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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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Gebiete thätig und Autor einer ganzen Anzahl von Trauerspielen,
welche im höhern Knnststhle und mit wirklich literarischem Bewußt¬
sein geschrieben sind. Der Dichter hatte das Unglück oder Glück, nur
einem kleinen Kreise bekannt zu bleiben, und scheint freiwillig auf jede
bühnliche Darstellung seiner Glücke verzichtet zu haben. Wer eine wirk¬
liche Bühnencarriere machen will, dem muß man unter den gegen¬
wärtigen Verhältnissen empfehlen, sich dem Theater auf Gnade und
Ungnade zu überliefern und eben Nichts weiter sein zu wollen als
Bühnendichter von Profession. Das Schwanken zwischen Gott weiß
welchen poetischen Prätenstonen und den Anforderungen der Bühne
führt eben zu jenen vielfachen Enttäuschungen, welche auf die Dauer
aufreibend wirken müssen. Man mache sich nur klar über das, was
die jetzige Bühne ist und unter den gegenwärtigen Verhältnissen sein
kann. Als die Bühne wie zu Göthe's und Schiller's Zeit sich noch
im Naturzustande befand, war es unendlich leichter Eroberungen zu
machen als jetzt, wo es schon schwer fällt, das Errungene mit eini¬
gem Auslande zu behaupten. Wer sich aber nicht dazu verstehen will,
sich mit der Bühne auf gleichen Fuß zu setzen, der entsage ihr lieber
ganz und ziehe, wie Wcichselbaumer, vor, in stiller einsiedlerischer
Thätigkeit, ohne Rücksicht aus die Bühne und ihr Publicum, sich selbst
zu genügen.

Zu den hiesigen dramatischen Dichtern, die von einem wirklich
literarischen Streben erfüllt sind, gehört noch der Regierungsrath
Darenberger, der unter dem Namen Carl Fernau schreibt und der
eigentliche Herausgeber des schon ausgestatteten Taschenbuches "Cha-
ritas" ist. Sein "Münchner Hundert und Eins" muß ein sehr lie¬
benswürdiges Buch genannt werden. Von seinen dramatischen Dich¬
tungen sind mir zwei bekannt: "Beatme Cenci" und "Ulrich Schwarz",
beide als Mamiscnpt gedruckt. Fernau hat noch jüngst eine Tragödie
"Bianca Capello, die Tochter der Republik" gedichtet, die sich durch
Titel und Stoff den Zugang auf die Bühne versperrt hat, obgleich
sie, nach der Meinung Aller, die sie vorlesen hörten, sehr trefflich
durchgearbeitet sein soll. Ueberhaupt ist Fernau in der Ausarbeitung
immer sehr sauber, besonnen und sorgfältig.

Indem ich unter den mir vorliegenden, für die Bühne als Manu-
script gedruckten Stücken krame, fällt mir noch ein Drama von August
Heigel unter dem Titel "die Macht des Augenblicks" in die Hände;


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Gebiete thätig und Autor einer ganzen Anzahl von Trauerspielen,
welche im höhern Knnststhle und mit wirklich literarischem Bewußt¬
sein geschrieben sind. Der Dichter hatte das Unglück oder Glück, nur
einem kleinen Kreise bekannt zu bleiben, und scheint freiwillig auf jede
bühnliche Darstellung seiner Glücke verzichtet zu haben. Wer eine wirk¬
liche Bühnencarriere machen will, dem muß man unter den gegen¬
wärtigen Verhältnissen empfehlen, sich dem Theater auf Gnade und
Ungnade zu überliefern und eben Nichts weiter sein zu wollen als
Bühnendichter von Profession. Das Schwanken zwischen Gott weiß
welchen poetischen Prätenstonen und den Anforderungen der Bühne
führt eben zu jenen vielfachen Enttäuschungen, welche auf die Dauer
aufreibend wirken müssen. Man mache sich nur klar über das, was
die jetzige Bühne ist und unter den gegenwärtigen Verhältnissen sein
kann. Als die Bühne wie zu Göthe's und Schiller's Zeit sich noch
im Naturzustande befand, war es unendlich leichter Eroberungen zu
machen als jetzt, wo es schon schwer fällt, das Errungene mit eini¬
gem Auslande zu behaupten. Wer sich aber nicht dazu verstehen will,
sich mit der Bühne auf gleichen Fuß zu setzen, der entsage ihr lieber
ganz und ziehe, wie Wcichselbaumer, vor, in stiller einsiedlerischer
Thätigkeit, ohne Rücksicht aus die Bühne und ihr Publicum, sich selbst
zu genügen.

Zu den hiesigen dramatischen Dichtern, die von einem wirklich
literarischen Streben erfüllt sind, gehört noch der Regierungsrath
Darenberger, der unter dem Namen Carl Fernau schreibt und der
eigentliche Herausgeber des schon ausgestatteten Taschenbuches „Cha-
ritas" ist. Sein „Münchner Hundert und Eins" muß ein sehr lie¬
benswürdiges Buch genannt werden. Von seinen dramatischen Dich¬
tungen sind mir zwei bekannt: „Beatme Cenci" und „Ulrich Schwarz",
beide als Mamiscnpt gedruckt. Fernau hat noch jüngst eine Tragödie
„Bianca Capello, die Tochter der Republik" gedichtet, die sich durch
Titel und Stoff den Zugang auf die Bühne versperrt hat, obgleich
sie, nach der Meinung Aller, die sie vorlesen hörten, sehr trefflich
durchgearbeitet sein soll. Ueberhaupt ist Fernau in der Ausarbeitung
immer sehr sauber, besonnen und sorgfältig.

Indem ich unter den mir vorliegenden, für die Bühne als Manu-
script gedruckten Stücken krame, fällt mir noch ein Drama von August
Heigel unter dem Titel „die Macht des Augenblicks" in die Hände;


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[0531] Gebiete thätig und Autor einer ganzen Anzahl von Trauerspielen, welche im höhern Knnststhle und mit wirklich literarischem Bewußt¬ sein geschrieben sind. Der Dichter hatte das Unglück oder Glück, nur einem kleinen Kreise bekannt zu bleiben, und scheint freiwillig auf jede bühnliche Darstellung seiner Glücke verzichtet zu haben. Wer eine wirk¬ liche Bühnencarriere machen will, dem muß man unter den gegen¬ wärtigen Verhältnissen empfehlen, sich dem Theater auf Gnade und Ungnade zu überliefern und eben Nichts weiter sein zu wollen als Bühnendichter von Profession. Das Schwanken zwischen Gott weiß welchen poetischen Prätenstonen und den Anforderungen der Bühne führt eben zu jenen vielfachen Enttäuschungen, welche auf die Dauer aufreibend wirken müssen. Man mache sich nur klar über das, was die jetzige Bühne ist und unter den gegenwärtigen Verhältnissen sein kann. Als die Bühne wie zu Göthe's und Schiller's Zeit sich noch im Naturzustande befand, war es unendlich leichter Eroberungen zu machen als jetzt, wo es schon schwer fällt, das Errungene mit eini¬ gem Auslande zu behaupten. Wer sich aber nicht dazu verstehen will, sich mit der Bühne auf gleichen Fuß zu setzen, der entsage ihr lieber ganz und ziehe, wie Wcichselbaumer, vor, in stiller einsiedlerischer Thätigkeit, ohne Rücksicht aus die Bühne und ihr Publicum, sich selbst zu genügen. Zu den hiesigen dramatischen Dichtern, die von einem wirklich literarischen Streben erfüllt sind, gehört noch der Regierungsrath Darenberger, der unter dem Namen Carl Fernau schreibt und der eigentliche Herausgeber des schon ausgestatteten Taschenbuches „Cha- ritas" ist. Sein „Münchner Hundert und Eins" muß ein sehr lie¬ benswürdiges Buch genannt werden. Von seinen dramatischen Dich¬ tungen sind mir zwei bekannt: „Beatme Cenci" und „Ulrich Schwarz", beide als Mamiscnpt gedruckt. Fernau hat noch jüngst eine Tragödie „Bianca Capello, die Tochter der Republik" gedichtet, die sich durch Titel und Stoff den Zugang auf die Bühne versperrt hat, obgleich sie, nach der Meinung Aller, die sie vorlesen hörten, sehr trefflich durchgearbeitet sein soll. Ueberhaupt ist Fernau in der Ausarbeitung immer sehr sauber, besonnen und sorgfältig. Indem ich unter den mir vorliegenden, für die Bühne als Manu- script gedruckten Stücken krame, fällt mir noch ein Drama von August Heigel unter dem Titel „die Macht des Augenblicks" in die Hände; Grcnzbvtc» t«4S. I. ß7

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/531>, abgerufen am 22.07.2024.