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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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nämlich die in deutschen und französischen Blattern vielfach besprochene
Nachricht von der angeblichen Absicht des Königs von Preußen, seinem
Volke eine reichsständische Verfassung zu verleihen. Männer von Ein¬
sicht und Stellung lächeln über die parlamentarischen Visionäre, welche
Preußen bereits mit einer modernen Constitution beglückt und Herrn
von Bülow-Cummcrow als k. Finanzminister der Opposition in der
zweiten Kammer entgegentreten sehen, aber sie finden es vollkommen
wahrscheinlich, daß die bisherigen Provinzialstände eine Centralisirung
erhalten werden, welche kräftiger und freier sich bewegen kann, als die
seltsam gefesselten Ausschüsse, die eben nur eine angedeutete Idee wa¬
ren, die jetzt in's Leben und in volle Wirksamkeit treten soll. Der
ganze Zeitungslärm dürfte darauf ausmünden, daß die Ausschüsse re¬
gelmäßig constituirt und mit einer Geschäftsordnung ausgerüstet wer¬
den, die ihnen gestattet, einen Verctthungsgang einzuhalten, wie ihn
die ihnen zur Basis dienenden Provinziallandtage besitzen. Wer mehr
erwartet, täuscht sich sicher und besonders komisch sind die Motive,
welche von dem National dem preußischen Monarchen untergeschoben
werden, der von allerlei drohenden Zeichen erschreckt und von zahllosen
Verbindungen gedrängt, zu der Verleihung einer Constitution wie zu
einem Rettungsanker greisen müsse. Genug, Staatsmänner wissen von
alle dem kein Wort, sondern erblicken in dieser Einrichtung Nichts
als einen klugen Ausweg, der Fesseln ledig zu werden, welche das
königliche Versprechen vom 22. Mai 1815 der Regierung anlegte und
die bei der mahnenden Nothwendigkeit eines Urlebens zum Bau von
Staatsbahnen u. tgi. immer lästiger werden. Hat man einmal die
Ausschüsse regulirt und damit eine Quasi-Stände-Einheit geschaffen,
so wird die hemmende Cabinetsordre als erfüllt bei Seite geschoben
und man hat es dann mit loyalen Volksvertretern zu thun, deren
moralisches Gewicht man benutzen kann, und auf der andern Seite
wird schon gesorgt sein, daß die Bäume nicht bis in den Himmel
wachsen.

Die reuige Zerknirschung der Frankfurter Oberpostamtszeitung er¬
scheint hier als eine der traurigsten Erfahrungen auf dem Felde deut¬
scher Journalistik; daß es Blätter geben muß, welche mit nach Oben
gerichteten Augen redigirr werden und jedes Zwinkern der Machthaber
als Befehl vollstrecken, finde ich ganz in der Ordnung, denn warum
sollte es gerade in der Journalwclt keine Livree geben? allein daß es
charakterlose Blatter geben müsse, Blatter, welche den Herrn spielen
und ihrem Brodgeber heimlich zuwispern: Heute kann ich nicht servi-
ren, aber Morgen bestimmt, daß es solche Blätter geben müsse, das
sehe ich durchaus nicht ein. Da lobe ich mir den Janus von Huber,
denn er sagt uns gleich von vornherein, daß er von Vernunft Nichts
wissen wolle und einzig darauf ausgehe, den Unsinn zu conserviren;
und wie aufrichtig ist nicht die Preußische Allgemeine Zeitung, wer


Mrcnzlwt-n, I. 62

nämlich die in deutschen und französischen Blattern vielfach besprochene
Nachricht von der angeblichen Absicht des Königs von Preußen, seinem
Volke eine reichsständische Verfassung zu verleihen. Männer von Ein¬
sicht und Stellung lächeln über die parlamentarischen Visionäre, welche
Preußen bereits mit einer modernen Constitution beglückt und Herrn
von Bülow-Cummcrow als k. Finanzminister der Opposition in der
zweiten Kammer entgegentreten sehen, aber sie finden es vollkommen
wahrscheinlich, daß die bisherigen Provinzialstände eine Centralisirung
erhalten werden, welche kräftiger und freier sich bewegen kann, als die
seltsam gefesselten Ausschüsse, die eben nur eine angedeutete Idee wa¬
ren, die jetzt in's Leben und in volle Wirksamkeit treten soll. Der
ganze Zeitungslärm dürfte darauf ausmünden, daß die Ausschüsse re¬
gelmäßig constituirt und mit einer Geschäftsordnung ausgerüstet wer¬
den, die ihnen gestattet, einen Verctthungsgang einzuhalten, wie ihn
die ihnen zur Basis dienenden Provinziallandtage besitzen. Wer mehr
erwartet, täuscht sich sicher und besonders komisch sind die Motive,
welche von dem National dem preußischen Monarchen untergeschoben
werden, der von allerlei drohenden Zeichen erschreckt und von zahllosen
Verbindungen gedrängt, zu der Verleihung einer Constitution wie zu
einem Rettungsanker greisen müsse. Genug, Staatsmänner wissen von
alle dem kein Wort, sondern erblicken in dieser Einrichtung Nichts
als einen klugen Ausweg, der Fesseln ledig zu werden, welche das
königliche Versprechen vom 22. Mai 1815 der Regierung anlegte und
die bei der mahnenden Nothwendigkeit eines Urlebens zum Bau von
Staatsbahnen u. tgi. immer lästiger werden. Hat man einmal die
Ausschüsse regulirt und damit eine Quasi-Stände-Einheit geschaffen,
so wird die hemmende Cabinetsordre als erfüllt bei Seite geschoben
und man hat es dann mit loyalen Volksvertretern zu thun, deren
moralisches Gewicht man benutzen kann, und auf der andern Seite
wird schon gesorgt sein, daß die Bäume nicht bis in den Himmel
wachsen.

Die reuige Zerknirschung der Frankfurter Oberpostamtszeitung er¬
scheint hier als eine der traurigsten Erfahrungen auf dem Felde deut¬
scher Journalistik; daß es Blätter geben muß, welche mit nach Oben
gerichteten Augen redigirr werden und jedes Zwinkern der Machthaber
als Befehl vollstrecken, finde ich ganz in der Ordnung, denn warum
sollte es gerade in der Journalwclt keine Livree geben? allein daß es
charakterlose Blatter geben müsse, Blatter, welche den Herrn spielen
und ihrem Brodgeber heimlich zuwispern: Heute kann ich nicht servi-
ren, aber Morgen bestimmt, daß es solche Blätter geben müsse, das
sehe ich durchaus nicht ein. Da lobe ich mir den Janus von Huber,
denn er sagt uns gleich von vornherein, daß er von Vernunft Nichts
wissen wolle und einzig darauf ausgehe, den Unsinn zu conserviren;
und wie aufrichtig ist nicht die Preußische Allgemeine Zeitung, wer


Mrcnzlwt-n, I. 62
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[0491] nämlich die in deutschen und französischen Blattern vielfach besprochene Nachricht von der angeblichen Absicht des Königs von Preußen, seinem Volke eine reichsständische Verfassung zu verleihen. Männer von Ein¬ sicht und Stellung lächeln über die parlamentarischen Visionäre, welche Preußen bereits mit einer modernen Constitution beglückt und Herrn von Bülow-Cummcrow als k. Finanzminister der Opposition in der zweiten Kammer entgegentreten sehen, aber sie finden es vollkommen wahrscheinlich, daß die bisherigen Provinzialstände eine Centralisirung erhalten werden, welche kräftiger und freier sich bewegen kann, als die seltsam gefesselten Ausschüsse, die eben nur eine angedeutete Idee wa¬ ren, die jetzt in's Leben und in volle Wirksamkeit treten soll. Der ganze Zeitungslärm dürfte darauf ausmünden, daß die Ausschüsse re¬ gelmäßig constituirt und mit einer Geschäftsordnung ausgerüstet wer¬ den, die ihnen gestattet, einen Verctthungsgang einzuhalten, wie ihn die ihnen zur Basis dienenden Provinziallandtage besitzen. Wer mehr erwartet, täuscht sich sicher und besonders komisch sind die Motive, welche von dem National dem preußischen Monarchen untergeschoben werden, der von allerlei drohenden Zeichen erschreckt und von zahllosen Verbindungen gedrängt, zu der Verleihung einer Constitution wie zu einem Rettungsanker greisen müsse. Genug, Staatsmänner wissen von alle dem kein Wort, sondern erblicken in dieser Einrichtung Nichts als einen klugen Ausweg, der Fesseln ledig zu werden, welche das königliche Versprechen vom 22. Mai 1815 der Regierung anlegte und die bei der mahnenden Nothwendigkeit eines Urlebens zum Bau von Staatsbahnen u. tgi. immer lästiger werden. Hat man einmal die Ausschüsse regulirt und damit eine Quasi-Stände-Einheit geschaffen, so wird die hemmende Cabinetsordre als erfüllt bei Seite geschoben und man hat es dann mit loyalen Volksvertretern zu thun, deren moralisches Gewicht man benutzen kann, und auf der andern Seite wird schon gesorgt sein, daß die Bäume nicht bis in den Himmel wachsen. Die reuige Zerknirschung der Frankfurter Oberpostamtszeitung er¬ scheint hier als eine der traurigsten Erfahrungen auf dem Felde deut¬ scher Journalistik; daß es Blätter geben muß, welche mit nach Oben gerichteten Augen redigirr werden und jedes Zwinkern der Machthaber als Befehl vollstrecken, finde ich ganz in der Ordnung, denn warum sollte es gerade in der Journalwclt keine Livree geben? allein daß es charakterlose Blatter geben müsse, Blatter, welche den Herrn spielen und ihrem Brodgeber heimlich zuwispern: Heute kann ich nicht servi- ren, aber Morgen bestimmt, daß es solche Blätter geben müsse, das sehe ich durchaus nicht ein. Da lobe ich mir den Janus von Huber, denn er sagt uns gleich von vornherein, daß er von Vernunft Nichts wissen wolle und einzig darauf ausgehe, den Unsinn zu conserviren; und wie aufrichtig ist nicht die Preußische Allgemeine Zeitung, wer Mrcnzlwt-n, I. 62

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/491>, abgerufen am 22.07.2024.