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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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terlichen Verbrechen antrieb, ungegründete Eifersucht, aber in blinder
Leidenschaft wollte er sie schuldig wissen und hatte an jenem unse¬
ligen Abend, spät aus der nur wenige Meilen entfernten Schank-
wirthschaft heimkehrend, geglaubt, eine dunkle Gestalt über die Ferne
klettern zu sehn. Vom Wein erhitzt, stürmte er in das Haus, fand
in dem Erschrecken, das sein tobender Eintritt der armen Frau ver¬
ursachte, das Bekenntniß oder wenigstens den Beweis ihrer Schuld
und schlug sie mit der unglücklicher Weise in der Stube lehrenden
Art zu Boden.

Das Gericht der Geschworenen fand ihn einstimmig für "schul¬
dig" und verurtheilte ihn, "am Halse aufgehangen zu werden, bis
er todt sei!"

Durch die ganzen Vereinigten Staaten von Nord-Amerika ist es
das ausschließliche Amt des Sheriffs, den Urtheilsspruch des Gesetzes
zu vollzieh", ausgenommen er hat einen Vice- oder Deputy^Sheriff,
wie es hier der Fall war, dem dann das Geschäft des AufHängens
übertragen wird; Fritz Hayde aber, noch in dem alten europäischen
Glauben erzogen, daß ein Menschenleben, auf gewaltsame Weise und
obrigkeitlichen Befehl genommen, die Hände des den Befehl Ausfüh¬
renden unehrlich mache, sah mit Entsetzen dem dritten Tag entgegen
und Manche wollen behaupten, daß er schon Pläne gemacht, den
Gefangenen, dessen Wunde jetzt vollkommen geheilt war, entwischen
zu lassen, einzig und allein, um das Urtheil nicht selbst an ihm voll¬
strecken zu dürfen, als aus den Atchafclaya-Ansiedlungen herunter
ein Krämer oder Pedlar, mit seinem grünlakirten zweispännigen Wa¬
gen angefahren kam und vor dem Ferry-Hotel hielt, um dort sowohl
zu übernachten, als auch an die vielen Gäste, die sich der am näch¬
sten Tage stattfindenden Hinrichtung wegen versammelt hatten, seine
Waaren abzusetzen. Sein Name war Wolf.

Da er Fritz Hayde seit langen Jahren kannte, ging er noch vor
dem Abendessen zu diesem in seine kaum dreihundert Schritte vom
Hotel gelegene Wohnung hinüber, ihn zu besuchen und ein wenig
mit ihm zu plaudern, fand diesen aber sehr niedergeschlagen und er¬
fuhr bald die Ursache seiner Betrübniß.

Fünfzig Piaster gab' ich drum, sagt? der Deputv-Sheriff und
schlug mit der Faust auf den Tisch, fünfzig harte Piaster, wenn ich
Jemanden fände, der mir den Dienst abnähme.


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terlichen Verbrechen antrieb, ungegründete Eifersucht, aber in blinder
Leidenschaft wollte er sie schuldig wissen und hatte an jenem unse¬
ligen Abend, spät aus der nur wenige Meilen entfernten Schank-
wirthschaft heimkehrend, geglaubt, eine dunkle Gestalt über die Ferne
klettern zu sehn. Vom Wein erhitzt, stürmte er in das Haus, fand
in dem Erschrecken, das sein tobender Eintritt der armen Frau ver¬
ursachte, das Bekenntniß oder wenigstens den Beweis ihrer Schuld
und schlug sie mit der unglücklicher Weise in der Stube lehrenden
Art zu Boden.

Das Gericht der Geschworenen fand ihn einstimmig für „schul¬
dig" und verurtheilte ihn, „am Halse aufgehangen zu werden, bis
er todt sei!"

Durch die ganzen Vereinigten Staaten von Nord-Amerika ist es
das ausschließliche Amt des Sheriffs, den Urtheilsspruch des Gesetzes
zu vollzieh», ausgenommen er hat einen Vice- oder Deputy^Sheriff,
wie es hier der Fall war, dem dann das Geschäft des AufHängens
übertragen wird; Fritz Hayde aber, noch in dem alten europäischen
Glauben erzogen, daß ein Menschenleben, auf gewaltsame Weise und
obrigkeitlichen Befehl genommen, die Hände des den Befehl Ausfüh¬
renden unehrlich mache, sah mit Entsetzen dem dritten Tag entgegen
und Manche wollen behaupten, daß er schon Pläne gemacht, den
Gefangenen, dessen Wunde jetzt vollkommen geheilt war, entwischen
zu lassen, einzig und allein, um das Urtheil nicht selbst an ihm voll¬
strecken zu dürfen, als aus den Atchafclaya-Ansiedlungen herunter
ein Krämer oder Pedlar, mit seinem grünlakirten zweispännigen Wa¬
gen angefahren kam und vor dem Ferry-Hotel hielt, um dort sowohl
zu übernachten, als auch an die vielen Gäste, die sich der am näch¬
sten Tage stattfindenden Hinrichtung wegen versammelt hatten, seine
Waaren abzusetzen. Sein Name war Wolf.

Da er Fritz Hayde seit langen Jahren kannte, ging er noch vor
dem Abendessen zu diesem in seine kaum dreihundert Schritte vom
Hotel gelegene Wohnung hinüber, ihn zu besuchen und ein wenig
mit ihm zu plaudern, fand diesen aber sehr niedergeschlagen und er¬
fuhr bald die Ursache seiner Betrübniß.

Fünfzig Piaster gab' ich drum, sagt? der Deputv-Sheriff und
schlug mit der Faust auf den Tisch, fünfzig harte Piaster, wenn ich
Jemanden fände, der mir den Dienst abnähme.


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[0557] terlichen Verbrechen antrieb, ungegründete Eifersucht, aber in blinder Leidenschaft wollte er sie schuldig wissen und hatte an jenem unse¬ ligen Abend, spät aus der nur wenige Meilen entfernten Schank- wirthschaft heimkehrend, geglaubt, eine dunkle Gestalt über die Ferne klettern zu sehn. Vom Wein erhitzt, stürmte er in das Haus, fand in dem Erschrecken, das sein tobender Eintritt der armen Frau ver¬ ursachte, das Bekenntniß oder wenigstens den Beweis ihrer Schuld und schlug sie mit der unglücklicher Weise in der Stube lehrenden Art zu Boden. Das Gericht der Geschworenen fand ihn einstimmig für „schul¬ dig" und verurtheilte ihn, „am Halse aufgehangen zu werden, bis er todt sei!" Durch die ganzen Vereinigten Staaten von Nord-Amerika ist es das ausschließliche Amt des Sheriffs, den Urtheilsspruch des Gesetzes zu vollzieh», ausgenommen er hat einen Vice- oder Deputy^Sheriff, wie es hier der Fall war, dem dann das Geschäft des AufHängens übertragen wird; Fritz Hayde aber, noch in dem alten europäischen Glauben erzogen, daß ein Menschenleben, auf gewaltsame Weise und obrigkeitlichen Befehl genommen, die Hände des den Befehl Ausfüh¬ renden unehrlich mache, sah mit Entsetzen dem dritten Tag entgegen und Manche wollen behaupten, daß er schon Pläne gemacht, den Gefangenen, dessen Wunde jetzt vollkommen geheilt war, entwischen zu lassen, einzig und allein, um das Urtheil nicht selbst an ihm voll¬ strecken zu dürfen, als aus den Atchafclaya-Ansiedlungen herunter ein Krämer oder Pedlar, mit seinem grünlakirten zweispännigen Wa¬ gen angefahren kam und vor dem Ferry-Hotel hielt, um dort sowohl zu übernachten, als auch an die vielen Gäste, die sich der am näch¬ sten Tage stattfindenden Hinrichtung wegen versammelt hatten, seine Waaren abzusetzen. Sein Name war Wolf. Da er Fritz Hayde seit langen Jahren kannte, ging er noch vor dem Abendessen zu diesem in seine kaum dreihundert Schritte vom Hotel gelegene Wohnung hinüber, ihn zu besuchen und ein wenig mit ihm zu plaudern, fand diesen aber sehr niedergeschlagen und er¬ fuhr bald die Ursache seiner Betrübniß. Fünfzig Piaster gab' ich drum, sagt? der Deputv-Sheriff und schlug mit der Faust auf den Tisch, fünfzig harte Piaster, wenn ich Jemanden fände, der mir den Dienst abnähme. 70*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/557>, abgerufen am 23.07.2024.