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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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Amalienhofe Statt finden. Marchese hat nun auch die symbolischen
Nebenstatucn und die Basreliefs vollendet und der Guß des Stand¬
bildes selbst ist bereits fertig.


III
Aus Münche n.

Blätterfall. -- Rescript des Königs an die Universität. -- Ronge'S Bild. --
Zucht- und Jvrcnhaus. -- Bildervcrloosung. -- Geier, Simonsen, Albrecht
Iimmermcmn, Schelvc, Etzdorf !c. -- Museumßvorlesungen v"n sollt, Schaff-
häutl, Aschenbrenner und Steub. -- Münchner Geheimnisse. -- Dr. Hagen
über den herrischen Pauperismus. -- Oberbairischer Verein zur Besserung ent¬
lassener Sträflinge.

"Fallen seh' ich Zweig auf Zweige" oder vielmehr Blatt auf
Blatt. In meinem vorigen Briefe habe ich schon über das Loos
berichtet, das bei uns die "Züricher Zeitung" getroffen, und in diesem
muß ich wieder über zwei ähnliche Loose sprechen: Es sind die "Deut¬
sche Allgemeine" und das "Frankfurter Journal", denen das bairische
Postdebit entzogen wurde. Diese Maßregeln, aus confessionellen, nicht
aus politischen Rücksichten hervorgegangen, haben keinen günstigen
Eindruck hervorgebracht. Von vielen Seiten jedoch glaubt man, daß
der König selbst diesen Maßregeln ferne stehe, da bei jeder Gelegenheit
des Königs Wille sichtbar wird, die confessionellen Differenzen zu beseiti¬
gen. So gelangte noch vor Kurzem ein Rescript des Königs an unsere
Universität, nach welchem zu dem Genusse der Unterstützung aus einem
schon im Jahre 1832 gegründeten Stipendiumfond alle diejenigen zuge¬
lassen werden können, die ihre Moralität und ihre Kenntnisse dazu befähi¬
gen, ohne Unterschied des Standes, der Heimath und des Religionsbe¬
kenntnisses. Dieses Rescript ist um so bemerkenswerther, als des
Genusses an diesem Stipendium auch Juden theilhaftig werden kön¬
nen, diese Parias unserer Gesellschaft, deren Loos, wenn es schon im
ganzen deutschen Vaterlande nicht zu den beneidenswerthesten gehört,
in Baiern vollends das trostloseste ist. In der Ronge'schen Angele¬
genheit sind hier alle Schriften strenge verboten, sowohl die für als
gegen den Reformator, sein Bildniß jedoch hangt hier an mehrern
Buchläden zum Verkauft aus und soll sich eines starken Abgangs er¬
freuen. -- Eine Concession, die man bei uns schon im vorigen Jahre
den Anforderungen der Zeit gemacht, hat nicht verfehlt, die besten
Früchte zu tragen. Im Corrcctionshause in der Vorstadt An näm¬
lich hat man seit einem Jahre die körperliche Züchtigung abgeschafft,
und dem Berichte zufolge, den die betreffende Behörde abgestattet,
hatte man noch keinen Augenblick Ursache, die Einführung der huma¬
nen Reform zu bereuen. Es sind nie weniger Excesse unter den Straf-


Amalienhofe Statt finden. Marchese hat nun auch die symbolischen
Nebenstatucn und die Basreliefs vollendet und der Guß des Stand¬
bildes selbst ist bereits fertig.


III
Aus Münche n.

Blätterfall. — Rescript des Königs an die Universität. — Ronge'S Bild. —
Zucht- und Jvrcnhaus. — Bildervcrloosung. — Geier, Simonsen, Albrecht
Iimmermcmn, Schelvc, Etzdorf !c. — Museumßvorlesungen v»n sollt, Schaff-
häutl, Aschenbrenner und Steub. — Münchner Geheimnisse. — Dr. Hagen
über den herrischen Pauperismus. — Oberbairischer Verein zur Besserung ent¬
lassener Sträflinge.

„Fallen seh' ich Zweig auf Zweige" oder vielmehr Blatt auf
Blatt. In meinem vorigen Briefe habe ich schon über das Loos
berichtet, das bei uns die „Züricher Zeitung" getroffen, und in diesem
muß ich wieder über zwei ähnliche Loose sprechen: Es sind die „Deut¬
sche Allgemeine" und das „Frankfurter Journal", denen das bairische
Postdebit entzogen wurde. Diese Maßregeln, aus confessionellen, nicht
aus politischen Rücksichten hervorgegangen, haben keinen günstigen
Eindruck hervorgebracht. Von vielen Seiten jedoch glaubt man, daß
der König selbst diesen Maßregeln ferne stehe, da bei jeder Gelegenheit
des Königs Wille sichtbar wird, die confessionellen Differenzen zu beseiti¬
gen. So gelangte noch vor Kurzem ein Rescript des Königs an unsere
Universität, nach welchem zu dem Genusse der Unterstützung aus einem
schon im Jahre 1832 gegründeten Stipendiumfond alle diejenigen zuge¬
lassen werden können, die ihre Moralität und ihre Kenntnisse dazu befähi¬
gen, ohne Unterschied des Standes, der Heimath und des Religionsbe¬
kenntnisses. Dieses Rescript ist um so bemerkenswerther, als des
Genusses an diesem Stipendium auch Juden theilhaftig werden kön¬
nen, diese Parias unserer Gesellschaft, deren Loos, wenn es schon im
ganzen deutschen Vaterlande nicht zu den beneidenswerthesten gehört,
in Baiern vollends das trostloseste ist. In der Ronge'schen Angele¬
genheit sind hier alle Schriften strenge verboten, sowohl die für als
gegen den Reformator, sein Bildniß jedoch hangt hier an mehrern
Buchläden zum Verkauft aus und soll sich eines starken Abgangs er¬
freuen. — Eine Concession, die man bei uns schon im vorigen Jahre
den Anforderungen der Zeit gemacht, hat nicht verfehlt, die besten
Früchte zu tragen. Im Corrcctionshause in der Vorstadt An näm¬
lich hat man seit einem Jahre die körperliche Züchtigung abgeschafft,
und dem Berichte zufolge, den die betreffende Behörde abgestattet,
hatte man noch keinen Augenblick Ursache, die Einführung der huma¬
nen Reform zu bereuen. Es sind nie weniger Excesse unter den Straf-


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[0622] Amalienhofe Statt finden. Marchese hat nun auch die symbolischen Nebenstatucn und die Basreliefs vollendet und der Guß des Stand¬ bildes selbst ist bereits fertig. III Aus Münche n. Blätterfall. — Rescript des Königs an die Universität. — Ronge'S Bild. — Zucht- und Jvrcnhaus. — Bildervcrloosung. — Geier, Simonsen, Albrecht Iimmermcmn, Schelvc, Etzdorf !c. — Museumßvorlesungen v»n sollt, Schaff- häutl, Aschenbrenner und Steub. — Münchner Geheimnisse. — Dr. Hagen über den herrischen Pauperismus. — Oberbairischer Verein zur Besserung ent¬ lassener Sträflinge. „Fallen seh' ich Zweig auf Zweige" oder vielmehr Blatt auf Blatt. In meinem vorigen Briefe habe ich schon über das Loos berichtet, das bei uns die „Züricher Zeitung" getroffen, und in diesem muß ich wieder über zwei ähnliche Loose sprechen: Es sind die „Deut¬ sche Allgemeine" und das „Frankfurter Journal", denen das bairische Postdebit entzogen wurde. Diese Maßregeln, aus confessionellen, nicht aus politischen Rücksichten hervorgegangen, haben keinen günstigen Eindruck hervorgebracht. Von vielen Seiten jedoch glaubt man, daß der König selbst diesen Maßregeln ferne stehe, da bei jeder Gelegenheit des Königs Wille sichtbar wird, die confessionellen Differenzen zu beseiti¬ gen. So gelangte noch vor Kurzem ein Rescript des Königs an unsere Universität, nach welchem zu dem Genusse der Unterstützung aus einem schon im Jahre 1832 gegründeten Stipendiumfond alle diejenigen zuge¬ lassen werden können, die ihre Moralität und ihre Kenntnisse dazu befähi¬ gen, ohne Unterschied des Standes, der Heimath und des Religionsbe¬ kenntnisses. Dieses Rescript ist um so bemerkenswerther, als des Genusses an diesem Stipendium auch Juden theilhaftig werden kön¬ nen, diese Parias unserer Gesellschaft, deren Loos, wenn es schon im ganzen deutschen Vaterlande nicht zu den beneidenswerthesten gehört, in Baiern vollends das trostloseste ist. In der Ronge'schen Angele¬ genheit sind hier alle Schriften strenge verboten, sowohl die für als gegen den Reformator, sein Bildniß jedoch hangt hier an mehrern Buchläden zum Verkauft aus und soll sich eines starken Abgangs er¬ freuen. — Eine Concession, die man bei uns schon im vorigen Jahre den Anforderungen der Zeit gemacht, hat nicht verfehlt, die besten Früchte zu tragen. Im Corrcctionshause in der Vorstadt An näm¬ lich hat man seit einem Jahre die körperliche Züchtigung abgeschafft, und dem Berichte zufolge, den die betreffende Behörde abgestattet, hatte man noch keinen Augenblick Ursache, die Einführung der huma¬ nen Reform zu bereuen. Es sind nie weniger Excesse unter den Straf-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/622>, abgerufen am 22.07.2024.