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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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bedeutende Anzahl von Fremden hier zustimmenströmt, war diesmal
besonders lebhast, theils weil die Geldgeschäfte lebhast gingen, theils
aber auch weil die politischen Angelegenheiten zu mancherlei Verhand¬
lungen und Berathungen Veranlassung gaben, deren Mittelpunkt der
ebenfalls hier anwesende Herzog von Augustenburg war. Die zahlrei¬
chen, größtentheils sehr begüterten Mitglieder der Schleswighotstein'schen
Ritterschaft, die hier im "Umschlag regelmäßig ihre Geldangelegenheiten
regeln, oder von ihren Administratoren regeln lassen, pflegen ihre
Familien mitzubringen, da um diese Zeit der Geburtstag der Her¬
zogin von Glücks bürg fallt, wo Feste aller Art die ti.ente-volöö
des Landes versammeln. Selten sieht man an einem Duodezhofe
eine so glänzende Reunion, wie auf dem Ball, den die Herzogin
Wilhelm me jedes Jahr am 18. Januar gibt, denn der Adel in
unserm Herzogthum ist nicht bloß reich und an geistigen Vorzügen
vor den benachbarten Junkern in Mecklenburg und Hannover hervor¬
ragend, sondern die meisten Geschlechter zeichnen sich durch ein sehr
vortheilhaftes, aristokratisch imponirendes Aeußere aus; viele Familien
haben lange im Auslande und in großen Residenzstädten gelebt. Für
diejenigen Umschlagsgäste, denen diese hocharistokratischen Kreise nicht
zugänglich sind, bieten sich alle jene bunten Vergnügungen, wie sie
jede Messe auch überall und anderswo bringt; Gaukler aller Art, vor
Allen aber Harfensyrenen und Orgeldreher ziehen in Massen hierher,
um reiche Umschlagsernte in den vielen Caffeehäusern und Weinkellern
zu halten, wo die wohlhabenden und lebenslustigen Landleute, aus
den Marschen und in den reichen Gegenden in Wagrien und Angeln
manchen harten Thaler drauf gehen lassen. Selbst das hiesige Theater
sieht um diese Zeit seine Räume angefüllt. Außer dieser Zeit ist dies
weniger der Fall, denn die Direction entspricht immer weniger den
Anforderungen des Publicums. Ein schlechtes Repertoir, dessen
Hauptbestandtheile Birch - Pfeiffersche Knallstücke machen, und ein
Schauspielerpersonal, aus dem man die einzelnen guten Subjecte,
wenn sie gebührende Ansprüche auf die Kasse der Unternehmer machen,
entlaßt, sind wenig im Stande zu befriedigen. Hoffentlich wird es
bald dahin kommen, daß ein Comite aus intelligenten und gebilde¬
ten Männern das Theaterunternchmen an sich zieht, wie dies durch
ein Geldopfer, für das sich Kiels Bewohner wohl bereit finden dürsten,
leicht zu erreichen sein mag. Uebrigens sieht man an dem Wege, der
von der Stadt nach dem reizend gelegnen Gehölz, der Düsternbrock,
führt, ein neues Etablissement entstehen, das eine große Sommerwirth¬
schaft, Theater, Rutschbahn u. s. w. in der Art des Tivoli von
Hamburg, enthalten wird, und für dessen Bestehn man namentlich
auf Vergnügungsreisende rechnet, die die Eisenbahn in der Sommer¬
--n. zeit unsrer reizenden Gegend zuführen soll.


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bedeutende Anzahl von Fremden hier zustimmenströmt, war diesmal
besonders lebhast, theils weil die Geldgeschäfte lebhast gingen, theils
aber auch weil die politischen Angelegenheiten zu mancherlei Verhand¬
lungen und Berathungen Veranlassung gaben, deren Mittelpunkt der
ebenfalls hier anwesende Herzog von Augustenburg war. Die zahlrei¬
chen, größtentheils sehr begüterten Mitglieder der Schleswighotstein'schen
Ritterschaft, die hier im "Umschlag regelmäßig ihre Geldangelegenheiten
regeln, oder von ihren Administratoren regeln lassen, pflegen ihre
Familien mitzubringen, da um diese Zeit der Geburtstag der Her¬
zogin von Glücks bürg fallt, wo Feste aller Art die ti.ente-volöö
des Landes versammeln. Selten sieht man an einem Duodezhofe
eine so glänzende Reunion, wie auf dem Ball, den die Herzogin
Wilhelm me jedes Jahr am 18. Januar gibt, denn der Adel in
unserm Herzogthum ist nicht bloß reich und an geistigen Vorzügen
vor den benachbarten Junkern in Mecklenburg und Hannover hervor¬
ragend, sondern die meisten Geschlechter zeichnen sich durch ein sehr
vortheilhaftes, aristokratisch imponirendes Aeußere aus; viele Familien
haben lange im Auslande und in großen Residenzstädten gelebt. Für
diejenigen Umschlagsgäste, denen diese hocharistokratischen Kreise nicht
zugänglich sind, bieten sich alle jene bunten Vergnügungen, wie sie
jede Messe auch überall und anderswo bringt; Gaukler aller Art, vor
Allen aber Harfensyrenen und Orgeldreher ziehen in Massen hierher,
um reiche Umschlagsernte in den vielen Caffeehäusern und Weinkellern
zu halten, wo die wohlhabenden und lebenslustigen Landleute, aus
den Marschen und in den reichen Gegenden in Wagrien und Angeln
manchen harten Thaler drauf gehen lassen. Selbst das hiesige Theater
sieht um diese Zeit seine Räume angefüllt. Außer dieser Zeit ist dies
weniger der Fall, denn die Direction entspricht immer weniger den
Anforderungen des Publicums. Ein schlechtes Repertoir, dessen
Hauptbestandtheile Birch - Pfeiffersche Knallstücke machen, und ein
Schauspielerpersonal, aus dem man die einzelnen guten Subjecte,
wenn sie gebührende Ansprüche auf die Kasse der Unternehmer machen,
entlaßt, sind wenig im Stande zu befriedigen. Hoffentlich wird es
bald dahin kommen, daß ein Comite aus intelligenten und gebilde¬
ten Männern das Theaterunternchmen an sich zieht, wie dies durch
ein Geldopfer, für das sich Kiels Bewohner wohl bereit finden dürsten,
leicht zu erreichen sein mag. Uebrigens sieht man an dem Wege, der
von der Stadt nach dem reizend gelegnen Gehölz, der Düsternbrock,
führt, ein neues Etablissement entstehen, das eine große Sommerwirth¬
schaft, Theater, Rutschbahn u. s. w. in der Art des Tivoli von
Hamburg, enthalten wird, und für dessen Bestehn man namentlich
auf Vergnügungsreisende rechnet, die die Eisenbahn in der Sommer¬
—n. zeit unsrer reizenden Gegend zuführen soll.


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[0615] bedeutende Anzahl von Fremden hier zustimmenströmt, war diesmal besonders lebhast, theils weil die Geldgeschäfte lebhast gingen, theils aber auch weil die politischen Angelegenheiten zu mancherlei Verhand¬ lungen und Berathungen Veranlassung gaben, deren Mittelpunkt der ebenfalls hier anwesende Herzog von Augustenburg war. Die zahlrei¬ chen, größtentheils sehr begüterten Mitglieder der Schleswighotstein'schen Ritterschaft, die hier im "Umschlag regelmäßig ihre Geldangelegenheiten regeln, oder von ihren Administratoren regeln lassen, pflegen ihre Familien mitzubringen, da um diese Zeit der Geburtstag der Her¬ zogin von Glücks bürg fallt, wo Feste aller Art die ti.ente-volöö des Landes versammeln. Selten sieht man an einem Duodezhofe eine so glänzende Reunion, wie auf dem Ball, den die Herzogin Wilhelm me jedes Jahr am 18. Januar gibt, denn der Adel in unserm Herzogthum ist nicht bloß reich und an geistigen Vorzügen vor den benachbarten Junkern in Mecklenburg und Hannover hervor¬ ragend, sondern die meisten Geschlechter zeichnen sich durch ein sehr vortheilhaftes, aristokratisch imponirendes Aeußere aus; viele Familien haben lange im Auslande und in großen Residenzstädten gelebt. Für diejenigen Umschlagsgäste, denen diese hocharistokratischen Kreise nicht zugänglich sind, bieten sich alle jene bunten Vergnügungen, wie sie jede Messe auch überall und anderswo bringt; Gaukler aller Art, vor Allen aber Harfensyrenen und Orgeldreher ziehen in Massen hierher, um reiche Umschlagsernte in den vielen Caffeehäusern und Weinkellern zu halten, wo die wohlhabenden und lebenslustigen Landleute, aus den Marschen und in den reichen Gegenden in Wagrien und Angeln manchen harten Thaler drauf gehen lassen. Selbst das hiesige Theater sieht um diese Zeit seine Räume angefüllt. Außer dieser Zeit ist dies weniger der Fall, denn die Direction entspricht immer weniger den Anforderungen des Publicums. Ein schlechtes Repertoir, dessen Hauptbestandtheile Birch - Pfeiffersche Knallstücke machen, und ein Schauspielerpersonal, aus dem man die einzelnen guten Subjecte, wenn sie gebührende Ansprüche auf die Kasse der Unternehmer machen, entlaßt, sind wenig im Stande zu befriedigen. Hoffentlich wird es bald dahin kommen, daß ein Comite aus intelligenten und gebilde¬ ten Männern das Theaterunternchmen an sich zieht, wie dies durch ein Geldopfer, für das sich Kiels Bewohner wohl bereit finden dürsten, leicht zu erreichen sein mag. Uebrigens sieht man an dem Wege, der von der Stadt nach dem reizend gelegnen Gehölz, der Düsternbrock, führt, ein neues Etablissement entstehen, das eine große Sommerwirth¬ schaft, Theater, Rutschbahn u. s. w. in der Art des Tivoli von Hamburg, enthalten wird, und für dessen Bestehn man namentlich auf Vergnügungsreisende rechnet, die die Eisenbahn in der Sommer¬ —n. zeit unsrer reizenden Gegend zuführen soll. Gr-»zb°den 18is. I. 78

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/615>, abgerufen am 22.07.2024.