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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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Verletzung des Gesetzes übrig, die sür die höheren Staatsbeamten
um so bedenklicher ist, als noch keine Reichsstände vorhanden sind,
um ihrrerr eine Jndemnitäts-Bill zii votireir.

Das zweite wichtige Gesetz, welches das fernere Regime formell
beinahe unmöglich macht, ist das vom 5. Juni 1823, nach welchem,
so larige keine allgemeinen Stäude eingeführt sind, alle allgemeinen
Gesetze, welche Umänderungen in den Eigenthums- und Personen-
rechten, so wie in den Steuern bezwecken, der Begutachtung aller
Provinzial-Stände vorgelegt werden müssen. Man denke sich also
acht ständische Versammlungen, welche über dasselbe Gesetz ihre Denk-
schriften utrd Gutachten einsenden. Welcher unermeßliche Ocean vori
Bemerkungen und Wünschen, welcher bunte Conflict von Anträgen
und Bitten! Wo wäre wohl der kühne Schiffer zu finden, der es verstände,
ohne zu strarrden, glücklich hindurch zii segeln? Größere Gesetze sind
unter der strengen und gewissenhaften Beobachtung dieser. formellen
Garantien, wie die Erfahrung gezeigt hat, gar nicht, oder nur sehr
schwer durchzuführen Die allgemeine Gemerbe-Ordnung *) ist scholl
vor sieberr Jahren von allen acht Proviiizial- Landtagen gründlich
und umfassend begutachtet, aber noch nicht veröffentlicht worden. Welche
Kämpfe utrd Meinungsverschiedenheiten der Entwurf zum Strafrecht
veranlaßt hat, ist uns Allen noch in frischem Andenken.

Zwar sollten die Central-Artsschüsse die Abweichungen inner derr
verschiedenen Provinzen ausgleichen utrd zur Einheit vermitteln, aber
auch dieses Institut, das nicht eitles Schattens von parlamentarischer
Selbständigkeit sich zu erfreuen hatte, fand man zu lästig und ver-
sammelte dessen Mitglieder nicht wieder. Ueberhaript schienen die
Provinzial-Stände nicht eben geneigt zii sein, die ihnen gesetzlich zii-
stehenden Vorrechte ihren Ausschüssen zu übertragen. Als die Re-
giermig den Wunsch ausdrückte, die Ausschüsse möchten die in der
bestimmten Frist nicht abgemachten Arbeiten beendigen, protestirteri
alle acht Provinzicl-Landtage ohne Ausnahme dagegen, so daß die
Regierung bei dieser Einstimmigkeit sich zu der Erklärung bewogen
sah, daß durch diese neue Einrichtung die Schmälerung ihrer Rechte
nicht gemeint sei



*) Dieser Gesetzentwurf sollte schon deshalb von Neuem den Ständen voi.-
gelegt werden, weil inzwischen ein Thronwechsel stattgefunden und sich die
Verhältnisse der Industriellen seitdem wesentlich verändert haben.
^ *

Verletzung des Gesetzes übrig, die sür die höheren Staatsbeamten
um so bedenklicher ist, als noch keine Reichsstände vorhanden sind,
um ihrrerr eine Jndemnitäts-Bill zii votireir.

Das zweite wichtige Gesetz, welches das fernere Regime formell
beinahe unmöglich macht, ist das vom 5. Juni 1823, nach welchem,
so larige keine allgemeinen Stäude eingeführt sind, alle allgemeinen
Gesetze, welche Umänderungen in den Eigenthums- und Personen-
rechten, so wie in den Steuern bezwecken, der Begutachtung aller
Provinzial-Stände vorgelegt werden müssen. Man denke sich also
acht ständische Versammlungen, welche über dasselbe Gesetz ihre Denk-
schriften utrd Gutachten einsenden. Welcher unermeßliche Ocean vori
Bemerkungen und Wünschen, welcher bunte Conflict von Anträgen
und Bitten! Wo wäre wohl der kühne Schiffer zu finden, der es verstände,
ohne zu strarrden, glücklich hindurch zii segeln? Größere Gesetze sind
unter der strengen und gewissenhaften Beobachtung dieser. formellen
Garantien, wie die Erfahrung gezeigt hat, gar nicht, oder nur sehr
schwer durchzuführen Die allgemeine Gemerbe-Ordnung *) ist scholl
vor sieberr Jahren von allen acht Proviiizial- Landtagen gründlich
und umfassend begutachtet, aber noch nicht veröffentlicht worden. Welche
Kämpfe utrd Meinungsverschiedenheiten der Entwurf zum Strafrecht
veranlaßt hat, ist uns Allen noch in frischem Andenken.

Zwar sollten die Central-Artsschüsse die Abweichungen inner derr
verschiedenen Provinzen ausgleichen utrd zur Einheit vermitteln, aber
auch dieses Institut, das nicht eitles Schattens von parlamentarischer
Selbständigkeit sich zu erfreuen hatte, fand man zu lästig und ver-
sammelte dessen Mitglieder nicht wieder. Ueberhaript schienen die
Provinzial-Stände nicht eben geneigt zii sein, die ihnen gesetzlich zii-
stehenden Vorrechte ihren Ausschüssen zu übertragen. Als die Re-
giermig den Wunsch ausdrückte, die Ausschüsse möchten die in der
bestimmten Frist nicht abgemachten Arbeiten beendigen, protestirteri
alle acht Provinzicl-Landtage ohne Ausnahme dagegen, so daß die
Regierung bei dieser Einstimmigkeit sich zu der Erklärung bewogen
sah, daß durch diese neue Einrichtung die Schmälerung ihrer Rechte
nicht gemeint sei



*) Dieser Gesetzentwurf sollte schon deshalb von Neuem den Ständen voi.-
gelegt werden, weil inzwischen ein Thronwechsel stattgefunden und sich die
Verhältnisse der Industriellen seitdem wesentlich verändert haben.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/9>, abgerufen am 22.07.2024.