Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.aus den Augen und statt durch leidenschaftslose und gediegene Erörte¬ aus den Augen und statt durch leidenschaftslose und gediegene Erörte¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0613" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/270028"/> <p xml:id="ID_1735" prev="#ID_1734" next="#ID_1736"> aus den Augen und statt durch leidenschaftslose und gediegene Erörte¬<lb/> rungen verständigend zu wirken, ward durch sie blos das Feuer des<lb/> Streites angefacht. Wenn man das einzige Kieler Corre spen¬<lb/> de nzblatt ausnimmr, so gibt es in der ganzen Tagespresse, weder<lb/> diesseits noch jenseits der Belte, kaum ein einziges Organ, das nicht<lb/> auss allereinseitigste, oft in leidenschaftlicher und nicht selten in sehr<lb/> unwürdiger Sprache sich bei dem Streit betheiligt. Jenes eben ge¬<lb/> nannte Blatt hat zwar auch bei dieser neusten Gelegenheit die deut¬<lb/> schen Interessen aufs wackerste vertreten, aber dies ist stets in wür¬<lb/> diger Haltung geschehen; dagegen wüthen die dänischen Blätter und<lb/> namentlich die dänisch gesinnten Organe in den Herzogthümern, z. B.<lb/> die Dannevirke, die in höchst ungeschickten, ihre Sache compromit-<lb/> tirendcn Händen sind, rücksichtslos gegen Schleswigholstein, während<lb/> von hier aus die vielen Wochenblätter nicht viel würdiger zu antwor¬<lb/> ten wissen und sich namentlich in Entstellung der Thatsachen und in<lb/> Nichtbeachtung gegnerischer Gründe auszeichnen. Das Rends¬<lb/> burger, Oldesloer und besonders auch das Sonderburger<lb/> Wochenblatt, das im Solde des Herzogs von Augustenburg stehn soll,<lb/> dessen Interessen es vorzugsweise vertritt, so wie die Lyra sind Haupt-<lb/> kampen in dem Feldzuge gegen die dänischen Zeitungen, namentlich<lb/> gegen das „Fäd ratam der", das allerdings tüchtige Mitarbeiter zählt,<lb/> sich aber oft durch blinden Eifer verleiten läßt, seinen Spalten Mit¬<lb/> theilungen zu öffnen, die ihm keineswegs zur Ehre gereichen. Das<lb/> Jtzehocr Wochenblatt, das in Folge günstiger Verhältnisse, na¬<lb/> mentlich durch seine Intelligenz——Nachrichten, das verbreitetste Blatt<lb/> im ganzen Norden geworden ist, (es geht in fast 10,000 Exempla¬<lb/> ren !) — benutzt seine Stellung nur dazu, sich auch durch Ueberlegen-<lb/> heit in der allergröbsten Polemik hervorzuthun. Außerdem fehlt es<lb/> nicht an Broschüren, (Pamphlets), Spottliedern und Karrikaturen, die<lb/> viel öfter von nordischer Grobheit und Ungelenkheit, als von wirkli¬<lb/> chem Witz Zeugniß geben. So durch politische Demonstrationen m-<lb/> und außerhalb der Ständeversammlungen geweckt, durch Plänkeleien<lb/> der Presse in beständiger Spannung gehalten, befindet sich unser<lb/> Volk aller Stände in einer bedeutenden Aufregung, die jeden¬<lb/> falls das Gute haben wird, daß ein gewisses Bewußtsein zum Durch¬<lb/> bruch kommt, wie es bisher unfern ziemlich indifferenten und etwas<lb/> materialistischen Landsleuten fehlte. Daß die bei Einzelnen hervorge¬<lb/> rufenen Ansichten oft eben so einseitig, schroff und verkehrt sind, ist<lb/> freilich nicht weniger zu beklagen, als der Einfluß, den diese Differen¬<lb/> zen oft bis in's Innere des Familienlebens hinein äußern. — So<lb/> viel über die allgemeine Stimmung in unserm Lande, der ich noch<lb/> einige speciatim über unsre Stadt Kiel hinzufügen will. Kiel, das<lb/> als Sitz der Universität und des höchsten Landcscollcgiums, als Residenz<lb/> eines Herzogs schon lange den Brennpunkt der Intelligenz und der</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0613]
aus den Augen und statt durch leidenschaftslose und gediegene Erörte¬
rungen verständigend zu wirken, ward durch sie blos das Feuer des
Streites angefacht. Wenn man das einzige Kieler Corre spen¬
de nzblatt ausnimmr, so gibt es in der ganzen Tagespresse, weder
diesseits noch jenseits der Belte, kaum ein einziges Organ, das nicht
auss allereinseitigste, oft in leidenschaftlicher und nicht selten in sehr
unwürdiger Sprache sich bei dem Streit betheiligt. Jenes eben ge¬
nannte Blatt hat zwar auch bei dieser neusten Gelegenheit die deut¬
schen Interessen aufs wackerste vertreten, aber dies ist stets in wür¬
diger Haltung geschehen; dagegen wüthen die dänischen Blätter und
namentlich die dänisch gesinnten Organe in den Herzogthümern, z. B.
die Dannevirke, die in höchst ungeschickten, ihre Sache compromit-
tirendcn Händen sind, rücksichtslos gegen Schleswigholstein, während
von hier aus die vielen Wochenblätter nicht viel würdiger zu antwor¬
ten wissen und sich namentlich in Entstellung der Thatsachen und in
Nichtbeachtung gegnerischer Gründe auszeichnen. Das Rends¬
burger, Oldesloer und besonders auch das Sonderburger
Wochenblatt, das im Solde des Herzogs von Augustenburg stehn soll,
dessen Interessen es vorzugsweise vertritt, so wie die Lyra sind Haupt-
kampen in dem Feldzuge gegen die dänischen Zeitungen, namentlich
gegen das „Fäd ratam der", das allerdings tüchtige Mitarbeiter zählt,
sich aber oft durch blinden Eifer verleiten läßt, seinen Spalten Mit¬
theilungen zu öffnen, die ihm keineswegs zur Ehre gereichen. Das
Jtzehocr Wochenblatt, das in Folge günstiger Verhältnisse, na¬
mentlich durch seine Intelligenz——Nachrichten, das verbreitetste Blatt
im ganzen Norden geworden ist, (es geht in fast 10,000 Exempla¬
ren !) — benutzt seine Stellung nur dazu, sich auch durch Ueberlegen-
heit in der allergröbsten Polemik hervorzuthun. Außerdem fehlt es
nicht an Broschüren, (Pamphlets), Spottliedern und Karrikaturen, die
viel öfter von nordischer Grobheit und Ungelenkheit, als von wirkli¬
chem Witz Zeugniß geben. So durch politische Demonstrationen m-
und außerhalb der Ständeversammlungen geweckt, durch Plänkeleien
der Presse in beständiger Spannung gehalten, befindet sich unser
Volk aller Stände in einer bedeutenden Aufregung, die jeden¬
falls das Gute haben wird, daß ein gewisses Bewußtsein zum Durch¬
bruch kommt, wie es bisher unfern ziemlich indifferenten und etwas
materialistischen Landsleuten fehlte. Daß die bei Einzelnen hervorge¬
rufenen Ansichten oft eben so einseitig, schroff und verkehrt sind, ist
freilich nicht weniger zu beklagen, als der Einfluß, den diese Differen¬
zen oft bis in's Innere des Familienlebens hinein äußern. — So
viel über die allgemeine Stimmung in unserm Lande, der ich noch
einige speciatim über unsre Stadt Kiel hinzufügen will. Kiel, das
als Sitz der Universität und des höchsten Landcscollcgiums, als Residenz
eines Herzogs schon lange den Brennpunkt der Intelligenz und der
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