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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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Aus Wie ".
I.

Reduction der Militärdienstzcit; die Landwehr; Stellung der UnterofsizitN'.
-- Hofrath Muth. -- Die Polizei und die PragerHerbstvorMe v.J. 1844. --

Die große Neuigkeit des Tages ist jetzt die Nachricht von der
Reduction der Militärdienstzeit von vierzehn auf acht Jahre, bei der
ganzen österreichischen Armee, welche unter allen Klassen der Bevölke¬
rung die lebhafteste Sensation erregt, denn es laßt sich nicht läugnen,
daß die Heerverfassung den Ansprüchen der Zeit und den Bedürfnissen der
Nation nicht mehr genügen will und Reformen fordert, die über den
Schnitt der Hosen, die Gestalt der Kopfbedeckung und die Vereinfa¬
chung der Commandowörter hinausgehen. Die Verminderung der Dienst¬
zeit auf die erwähnte Zahl von Jahren hätte schon früher eintreten
können, indem uns in dieser Beziehung selbst Russen und Tücken be¬
reits vorangegangen sind, wo eine zehnjährige Capitulation festgestellt
worden. Doch wie wir hören, soll an der Verzögerung dieser Ma߬
regel lediglich das Bedenken Schuld gewesen sein, daß vor zwei Jah¬
ren, wo die Sache bereits im Kabinet des Kaisers entschieden war, die
Rekruten von 1830, welche wegen der damaligen Kriegsrüstungen gegen
Frankreich sehr zahlreich waren, und mit ihnen alle jene Soldaten, die
ihr achtes Dienstjahr vollendet hatten, mit einem Male aus den Reihen
des Heeres ausgeschieden und dadurch die Streitmacht für den Augen¬
blick numerisch und intensiv geschwächt worden wäre. So lange indeß
die Normalien für die in den deutschen Erbländer bestehende Landwehr
fortgelten, so lange ist die Ermäßigung der Militärdienstzcit fast nur
illusorisch, weil der ausgediente Soldat in bestimmten Fällen wieder
zur Landwehr einberufen werden kann und oft abermals acht Jahre
dienen muß. Die Landwehr ist bei uns keine eigentliche Volksbe¬
waffnung, die zur Zeit der Gefahr in's Leben tritt, fondern ein bloßes


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Aus Wie «.
I.

Reduction der Militärdienstzcit; die Landwehr; Stellung der UnterofsizitN'.
— Hofrath Muth. — Die Polizei und die PragerHerbstvorMe v.J. 1844. —

Die große Neuigkeit des Tages ist jetzt die Nachricht von der
Reduction der Militärdienstzeit von vierzehn auf acht Jahre, bei der
ganzen österreichischen Armee, welche unter allen Klassen der Bevölke¬
rung die lebhafteste Sensation erregt, denn es laßt sich nicht läugnen,
daß die Heerverfassung den Ansprüchen der Zeit und den Bedürfnissen der
Nation nicht mehr genügen will und Reformen fordert, die über den
Schnitt der Hosen, die Gestalt der Kopfbedeckung und die Vereinfa¬
chung der Commandowörter hinausgehen. Die Verminderung der Dienst¬
zeit auf die erwähnte Zahl von Jahren hätte schon früher eintreten
können, indem uns in dieser Beziehung selbst Russen und Tücken be¬
reits vorangegangen sind, wo eine zehnjährige Capitulation festgestellt
worden. Doch wie wir hören, soll an der Verzögerung dieser Ma߬
regel lediglich das Bedenken Schuld gewesen sein, daß vor zwei Jah¬
ren, wo die Sache bereits im Kabinet des Kaisers entschieden war, die
Rekruten von 1830, welche wegen der damaligen Kriegsrüstungen gegen
Frankreich sehr zahlreich waren, und mit ihnen alle jene Soldaten, die
ihr achtes Dienstjahr vollendet hatten, mit einem Male aus den Reihen
des Heeres ausgeschieden und dadurch die Streitmacht für den Augen¬
blick numerisch und intensiv geschwächt worden wäre. So lange indeß
die Normalien für die in den deutschen Erbländer bestehende Landwehr
fortgelten, so lange ist die Ermäßigung der Militärdienstzcit fast nur
illusorisch, weil der ausgediente Soldat in bestimmten Fällen wieder
zur Landwehr einberufen werden kann und oft abermals acht Jahre
dienen muß. Die Landwehr ist bei uns keine eigentliche Volksbe¬
waffnung, die zur Zeit der Gefahr in's Leben tritt, fondern ein bloßes


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[0485] T a g e b u eh. i. Aus Wie «. I. Reduction der Militärdienstzcit; die Landwehr; Stellung der UnterofsizitN'. — Hofrath Muth. — Die Polizei und die PragerHerbstvorMe v.J. 1844. — Die große Neuigkeit des Tages ist jetzt die Nachricht von der Reduction der Militärdienstzeit von vierzehn auf acht Jahre, bei der ganzen österreichischen Armee, welche unter allen Klassen der Bevölke¬ rung die lebhafteste Sensation erregt, denn es laßt sich nicht läugnen, daß die Heerverfassung den Ansprüchen der Zeit und den Bedürfnissen der Nation nicht mehr genügen will und Reformen fordert, die über den Schnitt der Hosen, die Gestalt der Kopfbedeckung und die Vereinfa¬ chung der Commandowörter hinausgehen. Die Verminderung der Dienst¬ zeit auf die erwähnte Zahl von Jahren hätte schon früher eintreten können, indem uns in dieser Beziehung selbst Russen und Tücken be¬ reits vorangegangen sind, wo eine zehnjährige Capitulation festgestellt worden. Doch wie wir hören, soll an der Verzögerung dieser Ma߬ regel lediglich das Bedenken Schuld gewesen sein, daß vor zwei Jah¬ ren, wo die Sache bereits im Kabinet des Kaisers entschieden war, die Rekruten von 1830, welche wegen der damaligen Kriegsrüstungen gegen Frankreich sehr zahlreich waren, und mit ihnen alle jene Soldaten, die ihr achtes Dienstjahr vollendet hatten, mit einem Male aus den Reihen des Heeres ausgeschieden und dadurch die Streitmacht für den Augen¬ blick numerisch und intensiv geschwächt worden wäre. So lange indeß die Normalien für die in den deutschen Erbländer bestehende Landwehr fortgelten, so lange ist die Ermäßigung der Militärdienstzcit fast nur illusorisch, weil der ausgediente Soldat in bestimmten Fällen wieder zur Landwehr einberufen werden kann und oft abermals acht Jahre dienen muß. Die Landwehr ist bei uns keine eigentliche Volksbe¬ waffnung, die zur Zeit der Gefahr in's Leben tritt, fondern ein bloßes 01»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/485>, abgerufen am 22.07.2024.