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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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von Friedrich Siegmund" (Leipzig, in Commiss. bei K. F. Köhler)
machen uns mit einem Dichter von entschiedenem Talente bekannt,
oder flößen uns vielmehr das Verlangen ein, ihn kennen zu lernen,
denn bis jetzt halt er sich noch hinter der Maske der Pscudonvmität.
-- Bis jetzt ist Hr. v. Holtei von der Leitung unserer Bühne zwar
noch nicht zurückgetreten, es steht jedoch fest, daß er dies unter allen
Umstanden thut. Vermöge der dramatischen Vorlesungen, welche er
hier veranstaltet, scheint er die Zeit und das Publicum fragen zu
wollen, ob er zu etwas Anderem mehr tauge, als zu einem Theater-
Dirigenten. Der Erfolg sieht wie eine günstige Antwort aus. Ge¬
wiß tragt er aus Breslau wieder einen tüchtigen Sack voll Stoff zu
seinen Memoiren mit fort. Wehe denen, welchen er durch das Schlüs¬
selloch geguckt, wehe Allen, die nicht Palmen streuten, wehe auch
Ihrem Korrespondenten, der nicht umhin konnte, über die Holteische
Direktion die Wahrheit zu sagen. Da also, wie gesagt, Hr. v. Holle!
noch dirigirt, so ist über unsere Theaterzustande nichts Neues zu sa¬
gen. Die Naderschc Posse "der artesische Brunnen" übt jetzt am
meisten Zugkraft aus, wobei jedoch unser treffliche Decorateur, Hr.
Pape, und der eben so vortreffliche Komiker Hr. Wohlbrück das
größte, wenn nicht einzige Verdienst haben. Die ersten Kräfte des
Dramas, wie Hr. Hegel, Hr. Hcnnig :c. liegen brach, weil Holtei
die neuesten Zeitstücke, wie "Urbild," "Pugatscheff" ze. an Hrn. Emil
Devrient's Gastspiel versagt hat. Dadurch macht er natürlich die
Stücke todt und lahmt zugleich das künstlerische Streben der hiesigen
^ Bühnenmitglieder.


V.
Das Bollwerk von Tyrol.
Siehe die Franzensveste bei Brixen Grenzvvten Na>. K.

Die mächtige Beste, welche Oesterreich im EiiMhale baut, um
Tyrol gegen Invasion von Süden her zu schirmen, ist schon einmal
in diesen Blättern besprochen worden. Der Verfasser jener schätzens-
werthen Mittheilung, in welcher auch ohne nähere Angabe der Mili¬
tär unverkennbar ist, stellt, indem er die vortreffliche Lage der Fran¬
zensveste schildert, die Voraussetzung hin: "dafern sie nicht mit
leichter Infanterie umgangen werden könne." Dieselbe Betrachtung
drängte sich mir auf, als ich im vorigen Spätsommer über den Bren¬
ner nach Italien reiste, und was ich an Ort und Stelle darüber ver¬
nommen habe, mag vielleicht als Supplement zu der oben erwähn¬
ten Mittheilung dienen.

Der imposante Bau mit seinen beiden Forts, zwischen denen die
Straße im verengten Eisakthale dahin läuft, hatte mein Interesse im


von Friedrich Siegmund" (Leipzig, in Commiss. bei K. F. Köhler)
machen uns mit einem Dichter von entschiedenem Talente bekannt,
oder flößen uns vielmehr das Verlangen ein, ihn kennen zu lernen,
denn bis jetzt halt er sich noch hinter der Maske der Pscudonvmität.
— Bis jetzt ist Hr. v. Holtei von der Leitung unserer Bühne zwar
noch nicht zurückgetreten, es steht jedoch fest, daß er dies unter allen
Umstanden thut. Vermöge der dramatischen Vorlesungen, welche er
hier veranstaltet, scheint er die Zeit und das Publicum fragen zu
wollen, ob er zu etwas Anderem mehr tauge, als zu einem Theater-
Dirigenten. Der Erfolg sieht wie eine günstige Antwort aus. Ge¬
wiß tragt er aus Breslau wieder einen tüchtigen Sack voll Stoff zu
seinen Memoiren mit fort. Wehe denen, welchen er durch das Schlüs¬
selloch geguckt, wehe Allen, die nicht Palmen streuten, wehe auch
Ihrem Korrespondenten, der nicht umhin konnte, über die Holteische
Direktion die Wahrheit zu sagen. Da also, wie gesagt, Hr. v. Holle!
noch dirigirt, so ist über unsere Theaterzustande nichts Neues zu sa¬
gen. Die Naderschc Posse „der artesische Brunnen" übt jetzt am
meisten Zugkraft aus, wobei jedoch unser treffliche Decorateur, Hr.
Pape, und der eben so vortreffliche Komiker Hr. Wohlbrück das
größte, wenn nicht einzige Verdienst haben. Die ersten Kräfte des
Dramas, wie Hr. Hegel, Hr. Hcnnig :c. liegen brach, weil Holtei
die neuesten Zeitstücke, wie „Urbild," „Pugatscheff" ze. an Hrn. Emil
Devrient's Gastspiel versagt hat. Dadurch macht er natürlich die
Stücke todt und lahmt zugleich das künstlerische Streben der hiesigen
^ Bühnenmitglieder.


V.
Das Bollwerk von Tyrol.
Siehe die Franzensveste bei Brixen Grenzvvten Na>. K.

Die mächtige Beste, welche Oesterreich im EiiMhale baut, um
Tyrol gegen Invasion von Süden her zu schirmen, ist schon einmal
in diesen Blättern besprochen worden. Der Verfasser jener schätzens-
werthen Mittheilung, in welcher auch ohne nähere Angabe der Mili¬
tär unverkennbar ist, stellt, indem er die vortreffliche Lage der Fran¬
zensveste schildert, die Voraussetzung hin: „dafern sie nicht mit
leichter Infanterie umgangen werden könne." Dieselbe Betrachtung
drängte sich mir auf, als ich im vorigen Spätsommer über den Bren¬
ner nach Italien reiste, und was ich an Ort und Stelle darüber ver¬
nommen habe, mag vielleicht als Supplement zu der oben erwähn¬
ten Mittheilung dienen.

Der imposante Bau mit seinen beiden Forts, zwischen denen die
Straße im verengten Eisakthale dahin läuft, hatte mein Interesse im


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[0629] von Friedrich Siegmund" (Leipzig, in Commiss. bei K. F. Köhler) machen uns mit einem Dichter von entschiedenem Talente bekannt, oder flößen uns vielmehr das Verlangen ein, ihn kennen zu lernen, denn bis jetzt halt er sich noch hinter der Maske der Pscudonvmität. — Bis jetzt ist Hr. v. Holtei von der Leitung unserer Bühne zwar noch nicht zurückgetreten, es steht jedoch fest, daß er dies unter allen Umstanden thut. Vermöge der dramatischen Vorlesungen, welche er hier veranstaltet, scheint er die Zeit und das Publicum fragen zu wollen, ob er zu etwas Anderem mehr tauge, als zu einem Theater- Dirigenten. Der Erfolg sieht wie eine günstige Antwort aus. Ge¬ wiß tragt er aus Breslau wieder einen tüchtigen Sack voll Stoff zu seinen Memoiren mit fort. Wehe denen, welchen er durch das Schlüs¬ selloch geguckt, wehe Allen, die nicht Palmen streuten, wehe auch Ihrem Korrespondenten, der nicht umhin konnte, über die Holteische Direktion die Wahrheit zu sagen. Da also, wie gesagt, Hr. v. Holle! noch dirigirt, so ist über unsere Theaterzustande nichts Neues zu sa¬ gen. Die Naderschc Posse „der artesische Brunnen" übt jetzt am meisten Zugkraft aus, wobei jedoch unser treffliche Decorateur, Hr. Pape, und der eben so vortreffliche Komiker Hr. Wohlbrück das größte, wenn nicht einzige Verdienst haben. Die ersten Kräfte des Dramas, wie Hr. Hegel, Hr. Hcnnig :c. liegen brach, weil Holtei die neuesten Zeitstücke, wie „Urbild," „Pugatscheff" ze. an Hrn. Emil Devrient's Gastspiel versagt hat. Dadurch macht er natürlich die Stücke todt und lahmt zugleich das künstlerische Streben der hiesigen ^ Bühnenmitglieder. V. Das Bollwerk von Tyrol. Siehe die Franzensveste bei Brixen Grenzvvten Na>. K. Die mächtige Beste, welche Oesterreich im EiiMhale baut, um Tyrol gegen Invasion von Süden her zu schirmen, ist schon einmal in diesen Blättern besprochen worden. Der Verfasser jener schätzens- werthen Mittheilung, in welcher auch ohne nähere Angabe der Mili¬ tär unverkennbar ist, stellt, indem er die vortreffliche Lage der Fran¬ zensveste schildert, die Voraussetzung hin: „dafern sie nicht mit leichter Infanterie umgangen werden könne." Dieselbe Betrachtung drängte sich mir auf, als ich im vorigen Spätsommer über den Bren¬ ner nach Italien reiste, und was ich an Ort und Stelle darüber ver¬ nommen habe, mag vielleicht als Supplement zu der oben erwähn¬ ten Mittheilung dienen. Der imposante Bau mit seinen beiden Forts, zwischen denen die Straße im verengten Eisakthale dahin läuft, hatte mein Interesse im

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/629>, abgerufen am 22.07.2024.