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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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er ^in die Höhe gezogen -- "Zum Kien -- er hängt noch und so
lange sich der Wind nicht dreht, mag er auch hängen bleiben.

-- Wir wollen abstimmen, rief ein langer Doctor aus Pointe-
Coupve.

-- Wozu das? schrie es von allen Seiten, ist ein Einziger
hier, der dagegen stimmt, den käuflichen Schurken zu hängen?

Alles schwieg.

-- Gut denn -- fort mit ihm, tobte die Masse -- wir haben
der betrügerischen Krämer genug hier in Louistana, fort an den
Baum mit dem Schurken -- laßt ihn erst ein Weilchen zappeln und
dann mag er sich zu dem legen, mit dem er sein Sündengeld ver¬
dient hat!

--- An den Galgen mit ihm, überschrie jetzt wieder ein ande¬
rer Theil die früheren -- Banizet war ein braver, tüchtiger Kerl,
ehe er den schändlichen Mord verübte -- das Querholz ist nicht schlecht
ter durch ihn geworden!

-- Nein, an den Baum, riefen die Anderen dagegen!

Den Krämer zu hängen, waren Alle einig, das Wohin war
noch der einzige streitige Punkt.

Und wo hielt sich indessen die Hauptperson aller dieser Verhand¬
lungen auf? wo war der gute "Monsieur Wolf", wie ihn Fritz Hayde
genannt hatte? Nicht ahnend, welches Gewitter sich über seinem un¬
glücklichen Haupte zusammenziehe, hatte er eben mit dem kleinen De--
puty-Sheriff die zweite Flasche beendet und tanzte seelenvergnügt durch
den sogenannten "Weidegrund" dem Hotel zu, vor dessen Thüre, dicht
am Ufer des Mississippi eben sein Todesurtheil von mehr als zwei¬
hundert Menschen so gut als unterzeichnet wurde. Rehfer begegnete
ihm an der Hinterthür und zog ihn, da gerade jede Seele vor das
Haus geströmt war, um dort der Versammlung beizuwohnen, in das
Zimmer seiner Frau, das er augenblicklich hinter sich schloß!

-- Aber Mr. Nehfer -- um Gotteswillen, was machen Sie
denn mit mir? warum schließen Sie mich ein? lallte der Krämer
mit schon ziemlich schwerer Zunge; geben Sie mir lieber etwas zu
trinken, ich bin merkwürdig durstig.

-- Und wißt Ihr, was Euch droht? frug Rehfer, sich dicht zu
ihm hinüber beugend -- wißt Ihr, was jene Menschenmenge, die
Ihr dort durch das Fenster könnt stehn sehn -- geht nicht zu weit


er ^in die Höhe gezogen — «Zum Kien — er hängt noch und so
lange sich der Wind nicht dreht, mag er auch hängen bleiben.

— Wir wollen abstimmen, rief ein langer Doctor aus Pointe-
Coupve.

— Wozu das? schrie es von allen Seiten, ist ein Einziger
hier, der dagegen stimmt, den käuflichen Schurken zu hängen?

Alles schwieg.

— Gut denn — fort mit ihm, tobte die Masse — wir haben
der betrügerischen Krämer genug hier in Louistana, fort an den
Baum mit dem Schurken — laßt ihn erst ein Weilchen zappeln und
dann mag er sich zu dem legen, mit dem er sein Sündengeld ver¬
dient hat!

-— An den Galgen mit ihm, überschrie jetzt wieder ein ande¬
rer Theil die früheren — Banizet war ein braver, tüchtiger Kerl,
ehe er den schändlichen Mord verübte — das Querholz ist nicht schlecht
ter durch ihn geworden!

— Nein, an den Baum, riefen die Anderen dagegen!

Den Krämer zu hängen, waren Alle einig, das Wohin war
noch der einzige streitige Punkt.

Und wo hielt sich indessen die Hauptperson aller dieser Verhand¬
lungen auf? wo war der gute „Monsieur Wolf", wie ihn Fritz Hayde
genannt hatte? Nicht ahnend, welches Gewitter sich über seinem un¬
glücklichen Haupte zusammenziehe, hatte er eben mit dem kleinen De--
puty-Sheriff die zweite Flasche beendet und tanzte seelenvergnügt durch
den sogenannten „Weidegrund" dem Hotel zu, vor dessen Thüre, dicht
am Ufer des Mississippi eben sein Todesurtheil von mehr als zwei¬
hundert Menschen so gut als unterzeichnet wurde. Rehfer begegnete
ihm an der Hinterthür und zog ihn, da gerade jede Seele vor das
Haus geströmt war, um dort der Versammlung beizuwohnen, in das
Zimmer seiner Frau, das er augenblicklich hinter sich schloß!

— Aber Mr. Nehfer — um Gotteswillen, was machen Sie
denn mit mir? warum schließen Sie mich ein? lallte der Krämer
mit schon ziemlich schwerer Zunge; geben Sie mir lieber etwas zu
trinken, ich bin merkwürdig durstig.

— Und wißt Ihr, was Euch droht? frug Rehfer, sich dicht zu
ihm hinüber beugend — wißt Ihr, was jene Menschenmenge, die
Ihr dort durch das Fenster könnt stehn sehn — geht nicht zu weit


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[0561] er ^in die Höhe gezogen — «Zum Kien — er hängt noch und so lange sich der Wind nicht dreht, mag er auch hängen bleiben. — Wir wollen abstimmen, rief ein langer Doctor aus Pointe- Coupve. — Wozu das? schrie es von allen Seiten, ist ein Einziger hier, der dagegen stimmt, den käuflichen Schurken zu hängen? Alles schwieg. — Gut denn — fort mit ihm, tobte die Masse — wir haben der betrügerischen Krämer genug hier in Louistana, fort an den Baum mit dem Schurken — laßt ihn erst ein Weilchen zappeln und dann mag er sich zu dem legen, mit dem er sein Sündengeld ver¬ dient hat! -— An den Galgen mit ihm, überschrie jetzt wieder ein ande¬ rer Theil die früheren — Banizet war ein braver, tüchtiger Kerl, ehe er den schändlichen Mord verübte — das Querholz ist nicht schlecht ter durch ihn geworden! — Nein, an den Baum, riefen die Anderen dagegen! Den Krämer zu hängen, waren Alle einig, das Wohin war noch der einzige streitige Punkt. Und wo hielt sich indessen die Hauptperson aller dieser Verhand¬ lungen auf? wo war der gute „Monsieur Wolf", wie ihn Fritz Hayde genannt hatte? Nicht ahnend, welches Gewitter sich über seinem un¬ glücklichen Haupte zusammenziehe, hatte er eben mit dem kleinen De-- puty-Sheriff die zweite Flasche beendet und tanzte seelenvergnügt durch den sogenannten „Weidegrund" dem Hotel zu, vor dessen Thüre, dicht am Ufer des Mississippi eben sein Todesurtheil von mehr als zwei¬ hundert Menschen so gut als unterzeichnet wurde. Rehfer begegnete ihm an der Hinterthür und zog ihn, da gerade jede Seele vor das Haus geströmt war, um dort der Versammlung beizuwohnen, in das Zimmer seiner Frau, das er augenblicklich hinter sich schloß! — Aber Mr. Nehfer — um Gotteswillen, was machen Sie denn mit mir? warum schließen Sie mich ein? lallte der Krämer mit schon ziemlich schwerer Zunge; geben Sie mir lieber etwas zu trinken, ich bin merkwürdig durstig. — Und wißt Ihr, was Euch droht? frug Rehfer, sich dicht zu ihm hinüber beugend — wißt Ihr, was jene Menschenmenge, die Ihr dort durch das Fenster könnt stehn sehn — geht nicht zu weit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/561>, abgerufen am 23.07.2024.