Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

Bild:
<< vorherige Seite

Mann zu fassen. Wenn erst der Deutsche gewohnt ist, welchem
Staate er auch angehöre, von Berlin aus die nationale Belo¬
bung und Belohnung zu erhalten, ist dann nicht die Eroberung mo¬
ralisch vollendet? Auch in Mainz fand eine Ausstellung des deutschen
Gewerbfleißes vor drei Jahren Statt. Damals gingen die Ausstel¬
lenden leer aus und Preußen fühlte sich politischer Weise nicht berufen,
der hessischen Regierung, die nicht selbst darauf verfiel, den freund¬
schaftlichen Wink zu ertheilen, die Aollvereins-Jndustrie durch äußere
Ehren aufzumuntern. Man wartete, bis die Ausstellung in Berlin
Statt finde. -- Berlin ist gewissermaßen jetzt schon die Hauptstadt
des deutschen Zollvereins, der constitutionelle König, der, nachdem er
die Zustimmung der verschiedenen Kammern erhalten, die executive Ge¬
walt ausübt, Krieg und Frieden stiftet, (vide Hannover) Geschäfts¬
träger absendet, Negociationen einleitet u. s. w. Warum sollte es nicht
die Prärogative der Ordensverleihungen ausüben? Allerdings steht
dies auch den andern Zollvereinsstaaten zu, aber wenn diese jetzt dem
Beispiele nachfolgen, so sind sie doch nur die Nachahmer, und die Ehre
der Initiative gehört unstreitig Preußen. Auch in Wien wird nächstens
eine große GeWerbeausstellung stattfinden, zu der die deutsche Industrie
als Gast geladen ist. Aber in welchem Nachtheile befindet sich Oester¬
reich bei dieser Gelegenheit! Abgesehen, daß man bei uns, um der
Würde des Kaiserstaates Nichts zu vergeben, sich scheuen muß, als
bloßer Nachahmer Preußens aufzutreten, hat auch Oesterreich keinen
rothen Aolerorden vierter Klasse. Der Thercsienorden wird sei¬
nen Statuten gemäß nur an Militärs und auf dem Schlachtfelds
selbst ertheilt. Der Leopoldsorden führt, wenn ich nicht irre, den
Freiherrn-Titel mit sich.

Preußen hat unter dem doppelten Titel als Zollvereins- und als
Bundes-Staat seine Gaben mit beiden Händen austheilen können;
Oesterreich kann nur unter letzterem Charakter austreten. Zudem hat
Preußen bei den großen Vorschritten seiner eigenen Industrie so viel
an seine eigenen Unterthanen zu vertheilen gehabt, daß es ohne Hin-
tenansetzung derselben auch seine äußern politischen Zwecke verfolgen
konnte und den Industriellen anderer Staaten großmüthig sich ange¬
nehm machen durfte;*) Oesterreich, dessen Industrie noch in manchen



Sogar nach Oesterreich hat Preußen seine Gnadenbezeugungen
geschickt. Der Tuchfabrikant Ritter von Mord in Klagenfurt, der
Professor I. Reuter am Wiener polytechnischen Institut und der Wiener
Seidenfabrikant Hornbostel habenden rothen Adlerorden vierter Klasse er¬
halten. Der Fabrikant Leite "berger in Reichsstadt und die Harachsche
Glasfabrik in Neuwald (beide in Böhmen) erhielten die goldene Medaille;
Der Brunner Tuchsabrikant Offermann, der Seidenfabrikant Moring, die
Druckwaarenfabrik Bracht und Königs, der Schawlfavrikant Aeilel,
der Platinafabritant Machts, alle vier in Wien, die Handjchuhfabrik Bon-
78-i-

Mann zu fassen. Wenn erst der Deutsche gewohnt ist, welchem
Staate er auch angehöre, von Berlin aus die nationale Belo¬
bung und Belohnung zu erhalten, ist dann nicht die Eroberung mo¬
ralisch vollendet? Auch in Mainz fand eine Ausstellung des deutschen
Gewerbfleißes vor drei Jahren Statt. Damals gingen die Ausstel¬
lenden leer aus und Preußen fühlte sich politischer Weise nicht berufen,
der hessischen Regierung, die nicht selbst darauf verfiel, den freund¬
schaftlichen Wink zu ertheilen, die Aollvereins-Jndustrie durch äußere
Ehren aufzumuntern. Man wartete, bis die Ausstellung in Berlin
Statt finde. — Berlin ist gewissermaßen jetzt schon die Hauptstadt
des deutschen Zollvereins, der constitutionelle König, der, nachdem er
die Zustimmung der verschiedenen Kammern erhalten, die executive Ge¬
walt ausübt, Krieg und Frieden stiftet, (vide Hannover) Geschäfts¬
träger absendet, Negociationen einleitet u. s. w. Warum sollte es nicht
die Prärogative der Ordensverleihungen ausüben? Allerdings steht
dies auch den andern Zollvereinsstaaten zu, aber wenn diese jetzt dem
Beispiele nachfolgen, so sind sie doch nur die Nachahmer, und die Ehre
der Initiative gehört unstreitig Preußen. Auch in Wien wird nächstens
eine große GeWerbeausstellung stattfinden, zu der die deutsche Industrie
als Gast geladen ist. Aber in welchem Nachtheile befindet sich Oester¬
reich bei dieser Gelegenheit! Abgesehen, daß man bei uns, um der
Würde des Kaiserstaates Nichts zu vergeben, sich scheuen muß, als
bloßer Nachahmer Preußens aufzutreten, hat auch Oesterreich keinen
rothen Aolerorden vierter Klasse. Der Thercsienorden wird sei¬
nen Statuten gemäß nur an Militärs und auf dem Schlachtfelds
selbst ertheilt. Der Leopoldsorden führt, wenn ich nicht irre, den
Freiherrn-Titel mit sich.

Preußen hat unter dem doppelten Titel als Zollvereins- und als
Bundes-Staat seine Gaben mit beiden Händen austheilen können;
Oesterreich kann nur unter letzterem Charakter austreten. Zudem hat
Preußen bei den großen Vorschritten seiner eigenen Industrie so viel
an seine eigenen Unterthanen zu vertheilen gehabt, daß es ohne Hin-
tenansetzung derselben auch seine äußern politischen Zwecke verfolgen
konnte und den Industriellen anderer Staaten großmüthig sich ange¬
nehm machen durfte;*) Oesterreich, dessen Industrie noch in manchen



Sogar nach Oesterreich hat Preußen seine Gnadenbezeugungen
geschickt. Der Tuchfabrikant Ritter von Mord in Klagenfurt, der
Professor I. Reuter am Wiener polytechnischen Institut und der Wiener
Seidenfabrikant Hornbostel habenden rothen Adlerorden vierter Klasse er¬
halten. Der Fabrikant Leite «berger in Reichsstadt und die Harachsche
Glasfabrik in Neuwald (beide in Böhmen) erhielten die goldene Medaille;
Der Brunner Tuchsabrikant Offermann, der Seidenfabrikant Moring, die
Druckwaarenfabrik Bracht und Königs, der Schawlfavrikant Aeilel,
der Platinafabritant Machts, alle vier in Wien, die Handjchuhfabrik Bon-
78-i-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <pb facs="#f0617" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/270032"/>
              <p xml:id="ID_1739" prev="#ID_1738"> Mann zu fassen.  Wenn erst der Deutsche gewohnt ist, welchem<lb/>
Staate er auch angehöre,  von Berlin aus die nationale Belo¬<lb/>
bung und Belohnung zu erhalten, ist dann nicht die Eroberung mo¬<lb/>
ralisch vollendet? Auch in Mainz fand eine Ausstellung des deutschen<lb/>
Gewerbfleißes vor drei Jahren Statt.  Damals gingen die Ausstel¬<lb/>
lenden leer aus und Preußen fühlte sich politischer Weise nicht berufen,<lb/>
der hessischen Regierung, die nicht selbst darauf verfiel, den freund¬<lb/>
schaftlichen Wink zu ertheilen, die Aollvereins-Jndustrie durch äußere<lb/>
Ehren aufzumuntern.  Man wartete, bis die Ausstellung in Berlin<lb/>
Statt finde. &#x2014; Berlin ist gewissermaßen jetzt schon die Hauptstadt<lb/>
des deutschen Zollvereins, der constitutionelle König, der, nachdem er<lb/>
die Zustimmung der verschiedenen Kammern erhalten, die executive Ge¬<lb/>
walt ausübt, Krieg und Frieden stiftet, (vide Hannover) Geschäfts¬<lb/>
träger absendet, Negociationen einleitet u. s. w. Warum sollte es nicht<lb/>
die Prärogative der Ordensverleihungen ausüben?  Allerdings steht<lb/>
dies auch den andern Zollvereinsstaaten zu, aber wenn diese jetzt dem<lb/>
Beispiele nachfolgen, so sind sie doch nur die Nachahmer, und die Ehre<lb/>
der Initiative gehört unstreitig Preußen. Auch in Wien wird nächstens<lb/>
eine große GeWerbeausstellung stattfinden, zu der die deutsche Industrie<lb/>
als Gast geladen ist.  Aber in welchem Nachtheile befindet sich Oester¬<lb/>
reich bei dieser Gelegenheit! Abgesehen, daß man bei uns, um der<lb/>
Würde des Kaiserstaates Nichts zu vergeben, sich scheuen muß, als<lb/>
bloßer Nachahmer Preußens aufzutreten, hat auch Oesterreich keinen<lb/>
rothen Aolerorden  vierter  Klasse.  Der Thercsienorden  wird sei¬<lb/>
nen Statuten gemäß nur an Militärs und auf dem Schlachtfelds<lb/>
selbst ertheilt.  Der Leopoldsorden führt, wenn ich nicht irre, den<lb/>
Freiherrn-Titel mit sich.</p><lb/>
              <p xml:id="ID_1740" next="#ID_1741"> Preußen hat unter dem doppelten Titel als Zollvereins- und als<lb/>
Bundes-Staat seine Gaben mit beiden Händen austheilen können;<lb/>
Oesterreich kann nur unter letzterem Charakter austreten. Zudem hat<lb/>
Preußen bei den großen Vorschritten seiner eigenen Industrie so viel<lb/>
an seine eigenen Unterthanen zu vertheilen gehabt, daß es ohne Hin-<lb/>
tenansetzung derselben auch seine äußern politischen Zwecke verfolgen<lb/>
konnte und den Industriellen anderer Staaten großmüthig sich ange¬<lb/>
nehm machen durfte;*) Oesterreich, dessen Industrie noch in manchen</p><lb/>
              <note xml:id="FID_63" place="foot" next="#FID_64"> Sogar nach Oesterreich hat Preußen seine Gnadenbezeugungen<lb/>
geschickt. Der Tuchfabrikant Ritter von Mord in Klagenfurt, der<lb/>
Professor I. Reuter am Wiener polytechnischen Institut und der Wiener<lb/>
Seidenfabrikant Hornbostel habenden rothen Adlerorden vierter Klasse er¬<lb/>
halten. Der Fabrikant Leite «berger in Reichsstadt und die Harachsche<lb/>
Glasfabrik in Neuwald (beide in Böhmen) erhielten die goldene Medaille;<lb/>
Der Brunner Tuchsabrikant Offermann, der Seidenfabrikant Moring, die<lb/>
Druckwaarenfabrik Bracht und Königs, der Schawlfavrikant Aeilel,<lb/>
der Platinafabritant Machts, alle vier in Wien, die Handjchuhfabrik Bon-</note><lb/>
              <fw type="sig" place="bottom"> 78-i-</fw><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0617] Mann zu fassen. Wenn erst der Deutsche gewohnt ist, welchem Staate er auch angehöre, von Berlin aus die nationale Belo¬ bung und Belohnung zu erhalten, ist dann nicht die Eroberung mo¬ ralisch vollendet? Auch in Mainz fand eine Ausstellung des deutschen Gewerbfleißes vor drei Jahren Statt. Damals gingen die Ausstel¬ lenden leer aus und Preußen fühlte sich politischer Weise nicht berufen, der hessischen Regierung, die nicht selbst darauf verfiel, den freund¬ schaftlichen Wink zu ertheilen, die Aollvereins-Jndustrie durch äußere Ehren aufzumuntern. Man wartete, bis die Ausstellung in Berlin Statt finde. — Berlin ist gewissermaßen jetzt schon die Hauptstadt des deutschen Zollvereins, der constitutionelle König, der, nachdem er die Zustimmung der verschiedenen Kammern erhalten, die executive Ge¬ walt ausübt, Krieg und Frieden stiftet, (vide Hannover) Geschäfts¬ träger absendet, Negociationen einleitet u. s. w. Warum sollte es nicht die Prärogative der Ordensverleihungen ausüben? Allerdings steht dies auch den andern Zollvereinsstaaten zu, aber wenn diese jetzt dem Beispiele nachfolgen, so sind sie doch nur die Nachahmer, und die Ehre der Initiative gehört unstreitig Preußen. Auch in Wien wird nächstens eine große GeWerbeausstellung stattfinden, zu der die deutsche Industrie als Gast geladen ist. Aber in welchem Nachtheile befindet sich Oester¬ reich bei dieser Gelegenheit! Abgesehen, daß man bei uns, um der Würde des Kaiserstaates Nichts zu vergeben, sich scheuen muß, als bloßer Nachahmer Preußens aufzutreten, hat auch Oesterreich keinen rothen Aolerorden vierter Klasse. Der Thercsienorden wird sei¬ nen Statuten gemäß nur an Militärs und auf dem Schlachtfelds selbst ertheilt. Der Leopoldsorden führt, wenn ich nicht irre, den Freiherrn-Titel mit sich. Preußen hat unter dem doppelten Titel als Zollvereins- und als Bundes-Staat seine Gaben mit beiden Händen austheilen können; Oesterreich kann nur unter letzterem Charakter austreten. Zudem hat Preußen bei den großen Vorschritten seiner eigenen Industrie so viel an seine eigenen Unterthanen zu vertheilen gehabt, daß es ohne Hin- tenansetzung derselben auch seine äußern politischen Zwecke verfolgen konnte und den Industriellen anderer Staaten großmüthig sich ange¬ nehm machen durfte;*) Oesterreich, dessen Industrie noch in manchen Sogar nach Oesterreich hat Preußen seine Gnadenbezeugungen geschickt. Der Tuchfabrikant Ritter von Mord in Klagenfurt, der Professor I. Reuter am Wiener polytechnischen Institut und der Wiener Seidenfabrikant Hornbostel habenden rothen Adlerorden vierter Klasse er¬ halten. Der Fabrikant Leite «berger in Reichsstadt und die Harachsche Glasfabrik in Neuwald (beide in Böhmen) erhielten die goldene Medaille; Der Brunner Tuchsabrikant Offermann, der Seidenfabrikant Moring, die Druckwaarenfabrik Bracht und Königs, der Schawlfavrikant Aeilel, der Platinafabritant Machts, alle vier in Wien, die Handjchuhfabrik Bon- 78-i-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/617
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/617>, abgerufen am 22.07.2024.