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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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Der erkaufte Henker.
, von Fr. Gerstckcker. Ein Lebensbild aus Amerika



Eben verkündete im' fernen Osten ein blasser Streifen am be¬
wölkten Firmamente den nahenden Tag, als ein einzelner Reiter auf
schäumendem Rosse an der Gartenthür des Ferry-Hotels in Pointe-
Coupve in Louijmna hielt und mit donnerndem Klopfen und lautem
Ruf die schläfrigen Bewohner zu erwecken versuchte.

Endlich öffnete sich die grüne, auf die Galerien führende Thür
des Hauses und der Wirth steckte den Kopf heraus.

-- Wer lärmt denn da vorn, als ob es Heller Mittag wäre,
rief er; glaubt Ihr, daß Leute, die um zwei Uhr zu Bette gehn, auch
um vier Uhr gewöhnlich wieder aufstehen?

-- Seid Ihr eS, Rehfer? frug der Reiter, indem er sich aus
dem Sattel schwang und den Zügel seines schnaubenden Thieres an
einem, durch die Latten ragenden kleinen Zweig befestigte. Macht
auf, schnell -- ich habe Eile und muß gleich wieder fort.

-- Wer zum Henker seid Ihr denn überhaupt? frug Rehfer
wieder, ohne die Thüre weiter aufzumachen, denn der Wind zog kalt
und unfreundlich aus dem Nordwesten hernieder; glaubt Ihr, ich
kenne die ganze Ansiedlung an der Stimme?

-- Nun, lachte der draußen; Ihr seid der Sache diesmal ziem¬
lich nahe gekommen, zum Henker gehöre ich auch mit und überhaupt
geht den Henker mein Besuch heute Morgen besonders an, denn
seinetwegen kam ich her, -- ich bin der Constable!

-- Oh, Bedford, Ihr seid's -- rief der Deutsche, nun wartet,
ich mache den Augenblick auf, will mir nur erst etwas überwerfen!


Grmjbotcn I84S. I. 69
Der erkaufte Henker.
, von Fr. Gerstckcker. Ein Lebensbild aus Amerika



Eben verkündete im' fernen Osten ein blasser Streifen am be¬
wölkten Firmamente den nahenden Tag, als ein einzelner Reiter auf
schäumendem Rosse an der Gartenthür des Ferry-Hotels in Pointe-
Coupve in Louijmna hielt und mit donnerndem Klopfen und lautem
Ruf die schläfrigen Bewohner zu erwecken versuchte.

Endlich öffnete sich die grüne, auf die Galerien führende Thür
des Hauses und der Wirth steckte den Kopf heraus.

— Wer lärmt denn da vorn, als ob es Heller Mittag wäre,
rief er; glaubt Ihr, daß Leute, die um zwei Uhr zu Bette gehn, auch
um vier Uhr gewöhnlich wieder aufstehen?

— Seid Ihr eS, Rehfer? frug der Reiter, indem er sich aus
dem Sattel schwang und den Zügel seines schnaubenden Thieres an
einem, durch die Latten ragenden kleinen Zweig befestigte. Macht
auf, schnell — ich habe Eile und muß gleich wieder fort.

— Wer zum Henker seid Ihr denn überhaupt? frug Rehfer
wieder, ohne die Thüre weiter aufzumachen, denn der Wind zog kalt
und unfreundlich aus dem Nordwesten hernieder; glaubt Ihr, ich
kenne die ganze Ansiedlung an der Stimme?

— Nun, lachte der draußen; Ihr seid der Sache diesmal ziem¬
lich nahe gekommen, zum Henker gehöre ich auch mit und überhaupt
geht den Henker mein Besuch heute Morgen besonders an, denn
seinetwegen kam ich her, — ich bin der Constable!

— Oh, Bedford, Ihr seid's — rief der Deutsche, nun wartet,
ich mache den Augenblick auf, will mir nur erst etwas überwerfen!


Grmjbotcn I84S. I. 69
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[0547] Der erkaufte Henker. , von Fr. Gerstckcker. Ein Lebensbild aus Amerika Eben verkündete im' fernen Osten ein blasser Streifen am be¬ wölkten Firmamente den nahenden Tag, als ein einzelner Reiter auf schäumendem Rosse an der Gartenthür des Ferry-Hotels in Pointe- Coupve in Louijmna hielt und mit donnerndem Klopfen und lautem Ruf die schläfrigen Bewohner zu erwecken versuchte. Endlich öffnete sich die grüne, auf die Galerien führende Thür des Hauses und der Wirth steckte den Kopf heraus. — Wer lärmt denn da vorn, als ob es Heller Mittag wäre, rief er; glaubt Ihr, daß Leute, die um zwei Uhr zu Bette gehn, auch um vier Uhr gewöhnlich wieder aufstehen? — Seid Ihr eS, Rehfer? frug der Reiter, indem er sich aus dem Sattel schwang und den Zügel seines schnaubenden Thieres an einem, durch die Latten ragenden kleinen Zweig befestigte. Macht auf, schnell — ich habe Eile und muß gleich wieder fort. — Wer zum Henker seid Ihr denn überhaupt? frug Rehfer wieder, ohne die Thüre weiter aufzumachen, denn der Wind zog kalt und unfreundlich aus dem Nordwesten hernieder; glaubt Ihr, ich kenne die ganze Ansiedlung an der Stimme? — Nun, lachte der draußen; Ihr seid der Sache diesmal ziem¬ lich nahe gekommen, zum Henker gehöre ich auch mit und überhaupt geht den Henker mein Besuch heute Morgen besonders an, denn seinetwegen kam ich her, — ich bin der Constable! — Oh, Bedford, Ihr seid's — rief der Deutsche, nun wartet, ich mache den Augenblick auf, will mir nur erst etwas überwerfen! Grmjbotcn I84S. I. 69

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/547>, abgerufen am 22.07.2024.