Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.ihrer Provinz wurzeln, geltend machen. Für sie enstirt eigentlich kein Eine weitere Ausbildung der Ausschüsse zu Reichs ständen 72
ihrer Provinz wurzeln, geltend machen. Für sie enstirt eigentlich kein Eine weitere Ausbildung der Ausschüsse zu Reichs ständen 72
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0573" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/269988"/> <p xml:id="ID_1648" prev="#ID_1647"> ihrer Provinz wurzeln, geltend machen. Für sie enstirt eigentlich kein<lb/> allgemeiner Staat. Die Ausschüsse sind aber nur kommittirt von<lb/> diesen Provinzialständcn. Die Mitglieder dieser Ausschüsse sind nicht<lb/> aus der Gesammtheit der Provinziallandtage durch Stimmenmehrheit<lb/> gewählt, sondern aus den einzelnen Ständen durch ihre Standesge¬<lb/> nossen. Sie sind nur Vertreter dieser Stände. Bei der Zusammen¬<lb/> setzung der Ausschüsse ist das den Provinzialständcn zu Grunde lie¬<lb/> gende Prinzip beibehalten, daher das Uebergewicht des großen privi-<lb/> legirten Grundbesitzes. Bon 96 Mitgliedern der Ausschüsse gehören<lb/> 44, also fast die Hälfte, zu den Standesherrn lind Rittern. Durch<lb/> das Interesse des Gemeinwohls ist es gerechtfertigt, daß so zusam¬<lb/> mengesetzten Ausschüssen keine Macht beigelegt ist, daß sie nur über<lb/> ihnen vorgelegte Gegenstände ihr Gutachten abzugeben haben. Ihre<lb/> Befugnisse sind noch geringer als die der Provinzialstände, und so er¬<lb/> scheinen die Allsschüsse als zweck- lind bedeutungslos.</p><lb/> <p xml:id="ID_1649" next="#ID_1650"> Eine weitere Ausbildung der Ausschüsse zu Reichs ständen<lb/> mit beschließender Gewalt, oder überhaupt Reichsstände, deren Grund¬<lb/> lage die jetzigen Provinzialstände, würde von den bedenklichsten Fol¬<lb/> gen für die allgemeine Freiheit sein, zur Unfreiheit und Knechtung<lb/> des Volks durch privilegirte Schollcnbesitzer führen, die Bevormun¬<lb/> dung des Volks durch den Apel vermehren, das Volk in seiner Un¬<lb/> mündigkeit erhalten. Ueberall hat die Aristokratie nach dem Motto<lb/> gelebt: Freiheit und Reichthum für uns, Knechtschaft und Armuth<lb/> für das Volk. „Die reine Despotie," sagt Nauwerck sehr wahr, „ist<lb/> der öffentlichen Freiheit viel weniger gefährlich, als wenn sie netzartig<lb/> einen zahlreichen Adel über das Volk ausspannen kann. Ohne<lb/> diesen ist sie eben so leicht gestürzt wie entstanden." — Das Stre¬<lb/> ben des Adels, als Vormund „an der Spitze der Nation" zu<lb/> stehen, das Volk in ungleich berechtigte Klassen zu theilen, über diese<lb/> durch Ungleichheit getrennten, verschieden berechtigten Stände zu herr¬<lb/> schen, seine Privilegien und Steuerfreiheiten zu erhalten, ist deutlich<lb/> genug hervorgetreten. Reichsstände, aus den jetzigen Provinzialstän¬<lb/> dcn hervorgegangen, würden nur dem Adel und dem großen<lb/> privilegirten Grundbesitz ein Uebergewicht geben. Sie würden<lb/> uns nur einen Schein politischer Freiheit — nicht aber die wahre,<lb/> volle und ganze politische Freiheit — bringen, indem sie die Jntelli-<lb/> genz, die große Masse des Volks von der lebendigen Theilnahme am</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 72</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0573]
ihrer Provinz wurzeln, geltend machen. Für sie enstirt eigentlich kein
allgemeiner Staat. Die Ausschüsse sind aber nur kommittirt von
diesen Provinzialständcn. Die Mitglieder dieser Ausschüsse sind nicht
aus der Gesammtheit der Provinziallandtage durch Stimmenmehrheit
gewählt, sondern aus den einzelnen Ständen durch ihre Standesge¬
nossen. Sie sind nur Vertreter dieser Stände. Bei der Zusammen¬
setzung der Ausschüsse ist das den Provinzialständcn zu Grunde lie¬
gende Prinzip beibehalten, daher das Uebergewicht des großen privi-
legirten Grundbesitzes. Bon 96 Mitgliedern der Ausschüsse gehören
44, also fast die Hälfte, zu den Standesherrn lind Rittern. Durch
das Interesse des Gemeinwohls ist es gerechtfertigt, daß so zusam¬
mengesetzten Ausschüssen keine Macht beigelegt ist, daß sie nur über
ihnen vorgelegte Gegenstände ihr Gutachten abzugeben haben. Ihre
Befugnisse sind noch geringer als die der Provinzialstände, und so er¬
scheinen die Allsschüsse als zweck- lind bedeutungslos.
Eine weitere Ausbildung der Ausschüsse zu Reichs ständen
mit beschließender Gewalt, oder überhaupt Reichsstände, deren Grund¬
lage die jetzigen Provinzialstände, würde von den bedenklichsten Fol¬
gen für die allgemeine Freiheit sein, zur Unfreiheit und Knechtung
des Volks durch privilegirte Schollcnbesitzer führen, die Bevormun¬
dung des Volks durch den Apel vermehren, das Volk in seiner Un¬
mündigkeit erhalten. Ueberall hat die Aristokratie nach dem Motto
gelebt: Freiheit und Reichthum für uns, Knechtschaft und Armuth
für das Volk. „Die reine Despotie," sagt Nauwerck sehr wahr, „ist
der öffentlichen Freiheit viel weniger gefährlich, als wenn sie netzartig
einen zahlreichen Adel über das Volk ausspannen kann. Ohne
diesen ist sie eben so leicht gestürzt wie entstanden." — Das Stre¬
ben des Adels, als Vormund „an der Spitze der Nation" zu
stehen, das Volk in ungleich berechtigte Klassen zu theilen, über diese
durch Ungleichheit getrennten, verschieden berechtigten Stände zu herr¬
schen, seine Privilegien und Steuerfreiheiten zu erhalten, ist deutlich
genug hervorgetreten. Reichsstände, aus den jetzigen Provinzialstän¬
dcn hervorgegangen, würden nur dem Adel und dem großen
privilegirten Grundbesitz ein Uebergewicht geben. Sie würden
uns nur einen Schein politischer Freiheit — nicht aber die wahre,
volle und ganze politische Freiheit — bringen, indem sie die Jntelli-
genz, die große Masse des Volks von der lebendigen Theilnahme am
72
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |