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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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ist -- da werdet Ihr ihn wahrscheinlich finden. Fritz hat guten Wein
und es sollte mich gar nicht wundern, wenn --

-- Hinüber in'S Courthouse (Gerichtshaus), tobte die Menge
-- hinüber zu Fritz -- hurrah -- Hurrah ! Und hinüber strömten sie
in unaufhaltsamer Fluth, einen Akt der Gerechtigkeit, wie sie es
nannten, auszuüben und den in ihrer Meinung Schuldigen für sei'
nen Frevel büßen zu lassen.

Rehfer eilte jetzt schnell an's Wasser, um zu sehen, ob die Boote
frei wären, vorsichtig genug aber waren an diesen Wachen ausge¬
stellt, um dem, dem Tode Geweihten jeden Versuch zur Flucht abzu¬
schneiden, ja sogar vertheilten sich einige Posten schon um sämmtliche
Ferner, die das Hotel und daran grenzende Gerichtöhauö umgaben
und umzingelten förmlich den Platz. Jede Aussicht auf Flucht war
abgeschnitten, denn daß die einmal Gereizten selbst nicht Nehfer'ö Zim¬
mer verschonen würden, wenn sie den Krämer nirgends anders fan¬
den, war vorauszusehn; Nehfcr kehrte daher ziemlich niedergeschlagen
zu seiner Frau zurück und theilte ihr seine Befürchtungen mit.

-- Hier könnt Ihr nicht bleiben, wandte er sich zuletzt an den
Krämer, der leichenbleich und mit stieren Augen dem Bett entstieg,
es Hilfe Euch Nichts, ich glaubte im Anfang, es sei mehr ihr Plan
gewesen, Euch zu erschrecken als wirklich zu hängen; wie aber jetzt
die ganzen Maßregeln getroffen sind, so unterliegt es keinem Zweifel
mehr, daß sie es auf Euer Leben abgesehen haben; ein Fuchs könnte
nicht mehr hindurch schlüpfen -- und ich fürchte, es bleibt uns kein
Ausweg als an die Gnade des Haufens zu appelliren!

-- Gnade? schrie entsetzt der Krämer -- Gnade? Hätten Sie
die Wollust gesehn, mit der sie den Neger drüben aufhingen, wie
sie dabei jubelten und tanzten; hätten Sie wie ich gesehn, wie das¬
selbe amerikanische Volk vor etwa einem Jahr einen Mulatten in
Se. Louis verbrannte --; wären Sie dabei gewesen, wie ich es war,
als sie den Pferdedieb in Terassen an einen Baum banden und zum
Ziel für ihre Büchsenkugeln machten, Sie würden nicht von Gnade
reden, nicht an Gnade denken -- der Panther übt eher Gnade, wenn
er vierzehn Tage gehungert hat und ein Lamm fängt, der Wolf eher,
der halbverhungert in eine Heerde einbricht -- Herr Rehfer -- ret¬
ten Sie mich -- Sie wissen noch einen Ausweg. Sie müssen noch


ist — da werdet Ihr ihn wahrscheinlich finden. Fritz hat guten Wein
und es sollte mich gar nicht wundern, wenn —

— Hinüber in'S Courthouse (Gerichtshaus), tobte die Menge
— hinüber zu Fritz — hurrah — Hurrah ! Und hinüber strömten sie
in unaufhaltsamer Fluth, einen Akt der Gerechtigkeit, wie sie es
nannten, auszuüben und den in ihrer Meinung Schuldigen für sei'
nen Frevel büßen zu lassen.

Rehfer eilte jetzt schnell an's Wasser, um zu sehen, ob die Boote
frei wären, vorsichtig genug aber waren an diesen Wachen ausge¬
stellt, um dem, dem Tode Geweihten jeden Versuch zur Flucht abzu¬
schneiden, ja sogar vertheilten sich einige Posten schon um sämmtliche
Ferner, die das Hotel und daran grenzende Gerichtöhauö umgaben
und umzingelten förmlich den Platz. Jede Aussicht auf Flucht war
abgeschnitten, denn daß die einmal Gereizten selbst nicht Nehfer'ö Zim¬
mer verschonen würden, wenn sie den Krämer nirgends anders fan¬
den, war vorauszusehn; Nehfcr kehrte daher ziemlich niedergeschlagen
zu seiner Frau zurück und theilte ihr seine Befürchtungen mit.

— Hier könnt Ihr nicht bleiben, wandte er sich zuletzt an den
Krämer, der leichenbleich und mit stieren Augen dem Bett entstieg,
es Hilfe Euch Nichts, ich glaubte im Anfang, es sei mehr ihr Plan
gewesen, Euch zu erschrecken als wirklich zu hängen; wie aber jetzt
die ganzen Maßregeln getroffen sind, so unterliegt es keinem Zweifel
mehr, daß sie es auf Euer Leben abgesehen haben; ein Fuchs könnte
nicht mehr hindurch schlüpfen — und ich fürchte, es bleibt uns kein
Ausweg als an die Gnade des Haufens zu appelliren!

— Gnade? schrie entsetzt der Krämer — Gnade? Hätten Sie
die Wollust gesehn, mit der sie den Neger drüben aufhingen, wie
sie dabei jubelten und tanzten; hätten Sie wie ich gesehn, wie das¬
selbe amerikanische Volk vor etwa einem Jahr einen Mulatten in
Se. Louis verbrannte —; wären Sie dabei gewesen, wie ich es war,
als sie den Pferdedieb in Terassen an einen Baum banden und zum
Ziel für ihre Büchsenkugeln machten, Sie würden nicht von Gnade
reden, nicht an Gnade denken — der Panther übt eher Gnade, wenn
er vierzehn Tage gehungert hat und ein Lamm fängt, der Wolf eher,
der halbverhungert in eine Heerde einbricht — Herr Rehfer — ret¬
ten Sie mich — Sie wissen noch einen Ausweg. Sie müssen noch


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[0564] ist — da werdet Ihr ihn wahrscheinlich finden. Fritz hat guten Wein und es sollte mich gar nicht wundern, wenn — — Hinüber in'S Courthouse (Gerichtshaus), tobte die Menge — hinüber zu Fritz — hurrah — Hurrah ! Und hinüber strömten sie in unaufhaltsamer Fluth, einen Akt der Gerechtigkeit, wie sie es nannten, auszuüben und den in ihrer Meinung Schuldigen für sei' nen Frevel büßen zu lassen. Rehfer eilte jetzt schnell an's Wasser, um zu sehen, ob die Boote frei wären, vorsichtig genug aber waren an diesen Wachen ausge¬ stellt, um dem, dem Tode Geweihten jeden Versuch zur Flucht abzu¬ schneiden, ja sogar vertheilten sich einige Posten schon um sämmtliche Ferner, die das Hotel und daran grenzende Gerichtöhauö umgaben und umzingelten förmlich den Platz. Jede Aussicht auf Flucht war abgeschnitten, denn daß die einmal Gereizten selbst nicht Nehfer'ö Zim¬ mer verschonen würden, wenn sie den Krämer nirgends anders fan¬ den, war vorauszusehn; Nehfcr kehrte daher ziemlich niedergeschlagen zu seiner Frau zurück und theilte ihr seine Befürchtungen mit. — Hier könnt Ihr nicht bleiben, wandte er sich zuletzt an den Krämer, der leichenbleich und mit stieren Augen dem Bett entstieg, es Hilfe Euch Nichts, ich glaubte im Anfang, es sei mehr ihr Plan gewesen, Euch zu erschrecken als wirklich zu hängen; wie aber jetzt die ganzen Maßregeln getroffen sind, so unterliegt es keinem Zweifel mehr, daß sie es auf Euer Leben abgesehen haben; ein Fuchs könnte nicht mehr hindurch schlüpfen — und ich fürchte, es bleibt uns kein Ausweg als an die Gnade des Haufens zu appelliren! — Gnade? schrie entsetzt der Krämer — Gnade? Hätten Sie die Wollust gesehn, mit der sie den Neger drüben aufhingen, wie sie dabei jubelten und tanzten; hätten Sie wie ich gesehn, wie das¬ selbe amerikanische Volk vor etwa einem Jahr einen Mulatten in Se. Louis verbrannte —; wären Sie dabei gewesen, wie ich es war, als sie den Pferdedieb in Terassen an einen Baum banden und zum Ziel für ihre Büchsenkugeln machten, Sie würden nicht von Gnade reden, nicht an Gnade denken — der Panther übt eher Gnade, wenn er vierzehn Tage gehungert hat und ein Lamm fängt, der Wolf eher, der halbverhungert in eine Heerde einbricht — Herr Rehfer — ret¬ ten Sie mich — Sie wissen noch einen Ausweg. Sie müssen noch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/564>, abgerufen am 23.07.2024.