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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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stellen, und thut er's nicht -- Feuer! aber auch in die Beine --
schont des Schurken Hals. Ich will indessen ganz offen auf der
Straße hinuntergehn und pfeifen, als wenn ich von gar Nichts wüßte,
bis ich ihm den Weg abgeschnitten habe -- also an's Werk! --

Scipio war schon katzenartig, mit einem gewaltigen alten Ca-
valleriesäbel in der Hand, fortgekrochen und auch Gottlieb hatte seinen
Platz eingenommen; die Creolen aber hielten einen Augenblick neben
der Kirche, bei einem ihrer Bekannten, um diesen wahrscheinlich zur
Theilnahme aufzufordern.

Banizet -- die Gestalt, welche das scharfe Auge Scipio's
über die Straße hatte gleiten sehn,--schlich indeß dicht am Wasserrande,
unter dem Schutze einiger dort angeschwemmten Stämme, den Booten
zu, die, wie er wußte, nie angeschlossen lagen, um wo möglich das
andere Ufer zu erreichen und wenigstens der augenblicklichen Gefahr
des Gefangenwerdens zu entgehen.

Daß der Eigenthümer der Boote gewarnt war, wußte er, denn
er hatte das Pferd des Constables auf der Straße hinab galoppiren
hören; er hoffte aber ihn noch nicht vorbereitet zu finden und näherte
sich schnell den an der großen Fähre angehangenen Kähnen, dabei
gleichwohl das Ufer und den über ihn hinausragenden Damm scharf
im Auge behaltend, als er sich etwas hinter einem der Stämme be¬
wegen sah; -- es war Gottlieb, der, um bequemer zu sitzen, in sei¬
nem Verstecke herumrutschte und dabei die Flinte hoch emporhielt,
damit sie nicht etwa von selber losgehen möchte. -- Zu gleicher Zeit
vernahm er das Pfeifen des Deutschen auf der Straße und sah sich
augenblicklich entdeckt. Nur ein rascher Entschluß konnte ihn retten,
und seine Verfolger nicht mit Unrecht alle unterhalb der Boote
vermuthend, schlich er schnell und geräuschlos auf seiner Bahn fort,
ließ sich, von einer alten Baumwurzel bedeckt, leise in das Wasser
und bewegte sich langsam bis an die Boote hinan. Wohl sah er
ein, daß es nicht möglich gewesen wäre, unter diesen Verhältnissen
eins zu entführen, watete daher hinter ihnen hinauf bis zur Fähre,
Passirte diese ebenfalls und kroch nun gerade über diese an's Land.
Seine einzige Rettung lag jetzt darin, die ihn verbergenden Felder
und den Sumpf dahinter wieder zu erreichen, denn die Flucht über
den Strom war ihm abgeschnitten, er kauerte sich also hinter eine
dort am Ufer aufgesetzte halbe Klafter Holz nieder, strich mit den


stellen, und thut er's nicht — Feuer! aber auch in die Beine —
schont des Schurken Hals. Ich will indessen ganz offen auf der
Straße hinuntergehn und pfeifen, als wenn ich von gar Nichts wüßte,
bis ich ihm den Weg abgeschnitten habe — also an's Werk! —

Scipio war schon katzenartig, mit einem gewaltigen alten Ca-
valleriesäbel in der Hand, fortgekrochen und auch Gottlieb hatte seinen
Platz eingenommen; die Creolen aber hielten einen Augenblick neben
der Kirche, bei einem ihrer Bekannten, um diesen wahrscheinlich zur
Theilnahme aufzufordern.

Banizet — die Gestalt, welche das scharfe Auge Scipio's
über die Straße hatte gleiten sehn,—schlich indeß dicht am Wasserrande,
unter dem Schutze einiger dort angeschwemmten Stämme, den Booten
zu, die, wie er wußte, nie angeschlossen lagen, um wo möglich das
andere Ufer zu erreichen und wenigstens der augenblicklichen Gefahr
des Gefangenwerdens zu entgehen.

Daß der Eigenthümer der Boote gewarnt war, wußte er, denn
er hatte das Pferd des Constables auf der Straße hinab galoppiren
hören; er hoffte aber ihn noch nicht vorbereitet zu finden und näherte
sich schnell den an der großen Fähre angehangenen Kähnen, dabei
gleichwohl das Ufer und den über ihn hinausragenden Damm scharf
im Auge behaltend, als er sich etwas hinter einem der Stämme be¬
wegen sah; — es war Gottlieb, der, um bequemer zu sitzen, in sei¬
nem Verstecke herumrutschte und dabei die Flinte hoch emporhielt,
damit sie nicht etwa von selber losgehen möchte. — Zu gleicher Zeit
vernahm er das Pfeifen des Deutschen auf der Straße und sah sich
augenblicklich entdeckt. Nur ein rascher Entschluß konnte ihn retten,
und seine Verfolger nicht mit Unrecht alle unterhalb der Boote
vermuthend, schlich er schnell und geräuschlos auf seiner Bahn fort,
ließ sich, von einer alten Baumwurzel bedeckt, leise in das Wasser
und bewegte sich langsam bis an die Boote hinan. Wohl sah er
ein, daß es nicht möglich gewesen wäre, unter diesen Verhältnissen
eins zu entführen, watete daher hinter ihnen hinauf bis zur Fähre,
Passirte diese ebenfalls und kroch nun gerade über diese an's Land.
Seine einzige Rettung lag jetzt darin, die ihn verbergenden Felder
und den Sumpf dahinter wieder zu erreichen, denn die Flucht über
den Strom war ihm abgeschnitten, er kauerte sich also hinter eine
dort am Ufer aufgesetzte halbe Klafter Holz nieder, strich mit den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/551>, abgerufen am 23.07.2024.