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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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höchsten Grade erregt. Zu rasch rollte der Wagen an den Werken
vorüber, als daß sich etwas Genaues über deren System hatte erkun¬
den lassen. Links von der Straße liegt das bedeutendere Fort, das
die nach S. sich senkende Straße mit einer gewaltigen Geschützsront
in mehrern Etagen beherrscht, wahrend rechts vorgeschoben, eine
höher gelegene Befestigung durch concentrisches Feuer und gegenseitige
Unterstützung den Punkt fast unnehmbar zu machen scheint, da der
Feind im engen Gebirgsthal? einen Gefchützkampf nur unter den un¬
günstigsten Verhältnissen beginnen könnte. Eine Stunde weiter gen
S. breiten sich die starren Bergrander, in denen man vom Bren¬
ner herab eingeschachtelt, mit der wildtosenden Eisak zur Begleiterin,
fahrt, in ein weites, freundlich grünes Thal auseinander, in
welchem Nußbaume und Kastanien, Weinreben und wieder Garten-
blumen wachsen. Der Doppelthüren der Domkirche verkündet den
Bischofsitz, eine riesige Trauerweide hängt über dem Eingange von
Briren und scheint mit ihren langen, wehenden Zweig?" ein Will¬
kommen zu winken -- oder: 65rv! Denn drinnen ist es keineswegs
so lieblich, als draußen.

Ich wollte mich sogleich einem jungen Triestiner anschließen, wel¬
cher den Weg zu Fuß wieder hinauf machte, um die Franzensveste
genau zu besehen, indessen sagte man mir, daß dazu eine Legitima¬
tion als Oesterreicher gehöre, mein Paß legitimirte mich aber als
preußischen Militär und so mußte ich denn auf nähere Einsicht in
die Construction jener interessanten Werke verzichten. Auf meinen
Streifereien suchte ich Gelegenheit, mit Eingevornen, besonders Berg¬
söhnen aus dem Eisak- und Pusterthal -- die letztern unverkennbar
an ihrer schwarzgrünen Tracht mit den nackten Knieen -- über die
Beste zu sprechen und was ich hier vernommen habe, scheint aller¬
dings die Gewißheit zu geben, daß sie umgangen wer¬
den kann.

Mehrere hohnlacheltcn, wenn ich davon sprach, daß keine Maus
unzermalmt durch den Paß lausen würde. -- "'s isch scho' Recht!"
sagte Einer. "Aber -- wer braucht's?" Dabei zeigte er auf die Hö¬
hen des linken Thalrandes.''

Ein Anderer sagte achselzuckend: "Schad ums Geld! Man
kann d'rum her!" Und als ich genauer fragte, behaupteten sie, wie
eine ausgemachte Sache, daß die Beste auf Bergpfadcn zu umgehen
sei. "Mit ganzen Massen?" fragte ich eifrig."

"Nun, so viel Lust haben. -- Aus einmal nit! antworteten sie
lachend. Also einzeln, wie es scheint.

Es läßt sich freilich nicht annehmen, daß ein so kostspieliger Bau
ohne die gewissenhafteste Recognoscirung des Terrains unternommen
worden ist und ich erzähle nur, was ich gehört habe, ohne die Wahr¬
heit der Sache selbst zu verbürgen. Zwar lockte es mich, letztere zu


höchsten Grade erregt. Zu rasch rollte der Wagen an den Werken
vorüber, als daß sich etwas Genaues über deren System hatte erkun¬
den lassen. Links von der Straße liegt das bedeutendere Fort, das
die nach S. sich senkende Straße mit einer gewaltigen Geschützsront
in mehrern Etagen beherrscht, wahrend rechts vorgeschoben, eine
höher gelegene Befestigung durch concentrisches Feuer und gegenseitige
Unterstützung den Punkt fast unnehmbar zu machen scheint, da der
Feind im engen Gebirgsthal? einen Gefchützkampf nur unter den un¬
günstigsten Verhältnissen beginnen könnte. Eine Stunde weiter gen
S. breiten sich die starren Bergrander, in denen man vom Bren¬
ner herab eingeschachtelt, mit der wildtosenden Eisak zur Begleiterin,
fahrt, in ein weites, freundlich grünes Thal auseinander, in
welchem Nußbaume und Kastanien, Weinreben und wieder Garten-
blumen wachsen. Der Doppelthüren der Domkirche verkündet den
Bischofsitz, eine riesige Trauerweide hängt über dem Eingange von
Briren und scheint mit ihren langen, wehenden Zweig?» ein Will¬
kommen zu winken — oder: 65rv! Denn drinnen ist es keineswegs
so lieblich, als draußen.

Ich wollte mich sogleich einem jungen Triestiner anschließen, wel¬
cher den Weg zu Fuß wieder hinauf machte, um die Franzensveste
genau zu besehen, indessen sagte man mir, daß dazu eine Legitima¬
tion als Oesterreicher gehöre, mein Paß legitimirte mich aber als
preußischen Militär und so mußte ich denn auf nähere Einsicht in
die Construction jener interessanten Werke verzichten. Auf meinen
Streifereien suchte ich Gelegenheit, mit Eingevornen, besonders Berg¬
söhnen aus dem Eisak- und Pusterthal — die letztern unverkennbar
an ihrer schwarzgrünen Tracht mit den nackten Knieen — über die
Beste zu sprechen und was ich hier vernommen habe, scheint aller¬
dings die Gewißheit zu geben, daß sie umgangen wer¬
den kann.

Mehrere hohnlacheltcn, wenn ich davon sprach, daß keine Maus
unzermalmt durch den Paß lausen würde. — „'s isch scho' Recht!"
sagte Einer. „Aber — wer braucht's?" Dabei zeigte er auf die Hö¬
hen des linken Thalrandes.''

Ein Anderer sagte achselzuckend: „Schad ums Geld! Man
kann d'rum her!" Und als ich genauer fragte, behaupteten sie, wie
eine ausgemachte Sache, daß die Beste auf Bergpfadcn zu umgehen
sei. „Mit ganzen Massen?" fragte ich eifrig."

„Nun, so viel Lust haben. — Aus einmal nit! antworteten sie
lachend. Also einzeln, wie es scheint.

Es läßt sich freilich nicht annehmen, daß ein so kostspieliger Bau
ohne die gewissenhafteste Recognoscirung des Terrains unternommen
worden ist und ich erzähle nur, was ich gehört habe, ohne die Wahr¬
heit der Sache selbst zu verbürgen. Zwar lockte es mich, letztere zu


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[0630] höchsten Grade erregt. Zu rasch rollte der Wagen an den Werken vorüber, als daß sich etwas Genaues über deren System hatte erkun¬ den lassen. Links von der Straße liegt das bedeutendere Fort, das die nach S. sich senkende Straße mit einer gewaltigen Geschützsront in mehrern Etagen beherrscht, wahrend rechts vorgeschoben, eine höher gelegene Befestigung durch concentrisches Feuer und gegenseitige Unterstützung den Punkt fast unnehmbar zu machen scheint, da der Feind im engen Gebirgsthal? einen Gefchützkampf nur unter den un¬ günstigsten Verhältnissen beginnen könnte. Eine Stunde weiter gen S. breiten sich die starren Bergrander, in denen man vom Bren¬ ner herab eingeschachtelt, mit der wildtosenden Eisak zur Begleiterin, fahrt, in ein weites, freundlich grünes Thal auseinander, in welchem Nußbaume und Kastanien, Weinreben und wieder Garten- blumen wachsen. Der Doppelthüren der Domkirche verkündet den Bischofsitz, eine riesige Trauerweide hängt über dem Eingange von Briren und scheint mit ihren langen, wehenden Zweig?» ein Will¬ kommen zu winken — oder: 65rv! Denn drinnen ist es keineswegs so lieblich, als draußen. Ich wollte mich sogleich einem jungen Triestiner anschließen, wel¬ cher den Weg zu Fuß wieder hinauf machte, um die Franzensveste genau zu besehen, indessen sagte man mir, daß dazu eine Legitima¬ tion als Oesterreicher gehöre, mein Paß legitimirte mich aber als preußischen Militär und so mußte ich denn auf nähere Einsicht in die Construction jener interessanten Werke verzichten. Auf meinen Streifereien suchte ich Gelegenheit, mit Eingevornen, besonders Berg¬ söhnen aus dem Eisak- und Pusterthal — die letztern unverkennbar an ihrer schwarzgrünen Tracht mit den nackten Knieen — über die Beste zu sprechen und was ich hier vernommen habe, scheint aller¬ dings die Gewißheit zu geben, daß sie umgangen wer¬ den kann. Mehrere hohnlacheltcn, wenn ich davon sprach, daß keine Maus unzermalmt durch den Paß lausen würde. — „'s isch scho' Recht!" sagte Einer. „Aber — wer braucht's?" Dabei zeigte er auf die Hö¬ hen des linken Thalrandes.'' Ein Anderer sagte achselzuckend: „Schad ums Geld! Man kann d'rum her!" Und als ich genauer fragte, behaupteten sie, wie eine ausgemachte Sache, daß die Beste auf Bergpfadcn zu umgehen sei. „Mit ganzen Massen?" fragte ich eifrig." „Nun, so viel Lust haben. — Aus einmal nit! antworteten sie lachend. Also einzeln, wie es scheint. Es läßt sich freilich nicht annehmen, daß ein so kostspieliger Bau ohne die gewissenhafteste Recognoscirung des Terrains unternommen worden ist und ich erzähle nur, was ich gehört habe, ohne die Wahr¬ heit der Sache selbst zu verbürgen. Zwar lockte es mich, letztere zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/630>, abgerufen am 22.07.2024.