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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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Der "Localverein zum Wohle der arbeitenden Classen" sollte am
vorigen Freitag wieder eine öffentliche Versammlung haben, um das
Statut zu berathen, mit dessen Entwerfung ein proviforisches Comite
beauftragt worden. Dasselbe hat jedoch in den Zeitungen bekannt ge¬
macht, daß es mit seiner Arbeit noch nicht zu Stande gekommen und
diese vor der nächsten anzuberaumenden Versammlung den Mitgliedern
gedruckt in's Haus senden werde. Wie wir vernehmen, hat sich im
lSchooße des Comites ein Zwiespalt darüber erhoben, ob dem Vor¬
stande des neuen Vereines absolute Gewalt beizulegen sei oder ob er
in Bezug auf alle Gegenstände, über welche der ihm zur Seite ste¬
hende Ausschuß verschiedener Meinung mit ihm ist, mit diesem zu¬
sammentrete und gemeinschaftlich mit ihm durch einfache Stimmen¬
mehrheit den Ausschlag geben lasse. Es scheint die Besorgnis; vvrzu-
herrschen, daß durch den letztgedachten Modus ein zu demokratisches-
Element in die Verwaltung des Localvereins komme, der überdies seine
Comitien in den verschiedenen Distrikten der Stadt besitzen soll, welche
ebenfalls Beschlüsse zu fassen und diese dem Central-Ausschuß und
Vorstand vorzulegen haben. Deshalb suchen auch die bei dem provi¬
sorischen Comite befindlichen Bürger, die das Terrain genauer als die
anderen zu kennen glauben, in den Entwurf so viele Bestimmungen
als möglich zu bringen, um die Einheit der Verwaltung in dem Vor¬
stande des Localvereins zu centralisiren. Auch wird versichert, daß
schon dasjenige, was in der hiesigen Vossischen Zeitung auf nicht sehr
geschickte Weise von einem Mitgliede des provisorischen Comites über
die erste Versammlung des Localvereins veröffentlicht wurde, Bemer¬
kungen veranlaßt habe, die von auswärtigen Regierungen, namentlich
aus dem südöstlichen Deutschland, über die mögliche Tendenz des-
Localvereins hier eingegangen sein sollen.

Je öfter nun die neue Oper: Ein Feldlager in Schlesien, gegeben
worden, um so schlagender ist die undramatische Behandlung des Textes
hervorgetreten, wie denn auch bereits ganz bedeutende Kürzungen des¬
selben vorgenommen worden, ohne daß die Lange und Breite der nur
durch die Musik erträglich gemachten Handlung vermindert erscheint.
Wir vernehmen übrigens, daß Ludwig Tieck dagegen protestirt, irgend
"inen Antheil an dem ausgeführten Texte zu haben. Nur im Allge-
ucinen hatte er sich über die von dem Dichter desselben zu befolgenden
Atem mit Herrn Rellstab besprochen, der seinerseits auf diese allge¬
meinen Ansichten zwar vollkommen eingegangen, aber es nicht für


tung des Hochverra'thcrs merkwürdig geheimnisivoll veranstaltet worden sein.
Wir können den Grund davon nicht einsehen. Als ob die preußische Regierung
etwas zu fürchten, oder irgend eine Rücksicht zu nehmen hätte! Wer best'-ei-
tel ihr oder dem König das Recht, ein gesetzlich gefälltes Urtheil vollstrecken,
oder nach dem Beispiele von Frankreich, England, Oesterreich, Würtemberg :c.
Gnade für Recht ergehen zu lasse" ? Und warum soll man nicht davon sprechen?

Der „Localverein zum Wohle der arbeitenden Classen" sollte am
vorigen Freitag wieder eine öffentliche Versammlung haben, um das
Statut zu berathen, mit dessen Entwerfung ein proviforisches Comite
beauftragt worden. Dasselbe hat jedoch in den Zeitungen bekannt ge¬
macht, daß es mit seiner Arbeit noch nicht zu Stande gekommen und
diese vor der nächsten anzuberaumenden Versammlung den Mitgliedern
gedruckt in's Haus senden werde. Wie wir vernehmen, hat sich im
lSchooße des Comites ein Zwiespalt darüber erhoben, ob dem Vor¬
stande des neuen Vereines absolute Gewalt beizulegen sei oder ob er
in Bezug auf alle Gegenstände, über welche der ihm zur Seite ste¬
hende Ausschuß verschiedener Meinung mit ihm ist, mit diesem zu¬
sammentrete und gemeinschaftlich mit ihm durch einfache Stimmen¬
mehrheit den Ausschlag geben lasse. Es scheint die Besorgnis; vvrzu-
herrschen, daß durch den letztgedachten Modus ein zu demokratisches-
Element in die Verwaltung des Localvereins komme, der überdies seine
Comitien in den verschiedenen Distrikten der Stadt besitzen soll, welche
ebenfalls Beschlüsse zu fassen und diese dem Central-Ausschuß und
Vorstand vorzulegen haben. Deshalb suchen auch die bei dem provi¬
sorischen Comite befindlichen Bürger, die das Terrain genauer als die
anderen zu kennen glauben, in den Entwurf so viele Bestimmungen
als möglich zu bringen, um die Einheit der Verwaltung in dem Vor¬
stande des Localvereins zu centralisiren. Auch wird versichert, daß
schon dasjenige, was in der hiesigen Vossischen Zeitung auf nicht sehr
geschickte Weise von einem Mitgliede des provisorischen Comites über
die erste Versammlung des Localvereins veröffentlicht wurde, Bemer¬
kungen veranlaßt habe, die von auswärtigen Regierungen, namentlich
aus dem südöstlichen Deutschland, über die mögliche Tendenz des-
Localvereins hier eingegangen sein sollen.

Je öfter nun die neue Oper: Ein Feldlager in Schlesien, gegeben
worden, um so schlagender ist die undramatische Behandlung des Textes
hervorgetreten, wie denn auch bereits ganz bedeutende Kürzungen des¬
selben vorgenommen worden, ohne daß die Lange und Breite der nur
durch die Musik erträglich gemachten Handlung vermindert erscheint.
Wir vernehmen übrigens, daß Ludwig Tieck dagegen protestirt, irgend
»inen Antheil an dem ausgeführten Texte zu haben. Nur im Allge-
ucinen hatte er sich über die von dem Dichter desselben zu befolgenden
Atem mit Herrn Rellstab besprochen, der seinerseits auf diese allge¬
meinen Ansichten zwar vollkommen eingegangen, aber es nicht für


tung des Hochverra'thcrs merkwürdig geheimnisivoll veranstaltet worden sein.
Wir können den Grund davon nicht einsehen. Als ob die preußische Regierung
etwas zu fürchten, oder irgend eine Rücksicht zu nehmen hätte! Wer best'-ei-
tel ihr oder dem König das Recht, ein gesetzlich gefälltes Urtheil vollstrecken,
oder nach dem Beispiele von Frankreich, England, Oesterreich, Würtemberg :c.
Gnade für Recht ergehen zu lasse» ? Und warum soll man nicht davon sprechen?
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/50>, abgerufen am 22.07.2024.