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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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Anhängsel der Linientruppen, gekleidet wie diese und kann auch mitten
im Frieden jahrelang unter der Fahne versammelt bleiben. Die nütz¬
lichste Seite der beregten Reform dürfte wohl der verbesserte Austand
der Unteroffiziere sein, von denen nur wenige zum Lieutenant vor¬
rücken, und auf welchen gleichwohl die schwerste Last des Dienstes
ruht; in Preußen hat man dieses Verhältniß des Unteroffiziers zur
Hecrbildung längst berücksichtigt und ihm die besten Aussichten für seine
alten Tage eröffnet, indem ihnl nach zwölfjähriger Dienstzeit alle Un¬
terbeamtenstellen beim Mauthweftn und andern Behörden zugänglich
sind, während in Oesterreich der alte Unteroffizier niemals Beamter
wird, sondern sich mit der Stelle eines Bureaudieners begnügen muß
und selbst diese Stellen blos als Gnade und nicht als Recht verliehen
werden. Der Unteroffizier ist der Lehrer und Erzieher des Soldaten
und wenn er schon nicht durch Beförderung zum Offizier belohnt wer¬
den kann, so dürste ihm doch dafür eine andere Belohnung gebühren,
als ein karger Jnvalidengehalt von zehn Kreuzer täglich. Dieses Ziel
wird nunmehr durch die beschlossene Herabsetzung der Dienstzeit ohne
Belastung der Staatskasse zur Zufriedenheit aller Betheiligten erreicht,
weil die Kürze dieser Frist einem wackern Mann, der sich dem Sol¬
datenstande widmen will und es doch nicht aus Mangel an Befähi¬
gung zum Lieutenant bringen kann, in den Stand setzt, sich viermal
für einen Andern zu stellen, der keine Lust zum Kriegshandwerk hat,
wodurch ihm denn, da er jedesmal vier bis fünfhundert Gulden für
seine Vertretung erhält, am Schlüsse ein Capital von zweitaufend
Gulden zufließt, ohne die Zinsen desselben in Anschlag zu bringen.
'Auch das kann als ein bedeutender Vortheil kürzerer Dienstzeit ange¬
sehen werden, daß die Zahl jener Unterthanen, die einmal die Waffen
geführt^ ansehnlich größer wird und dadurch ein freierer, vielseitigerer
Geist in das Volk fährt, das sonst im engen Dorfleben nur gar zu
gern verknöchert, während das Soldatenleben in einer fo länderreichen
Monarchie die Leute durcheinanderschüttelt und ihren Gesichtskreis er¬
weitert. Es kann gar nicht schaden, wenn der Michel nicht zeitlebens
bei der Grethel hinter dem Ofen sitzt und den Schulmeister für einen
Plato ansieht. Der Trommelmarsch dämpft die Sentimentalität und
das ist schon etwas werth, denn alles in der Welt soll eine Nation
sein, nur nicht sentimental.

Der neuePolizeidirector Hofrath Muth hat sich früher inBrünn und
Prag als ein Beamter von strengem Pflichteifer bewährt, der sich stets
zu energischen Entschlüssen hinneigt. In Prag zumal hat derselbe im
Verein mit dem kommandirenden General von Böhmen, dem Fürsten
Windischgrätz, der gleichfalls versetzt werden soll, in der Arbeiteremcute
die Mittel der militärischen Gewalt in Anwendung gebracht wissen
wollen, während der Bürgermeister Müller und der Erzherzog Stephan
den Weg der Milde vorzogen. Ueberhaupt vernahm man in der Folge


Anhängsel der Linientruppen, gekleidet wie diese und kann auch mitten
im Frieden jahrelang unter der Fahne versammelt bleiben. Die nütz¬
lichste Seite der beregten Reform dürfte wohl der verbesserte Austand
der Unteroffiziere sein, von denen nur wenige zum Lieutenant vor¬
rücken, und auf welchen gleichwohl die schwerste Last des Dienstes
ruht; in Preußen hat man dieses Verhältniß des Unteroffiziers zur
Hecrbildung längst berücksichtigt und ihm die besten Aussichten für seine
alten Tage eröffnet, indem ihnl nach zwölfjähriger Dienstzeit alle Un¬
terbeamtenstellen beim Mauthweftn und andern Behörden zugänglich
sind, während in Oesterreich der alte Unteroffizier niemals Beamter
wird, sondern sich mit der Stelle eines Bureaudieners begnügen muß
und selbst diese Stellen blos als Gnade und nicht als Recht verliehen
werden. Der Unteroffizier ist der Lehrer und Erzieher des Soldaten
und wenn er schon nicht durch Beförderung zum Offizier belohnt wer¬
den kann, so dürste ihm doch dafür eine andere Belohnung gebühren,
als ein karger Jnvalidengehalt von zehn Kreuzer täglich. Dieses Ziel
wird nunmehr durch die beschlossene Herabsetzung der Dienstzeit ohne
Belastung der Staatskasse zur Zufriedenheit aller Betheiligten erreicht,
weil die Kürze dieser Frist einem wackern Mann, der sich dem Sol¬
datenstande widmen will und es doch nicht aus Mangel an Befähi¬
gung zum Lieutenant bringen kann, in den Stand setzt, sich viermal
für einen Andern zu stellen, der keine Lust zum Kriegshandwerk hat,
wodurch ihm denn, da er jedesmal vier bis fünfhundert Gulden für
seine Vertretung erhält, am Schlüsse ein Capital von zweitaufend
Gulden zufließt, ohne die Zinsen desselben in Anschlag zu bringen.
'Auch das kann als ein bedeutender Vortheil kürzerer Dienstzeit ange¬
sehen werden, daß die Zahl jener Unterthanen, die einmal die Waffen
geführt^ ansehnlich größer wird und dadurch ein freierer, vielseitigerer
Geist in das Volk fährt, das sonst im engen Dorfleben nur gar zu
gern verknöchert, während das Soldatenleben in einer fo länderreichen
Monarchie die Leute durcheinanderschüttelt und ihren Gesichtskreis er¬
weitert. Es kann gar nicht schaden, wenn der Michel nicht zeitlebens
bei der Grethel hinter dem Ofen sitzt und den Schulmeister für einen
Plato ansieht. Der Trommelmarsch dämpft die Sentimentalität und
das ist schon etwas werth, denn alles in der Welt soll eine Nation
sein, nur nicht sentimental.

Der neuePolizeidirector Hofrath Muth hat sich früher inBrünn und
Prag als ein Beamter von strengem Pflichteifer bewährt, der sich stets
zu energischen Entschlüssen hinneigt. In Prag zumal hat derselbe im
Verein mit dem kommandirenden General von Böhmen, dem Fürsten
Windischgrätz, der gleichfalls versetzt werden soll, in der Arbeiteremcute
die Mittel der militärischen Gewalt in Anwendung gebracht wissen
wollen, während der Bürgermeister Müller und der Erzherzog Stephan
den Weg der Milde vorzogen. Ueberhaupt vernahm man in der Folge


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[0486] Anhängsel der Linientruppen, gekleidet wie diese und kann auch mitten im Frieden jahrelang unter der Fahne versammelt bleiben. Die nütz¬ lichste Seite der beregten Reform dürfte wohl der verbesserte Austand der Unteroffiziere sein, von denen nur wenige zum Lieutenant vor¬ rücken, und auf welchen gleichwohl die schwerste Last des Dienstes ruht; in Preußen hat man dieses Verhältniß des Unteroffiziers zur Hecrbildung längst berücksichtigt und ihm die besten Aussichten für seine alten Tage eröffnet, indem ihnl nach zwölfjähriger Dienstzeit alle Un¬ terbeamtenstellen beim Mauthweftn und andern Behörden zugänglich sind, während in Oesterreich der alte Unteroffizier niemals Beamter wird, sondern sich mit der Stelle eines Bureaudieners begnügen muß und selbst diese Stellen blos als Gnade und nicht als Recht verliehen werden. Der Unteroffizier ist der Lehrer und Erzieher des Soldaten und wenn er schon nicht durch Beförderung zum Offizier belohnt wer¬ den kann, so dürste ihm doch dafür eine andere Belohnung gebühren, als ein karger Jnvalidengehalt von zehn Kreuzer täglich. Dieses Ziel wird nunmehr durch die beschlossene Herabsetzung der Dienstzeit ohne Belastung der Staatskasse zur Zufriedenheit aller Betheiligten erreicht, weil die Kürze dieser Frist einem wackern Mann, der sich dem Sol¬ datenstande widmen will und es doch nicht aus Mangel an Befähi¬ gung zum Lieutenant bringen kann, in den Stand setzt, sich viermal für einen Andern zu stellen, der keine Lust zum Kriegshandwerk hat, wodurch ihm denn, da er jedesmal vier bis fünfhundert Gulden für seine Vertretung erhält, am Schlüsse ein Capital von zweitaufend Gulden zufließt, ohne die Zinsen desselben in Anschlag zu bringen. 'Auch das kann als ein bedeutender Vortheil kürzerer Dienstzeit ange¬ sehen werden, daß die Zahl jener Unterthanen, die einmal die Waffen geführt^ ansehnlich größer wird und dadurch ein freierer, vielseitigerer Geist in das Volk fährt, das sonst im engen Dorfleben nur gar zu gern verknöchert, während das Soldatenleben in einer fo länderreichen Monarchie die Leute durcheinanderschüttelt und ihren Gesichtskreis er¬ weitert. Es kann gar nicht schaden, wenn der Michel nicht zeitlebens bei der Grethel hinter dem Ofen sitzt und den Schulmeister für einen Plato ansieht. Der Trommelmarsch dämpft die Sentimentalität und das ist schon etwas werth, denn alles in der Welt soll eine Nation sein, nur nicht sentimental. Der neuePolizeidirector Hofrath Muth hat sich früher inBrünn und Prag als ein Beamter von strengem Pflichteifer bewährt, der sich stets zu energischen Entschlüssen hinneigt. In Prag zumal hat derselbe im Verein mit dem kommandirenden General von Böhmen, dem Fürsten Windischgrätz, der gleichfalls versetzt werden soll, in der Arbeiteremcute die Mittel der militärischen Gewalt in Anwendung gebracht wissen wollen, während der Bürgermeister Müller und der Erzherzog Stephan den Weg der Milde vorzogen. Ueberhaupt vernahm man in der Folge

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/486>, abgerufen am 22.07.2024.