmarkung, ja
ohne Widerspruch auftreten, sich verbreiten, über gute und böse Dinge
hinwuchern darf, die gleißende Gesinnungslosigkeit oder gar die ver-
d>>rhea Absicht, über welche das Publikum nicht aufgeklärt wird, ge¬
deihen zur Kühnheit von der Keckheit, gedeihen von der Schwäche zur
Macht. Deutschland hat keinen anerkannten Mittelpunkt, weder örtlich
noch geistig. Unserem Wolke fehlt der allgemeine Maßstab der Beach-
inugswürdigkeit, denn es fehlt uns in Deutschland die Hauptstadt und
fehlen die Hauptblättcr, an deren Aufmerksamkeit das gesammte Pu¬
blikum ermessen könnte, was der Aufmerksamkeit werth ist.
Nicht daß ich im Interesse einer Partei spräche, der zunächst blos-
gcstellten durch solch einen Vorfall etwa, nein, ich rede im Interesse
aller Parteien und jedes edlen Streits. Es gibt Personen und Ten¬
denzen, von deren Mitbethätigung ich Liberale und Eonfervative frei
sehen will, weil sie jeder rechtschaffenen Gemeinschaft nur Schande
und Schaden bringen, ohne damit die Entscheidung der Angelegenheit
auch nur um eine Linie zu fördern. Ich benutze ein jüngstes Bei¬
spiel nur, um augenfällig auf den Punkt zu weisen, wohin das Jgno-
riren führt. Die Polemik, die gegenwärtig wider Herrn Chownitz
eröffnet wird, ist verspätet und ist, wie sie z. B. in dem Ulmer Ar¬
tikel vom 8. October der Deutschen Allgem. Zeitung gehandhabt wird,
geradezu selbstmörderisch. Dagegen hat sich eben diese Polemik un¬
verantwortlich versäumt und wir tragen Al5e die größte Schuld dabei,
daß die Journale schwiegen, als Herr Chownitz geiht-, anstands- und
sittenlose Romane und Blatter schrieb, und daß sie schwiegen, als er
seinen Namen an die Fahne einer neuen Kirchenpartei heftete und in
seinem eitlen Interesse gottesdienstliche Versammlungen mit heuchleri¬
schen Predigten, die Zeitungen aber mit lügenhaften Berichten über¬
schwemmte. Hätte die Presse ihre Schuldigkeit gethan, so wäre das
Aergerniß unmöglich gewesen.'
Aber bei diesem einzelnen Beispiele wirds nicht bleiben, nicht
blos die eine Sache und die eine Partei wird durch solche Vorfälle
beschimpft werden, wenn die Tagespresse bei ihrem derzeitigen Verfah¬
ren beharrt. Unsere Literatur und unsere öffentlichen Zustande gehen
im Ganzen der äußersten Gefahr entgegen, sobald die Blätter noch
ferner ihr besseres Wissen aus halb aristokratischen, halb furchtsamen
Rücksichten verhehlen. Es ist des Dichters ganz würdig, gemeine
Angeiferungen durch ein würdevolles Schweigen zu erwiedern, oder
des Künstlers verderbte Geschmacksrichtungen nur durch seine Werke
zum Edleren zu wenden. Auf den Journalisten aber paßt die Ana¬
logie des Künstlers und Dichters nicht. Er ist verpflichtet, sich bestä¬
tigend oder verwerfend auf jedes neue Ereigniß einzulassen, bevor das
Ereignis, stärker wird als die Journalistik, er kann seine Zurückhaltung
nicht damit entschuldigen, daß ihm unter der Polemik die schöpferische
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