Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

Bild:
<< vorherige Seite

suchen. Das Licht ist in seine Bestandtheile zerfallen, und Farbe
kämpft gegen Farbe. Die' Weisheit hat sich mit der Standhafiig-
keit verbunden und hält standhaft die Einigkeit von sich entfernt.
Die Morgenröthe, die das Licht verkündigt, wird vom hohen Mittag
verspottet, -- verachtet; denn das stolze Sonnenbild hat seine Wiege
vergessen und schämt sich seiner Mutter. --

Meine Brüder, wann wird der Tag erscheinen, den alle Maurer
mit einem Herzen begrüßen? Wann geht der Mittag auf, der uns
zur gemeinschaftlichen Arbeit führt, und wann bricht die Nacht heran,
wo alle Brüder Arm in Arm entschlummern? -- Er wird kommen,
der Tag deS Lichts! Mögen immerhin Pygmäengesinnungen in ei-
nen Kampf sich einlassen mit dem Riesengeist der Wahrheit; wir
lächeln und sind des Siegs gewiß, doch, -- auch die Wunde des
Siegers schmerzt. Darum, meine Brüder, laßt uns mit lindernder
Hand Balsam träufeln in die Wunde der siegenden Wahrheit, damit,
wenn man das neunzehnte Jahrhundert noch einmal erröthen steht,
man sagen möge! Die Farbe der Freude ist'S, die es ver¬
klärt, nicht die Farbe der Scham!




suchen. Das Licht ist in seine Bestandtheile zerfallen, und Farbe
kämpft gegen Farbe. Die' Weisheit hat sich mit der Standhafiig-
keit verbunden und hält standhaft die Einigkeit von sich entfernt.
Die Morgenröthe, die das Licht verkündigt, wird vom hohen Mittag
verspottet, — verachtet; denn das stolze Sonnenbild hat seine Wiege
vergessen und schämt sich seiner Mutter. —

Meine Brüder, wann wird der Tag erscheinen, den alle Maurer
mit einem Herzen begrüßen? Wann geht der Mittag auf, der uns
zur gemeinschaftlichen Arbeit führt, und wann bricht die Nacht heran,
wo alle Brüder Arm in Arm entschlummern? — Er wird kommen,
der Tag deS Lichts! Mögen immerhin Pygmäengesinnungen in ei-
nen Kampf sich einlassen mit dem Riesengeist der Wahrheit; wir
lächeln und sind des Siegs gewiß, doch, — auch die Wunde des
Siegers schmerzt. Darum, meine Brüder, laßt uns mit lindernder
Hand Balsam träufeln in die Wunde der siegenden Wahrheit, damit,
wenn man das neunzehnte Jahrhundert noch einmal erröthen steht,
man sagen möge! Die Farbe der Freude ist'S, die es ver¬
klärt, nicht die Farbe der Scham!




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0597" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/270012"/>
          <p xml:id="ID_1707" prev="#ID_1706"> suchen. Das Licht ist in seine Bestandtheile zerfallen, und Farbe<lb/>
kämpft gegen Farbe. Die' Weisheit hat sich mit der Standhafiig-<lb/>
keit verbunden und hält standhaft die Einigkeit von sich entfernt.<lb/>
Die Morgenröthe, die das Licht verkündigt, wird vom hohen Mittag<lb/>
verspottet, &#x2014; verachtet; denn das stolze Sonnenbild hat seine Wiege<lb/>
vergessen und schämt sich seiner Mutter. &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1708"> Meine Brüder, wann wird der Tag erscheinen, den alle Maurer<lb/>
mit einem Herzen begrüßen? Wann geht der Mittag auf, der uns<lb/>
zur gemeinschaftlichen Arbeit führt, und wann bricht die Nacht heran,<lb/>
wo alle Brüder Arm in Arm entschlummern? &#x2014; Er wird kommen,<lb/>
der Tag deS Lichts! Mögen immerhin Pygmäengesinnungen in ei-<lb/>
nen Kampf sich einlassen mit dem Riesengeist der Wahrheit; wir<lb/>
lächeln und sind des Siegs gewiß, doch, &#x2014; auch die Wunde des<lb/>
Siegers schmerzt. Darum, meine Brüder, laßt uns mit lindernder<lb/>
Hand Balsam träufeln in die Wunde der siegenden Wahrheit, damit,<lb/>
wenn man das neunzehnte Jahrhundert noch einmal erröthen steht,<lb/>
man sagen möge! Die Farbe der Freude ist'S, die es ver¬<lb/>
klärt, nicht die Farbe der Scham!</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0597] suchen. Das Licht ist in seine Bestandtheile zerfallen, und Farbe kämpft gegen Farbe. Die' Weisheit hat sich mit der Standhafiig- keit verbunden und hält standhaft die Einigkeit von sich entfernt. Die Morgenröthe, die das Licht verkündigt, wird vom hohen Mittag verspottet, — verachtet; denn das stolze Sonnenbild hat seine Wiege vergessen und schämt sich seiner Mutter. — Meine Brüder, wann wird der Tag erscheinen, den alle Maurer mit einem Herzen begrüßen? Wann geht der Mittag auf, der uns zur gemeinschaftlichen Arbeit führt, und wann bricht die Nacht heran, wo alle Brüder Arm in Arm entschlummern? — Er wird kommen, der Tag deS Lichts! Mögen immerhin Pygmäengesinnungen in ei- nen Kampf sich einlassen mit dem Riesengeist der Wahrheit; wir lächeln und sind des Siegs gewiß, doch, — auch die Wunde des Siegers schmerzt. Darum, meine Brüder, laßt uns mit lindernder Hand Balsam träufeln in die Wunde der siegenden Wahrheit, damit, wenn man das neunzehnte Jahrhundert noch einmal erröthen steht, man sagen möge! Die Farbe der Freude ist'S, die es ver¬ klärt, nicht die Farbe der Scham!

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/597
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/597>, abgerufen am 22.07.2024.