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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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ten dieses Instituts eine Decas literarischer Kleinodien herausgegeben
und ihrem Chef gewidmet. Weil diese Schrift in der That Sachen
von Werth mittheilt, so stehe ich nicht an das Festbuch näher zu
schildern. Der Hofrath Baron Münch-Bellinghausen hat ein Fragment
seines neuesten Dramas "König Wanda" mitgetheilt, wirkungsreiche
Scenen, beseelt von der Poesie mittelalterlichen Aberglaubens; Ritter
von Eichenfcld bietet fünf lateinische Distichen aus dem dreizehnten
Jahrhundert, welche dem Manuscriptenschatz der Hofbibliothek ent¬
nommen sind, indeß Ritter von Bartsch drei Briefe von drei berühm¬
ten Malern gespendet hat; die Briefsteller heißen: Giulio Romano,
Tizian und Mantcqna. Der Custos Schmid widmete die vom Hof¬
organisten Kaiser Maximilian I. Paul Hoffhcymer componirte erste
Ode des Horaz in heutiger Notenschrift, Custos Wolf bis jetzt unbe¬
kannt gebliebene Romanzen des Spaniers Juan Timoneda mit schätzens-
werthen Nachweisungen über das Leben dieses echten Dichters. Scriptor
Birk steuerte Chiphenwcrgers Klage um König Albrecht 2., deren Text aus
einem im Kloster Mansee gefundenen Pergament hergestellt wurde, Scrip¬
tor Krafft bringt einen Apolog des Humajunname in der türkischen Ur¬
sprache und in deutscher Uebersetzung. Von Karajan finden wir ein
Bruchstück aus Ottokars Reimchronik, in der der Hoftag zu Augsburg
(15. August 1575) geschildert wird, von Selliers von Moranville
vier Sonnette der venetianischen Edelleute P. Giustiniano, Gabriello,
Zorni und T. Giustiniano. Zuletzt begegnet man noch zwei ungari¬
schen Volksliedern: Erste Liebe und "Erinnerung" in deutscher Nach¬
bildung von Pachter und einer Houille in altslavonischer und griechi¬
scher Sprache von dem or. Miklosch veröffentlicht. Als Vignette dient
der Niello-Papierabdruck eines sehr seltenen und kostbaren Kupfer¬
stichs, die Apotheose Pellegrini's da Cesena darstellend, aus der Kunst¬
sammlung der Hofbibliothek, welche seit dem Jahre 1819, wo Graf
Dictrichstein die Verwaltung derselben antrat, an Raum und Perso¬
nal gewonnen hat, wie nicht minder an Umfang und innerer Be¬
deutung, besonders was spanische, orientalische und chinesische Li¬
teratur betrifft.

Von der projectirten Illumination der Stadt zur Feier der kai¬
serlichen Entschließung in Betreff der Militarkapitulation hat es in¬
zwischen sein Abkommen gefunden, da der Kaiser in Betracht der
bedeutenden Unkosten, die auf eine halbe Million Gulden veranschlagt
wurden, sich diese Ehre verbeten hat, sowie auch den Fackelzug der
Studenten und es steht jetzt zu erwarten, ob diese Summe, da sie
einmal bewilligt war, den hiesigen Wohlthatigkeitsinstituten zu Stat¬
ten kommen oder für andere öffentliche Zwecke benützt werden soll.
Am Geburtsfcste des Kaisers wird auch die Enthüllung des Denk¬
mals des verstorbenen Kaisers Franz auf dem innern Burqplatz im


ten dieses Instituts eine Decas literarischer Kleinodien herausgegeben
und ihrem Chef gewidmet. Weil diese Schrift in der That Sachen
von Werth mittheilt, so stehe ich nicht an das Festbuch näher zu
schildern. Der Hofrath Baron Münch-Bellinghausen hat ein Fragment
seines neuesten Dramas „König Wanda" mitgetheilt, wirkungsreiche
Scenen, beseelt von der Poesie mittelalterlichen Aberglaubens; Ritter
von Eichenfcld bietet fünf lateinische Distichen aus dem dreizehnten
Jahrhundert, welche dem Manuscriptenschatz der Hofbibliothek ent¬
nommen sind, indeß Ritter von Bartsch drei Briefe von drei berühm¬
ten Malern gespendet hat; die Briefsteller heißen: Giulio Romano,
Tizian und Mantcqna. Der Custos Schmid widmete die vom Hof¬
organisten Kaiser Maximilian I. Paul Hoffhcymer componirte erste
Ode des Horaz in heutiger Notenschrift, Custos Wolf bis jetzt unbe¬
kannt gebliebene Romanzen des Spaniers Juan Timoneda mit schätzens-
werthen Nachweisungen über das Leben dieses echten Dichters. Scriptor
Birk steuerte Chiphenwcrgers Klage um König Albrecht 2., deren Text aus
einem im Kloster Mansee gefundenen Pergament hergestellt wurde, Scrip¬
tor Krafft bringt einen Apolog des Humajunname in der türkischen Ur¬
sprache und in deutscher Uebersetzung. Von Karajan finden wir ein
Bruchstück aus Ottokars Reimchronik, in der der Hoftag zu Augsburg
(15. August 1575) geschildert wird, von Selliers von Moranville
vier Sonnette der venetianischen Edelleute P. Giustiniano, Gabriello,
Zorni und T. Giustiniano. Zuletzt begegnet man noch zwei ungari¬
schen Volksliedern: Erste Liebe und „Erinnerung" in deutscher Nach¬
bildung von Pachter und einer Houille in altslavonischer und griechi¬
scher Sprache von dem or. Miklosch veröffentlicht. Als Vignette dient
der Niello-Papierabdruck eines sehr seltenen und kostbaren Kupfer¬
stichs, die Apotheose Pellegrini's da Cesena darstellend, aus der Kunst¬
sammlung der Hofbibliothek, welche seit dem Jahre 1819, wo Graf
Dictrichstein die Verwaltung derselben antrat, an Raum und Perso¬
nal gewonnen hat, wie nicht minder an Umfang und innerer Be¬
deutung, besonders was spanische, orientalische und chinesische Li¬
teratur betrifft.

Von der projectirten Illumination der Stadt zur Feier der kai¬
serlichen Entschließung in Betreff der Militarkapitulation hat es in¬
zwischen sein Abkommen gefunden, da der Kaiser in Betracht der
bedeutenden Unkosten, die auf eine halbe Million Gulden veranschlagt
wurden, sich diese Ehre verbeten hat, sowie auch den Fackelzug der
Studenten und es steht jetzt zu erwarten, ob diese Summe, da sie
einmal bewilligt war, den hiesigen Wohlthatigkeitsinstituten zu Stat¬
ten kommen oder für andere öffentliche Zwecke benützt werden soll.
Am Geburtsfcste des Kaisers wird auch die Enthüllung des Denk¬
mals des verstorbenen Kaisers Franz auf dem innern Burqplatz im


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[0621] ten dieses Instituts eine Decas literarischer Kleinodien herausgegeben und ihrem Chef gewidmet. Weil diese Schrift in der That Sachen von Werth mittheilt, so stehe ich nicht an das Festbuch näher zu schildern. Der Hofrath Baron Münch-Bellinghausen hat ein Fragment seines neuesten Dramas „König Wanda" mitgetheilt, wirkungsreiche Scenen, beseelt von der Poesie mittelalterlichen Aberglaubens; Ritter von Eichenfcld bietet fünf lateinische Distichen aus dem dreizehnten Jahrhundert, welche dem Manuscriptenschatz der Hofbibliothek ent¬ nommen sind, indeß Ritter von Bartsch drei Briefe von drei berühm¬ ten Malern gespendet hat; die Briefsteller heißen: Giulio Romano, Tizian und Mantcqna. Der Custos Schmid widmete die vom Hof¬ organisten Kaiser Maximilian I. Paul Hoffhcymer componirte erste Ode des Horaz in heutiger Notenschrift, Custos Wolf bis jetzt unbe¬ kannt gebliebene Romanzen des Spaniers Juan Timoneda mit schätzens- werthen Nachweisungen über das Leben dieses echten Dichters. Scriptor Birk steuerte Chiphenwcrgers Klage um König Albrecht 2., deren Text aus einem im Kloster Mansee gefundenen Pergament hergestellt wurde, Scrip¬ tor Krafft bringt einen Apolog des Humajunname in der türkischen Ur¬ sprache und in deutscher Uebersetzung. Von Karajan finden wir ein Bruchstück aus Ottokars Reimchronik, in der der Hoftag zu Augsburg (15. August 1575) geschildert wird, von Selliers von Moranville vier Sonnette der venetianischen Edelleute P. Giustiniano, Gabriello, Zorni und T. Giustiniano. Zuletzt begegnet man noch zwei ungari¬ schen Volksliedern: Erste Liebe und „Erinnerung" in deutscher Nach¬ bildung von Pachter und einer Houille in altslavonischer und griechi¬ scher Sprache von dem or. Miklosch veröffentlicht. Als Vignette dient der Niello-Papierabdruck eines sehr seltenen und kostbaren Kupfer¬ stichs, die Apotheose Pellegrini's da Cesena darstellend, aus der Kunst¬ sammlung der Hofbibliothek, welche seit dem Jahre 1819, wo Graf Dictrichstein die Verwaltung derselben antrat, an Raum und Perso¬ nal gewonnen hat, wie nicht minder an Umfang und innerer Be¬ deutung, besonders was spanische, orientalische und chinesische Li¬ teratur betrifft. Von der projectirten Illumination der Stadt zur Feier der kai¬ serlichen Entschließung in Betreff der Militarkapitulation hat es in¬ zwischen sein Abkommen gefunden, da der Kaiser in Betracht der bedeutenden Unkosten, die auf eine halbe Million Gulden veranschlagt wurden, sich diese Ehre verbeten hat, sowie auch den Fackelzug der Studenten und es steht jetzt zu erwarten, ob diese Summe, da sie einmal bewilligt war, den hiesigen Wohlthatigkeitsinstituten zu Stat¬ ten kommen oder für andere öffentliche Zwecke benützt werden soll. Am Geburtsfcste des Kaisers wird auch die Enthüllung des Denk¬ mals des verstorbenen Kaisers Franz auf dem innern Burqplatz im

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/621>, abgerufen am 22.07.2024.