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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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guten Rath, ob er wohl mit zu den " Schneidemülleni" gehen solle.
Jener meint, dies sei eine Sache, über die er mit seinem Gewissen
ernst zu Rathe gehen müsse. Der rathbedürftige Convertit ist jedoch
mit dem innern Theile der Frage fertig, nur über den äußern ist er
noch nicht aufs Reine. Es macht ihm Bedenken, daß die Sache
vielleicht viel kosten und er möglicherweise gar darüber die Hoskund¬
schaft einbüßen werde. Und als nun der Gönner diese Bedenken aller¬
dings nicht unbegründet findet, da spricht der andre schnell entschlossen -
Nein, da will ich's doch vor der Hand lieber bleiben lassen. -- Die
Zahl der hiesigen katholischen Glaubensgenossen ist verhältnißmäßig
klein; ein nicht unbeträchtlicher Theil derselben steht in näherer und
fernerer Beziehung zum Hofe. Erwägt nun ein solchergestalt abhän¬
giger Mann, wie sein Beitritt zur Separatistengemeinde seine bürger¬
liche Existenz gefährden könne, wie er außer den Parochiallasten der
bestehenden Kirche, deren Vergünstigungen er nicht weiter beanspruchen
kann, auch die gewiß bedeutenderen der neuen Gemeinde mit zu über¬
tragen hat, sieht er um sich ein Häuflein Kinder, für deren Ernährung
und Erziehung ihn seine Vaterpflichten verhaften, dann läßt sich nicht
verkennen, daß für ihn ein Zwang vorliegt, wenigstens den Lauf
der Dinge abzuwarten. So sind denn auch bis jetzt der neuen
Gemeinde nur etwa hundert und etliche vierzig Mitglieder beige¬
treten, meist aus dem bürgerlichen Gewerbstande; keine literarische,
keine künstlerische Notabilität, doch einzelne wohlhabende Männer. Ei¬
ner, ein Rittergutsbesitzer, hat für die Besoldung eines Geistlichen so¬
fort die Zinsen eines Capitals von fünftausend Thaler angewiesen. Auch
wird dem Vernehmen nach der Stadtrath der Gemeinde eine der un¬
benützten evangelischen Kirchen zum gottesdienstlichen Gebrauche bis auf
Weiteres überlassen. Ein sehr wichtiger Punkt ist noch die Herstellung
der Schule, und hier wird die Kostenfrage sofort bedenklich hervorsprin¬
gen. Doch bei dem redlichen ruhigen Eifer, mit welchem hier das
Werk angefangen worden ist, läßt sich erwarten, daß man den kleinen
Keim zu einer kräftig gedeihenden Pflanze heranziehen werde. Mit
allgemeinem Beifalle ist es aufgenommen worden, daß der interimisti¬
sche Vorstand, Prof. Wigard, den sofortigen Beitritt eines Protestan¬
ten abgelehnt und diesen auf die über die Glaubensconversion beste¬
henden, gesetzlichen Vorschriften verwiesen hat. Daneben aber macht
es einen betrübenden niederschlagenden Eindruck, daß der neukatholischen
Gemeinde untersagt worden ist, ihre constituirenden Versammlungen,
wie bis jetzt im Locale der Stadtverordneten geschehen, öffentlich zu
halt en.




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guten Rath, ob er wohl mit zu den „ Schneidemülleni" gehen solle.
Jener meint, dies sei eine Sache, über die er mit seinem Gewissen
ernst zu Rathe gehen müsse. Der rathbedürftige Convertit ist jedoch
mit dem innern Theile der Frage fertig, nur über den äußern ist er
noch nicht aufs Reine. Es macht ihm Bedenken, daß die Sache
vielleicht viel kosten und er möglicherweise gar darüber die Hoskund¬
schaft einbüßen werde. Und als nun der Gönner diese Bedenken aller¬
dings nicht unbegründet findet, da spricht der andre schnell entschlossen -
Nein, da will ich's doch vor der Hand lieber bleiben lassen. — Die
Zahl der hiesigen katholischen Glaubensgenossen ist verhältnißmäßig
klein; ein nicht unbeträchtlicher Theil derselben steht in näherer und
fernerer Beziehung zum Hofe. Erwägt nun ein solchergestalt abhän¬
giger Mann, wie sein Beitritt zur Separatistengemeinde seine bürger¬
liche Existenz gefährden könne, wie er außer den Parochiallasten der
bestehenden Kirche, deren Vergünstigungen er nicht weiter beanspruchen
kann, auch die gewiß bedeutenderen der neuen Gemeinde mit zu über¬
tragen hat, sieht er um sich ein Häuflein Kinder, für deren Ernährung
und Erziehung ihn seine Vaterpflichten verhaften, dann läßt sich nicht
verkennen, daß für ihn ein Zwang vorliegt, wenigstens den Lauf
der Dinge abzuwarten. So sind denn auch bis jetzt der neuen
Gemeinde nur etwa hundert und etliche vierzig Mitglieder beige¬
treten, meist aus dem bürgerlichen Gewerbstande; keine literarische,
keine künstlerische Notabilität, doch einzelne wohlhabende Männer. Ei¬
ner, ein Rittergutsbesitzer, hat für die Besoldung eines Geistlichen so¬
fort die Zinsen eines Capitals von fünftausend Thaler angewiesen. Auch
wird dem Vernehmen nach der Stadtrath der Gemeinde eine der un¬
benützten evangelischen Kirchen zum gottesdienstlichen Gebrauche bis auf
Weiteres überlassen. Ein sehr wichtiger Punkt ist noch die Herstellung
der Schule, und hier wird die Kostenfrage sofort bedenklich hervorsprin¬
gen. Doch bei dem redlichen ruhigen Eifer, mit welchem hier das
Werk angefangen worden ist, läßt sich erwarten, daß man den kleinen
Keim zu einer kräftig gedeihenden Pflanze heranziehen werde. Mit
allgemeinem Beifalle ist es aufgenommen worden, daß der interimisti¬
sche Vorstand, Prof. Wigard, den sofortigen Beitritt eines Protestan¬
ten abgelehnt und diesen auf die über die Glaubensconversion beste¬
henden, gesetzlichen Vorschriften verwiesen hat. Daneben aber macht
es einen betrübenden niederschlagenden Eindruck, daß der neukatholischen
Gemeinde untersagt worden ist, ihre constituirenden Versammlungen,
wie bis jetzt im Locale der Stadtverordneten geschehen, öffentlich zu
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/587>, abgerufen am 22.07.2024.