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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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wann und wie ich eine Verbindlichkeit zu erfüllen habe. In Preu¬
ßen sind von einem sittlichen, redlichen Könige eine Folge von Zu¬
sagen ertheilt, denen man auf das schnödeste widersprechen müßte,
wenn man sich zu der Lehre bekennte... Werden die Gemüther beru¬
higt, wenn man gerechte, auf Bundesacte, Edicte und mannichfaltige
Zusagen gegründete Erwartungen täuscht, oder mit ihrer Erfüllung
zögert? Wenn man einem treuen, besonnenen, tapferen, gebildeten
Volke, das mit Heldenmuth die schmählichsten Fesseln gebrochen und
dem Throne den alten Glanz wieder errungen, aus Mißtrauen die
Wohlthaten einer Verfassung vorenthält, in deren Genusse seine Um¬
gebungen sind?"

"Mit isolirten Provinzialständen," erklärte der Staatsminister
W. v. Humboldt, "wird man keinen der Vortheile allgemeiner besitzen,
allein fast alle Nachtheile und ganz neue, aus der Schiefheit der
Lage entstehende". "Die Anstalt (der Provinzialstände) muß in,Ver¬
bindung gebracht werden mit zukünftigen Reichstagen, schrieb der
Freiherr v. Stein 1827. Das Gesetz über die Provinzialstände selbst
stellt allgemeine ständische Versammlungen in Aussicht. Also war
es nicht Absicht, dies Gesetz, an die Stelle des erstem treten zu
lassen. Die wiederholten Anträge Preußens auf dem Wiener Con-
gresse, spätere Erklärungen bei dem Bundestage, die Gesetzgebung
von 1810 bis 1823 bezeugen, daß man eine allgemeine Vertretung
des Landes "mit dem Wohle des Volks vereinbar fand." Es waren
ja eben, wie Klüber versichert, und, was weltbekannt, "preußische
Staatsbeamte der höchsten Klasse (Hardenberg, Humboldt), welche
auf dem Wiener Congreß, unter allerhöchster Ermächtigung, die Ein¬
führung des Nepräsentativsystems in allen deutschen Bundesstaaten,
mit allbemerktem Eifer und praktisch betrieben hatten." Damals er¬
klärte Friedrich Wilhelm III.: "Damit der wohlthätige Zustand der
bürgerlichen Freiheit und die Dauer einer gerechten Verwaltung fester
begründet, -- der preußischen Nation ein Pfand unsers Vertrauens
gegeben und der Nachkommenschaft die Grundsätze, nach welchen Un¬
sere Vorfahren und Wir selbst die Regierung Unseres Reiches geführt
haben, treu überliefert und, vermittelst einer schriftlichen Urkunde, als
Verfassung des preußischen Reichs, dauerhaft bewahrt werden,
haben wir beschlossen: Essoll eine Repräsentation des Volks
gebildet werden."


wann und wie ich eine Verbindlichkeit zu erfüllen habe. In Preu¬
ßen sind von einem sittlichen, redlichen Könige eine Folge von Zu¬
sagen ertheilt, denen man auf das schnödeste widersprechen müßte,
wenn man sich zu der Lehre bekennte... Werden die Gemüther beru¬
higt, wenn man gerechte, auf Bundesacte, Edicte und mannichfaltige
Zusagen gegründete Erwartungen täuscht, oder mit ihrer Erfüllung
zögert? Wenn man einem treuen, besonnenen, tapferen, gebildeten
Volke, das mit Heldenmuth die schmählichsten Fesseln gebrochen und
dem Throne den alten Glanz wieder errungen, aus Mißtrauen die
Wohlthaten einer Verfassung vorenthält, in deren Genusse seine Um¬
gebungen sind?"

„Mit isolirten Provinzialständen," erklärte der Staatsminister
W. v. Humboldt, „wird man keinen der Vortheile allgemeiner besitzen,
allein fast alle Nachtheile und ganz neue, aus der Schiefheit der
Lage entstehende". „Die Anstalt (der Provinzialstände) muß in,Ver¬
bindung gebracht werden mit zukünftigen Reichstagen, schrieb der
Freiherr v. Stein 1827. Das Gesetz über die Provinzialstände selbst
stellt allgemeine ständische Versammlungen in Aussicht. Also war
es nicht Absicht, dies Gesetz, an die Stelle des erstem treten zu
lassen. Die wiederholten Anträge Preußens auf dem Wiener Con-
gresse, spätere Erklärungen bei dem Bundestage, die Gesetzgebung
von 1810 bis 1823 bezeugen, daß man eine allgemeine Vertretung
des Landes „mit dem Wohle des Volks vereinbar fand." Es waren
ja eben, wie Klüber versichert, und, was weltbekannt, „preußische
Staatsbeamte der höchsten Klasse (Hardenberg, Humboldt), welche
auf dem Wiener Congreß, unter allerhöchster Ermächtigung, die Ein¬
führung des Nepräsentativsystems in allen deutschen Bundesstaaten,
mit allbemerktem Eifer und praktisch betrieben hatten." Damals er¬
klärte Friedrich Wilhelm III.: „Damit der wohlthätige Zustand der
bürgerlichen Freiheit und die Dauer einer gerechten Verwaltung fester
begründet, — der preußischen Nation ein Pfand unsers Vertrauens
gegeben und der Nachkommenschaft die Grundsätze, nach welchen Un¬
sere Vorfahren und Wir selbst die Regierung Unseres Reiches geführt
haben, treu überliefert und, vermittelst einer schriftlichen Urkunde, als
Verfassung des preußischen Reichs, dauerhaft bewahrt werden,
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gebildet werden."


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[0454] wann und wie ich eine Verbindlichkeit zu erfüllen habe. In Preu¬ ßen sind von einem sittlichen, redlichen Könige eine Folge von Zu¬ sagen ertheilt, denen man auf das schnödeste widersprechen müßte, wenn man sich zu der Lehre bekennte... Werden die Gemüther beru¬ higt, wenn man gerechte, auf Bundesacte, Edicte und mannichfaltige Zusagen gegründete Erwartungen täuscht, oder mit ihrer Erfüllung zögert? Wenn man einem treuen, besonnenen, tapferen, gebildeten Volke, das mit Heldenmuth die schmählichsten Fesseln gebrochen und dem Throne den alten Glanz wieder errungen, aus Mißtrauen die Wohlthaten einer Verfassung vorenthält, in deren Genusse seine Um¬ gebungen sind?" „Mit isolirten Provinzialständen," erklärte der Staatsminister W. v. Humboldt, „wird man keinen der Vortheile allgemeiner besitzen, allein fast alle Nachtheile und ganz neue, aus der Schiefheit der Lage entstehende". „Die Anstalt (der Provinzialstände) muß in,Ver¬ bindung gebracht werden mit zukünftigen Reichstagen, schrieb der Freiherr v. Stein 1827. Das Gesetz über die Provinzialstände selbst stellt allgemeine ständische Versammlungen in Aussicht. Also war es nicht Absicht, dies Gesetz, an die Stelle des erstem treten zu lassen. Die wiederholten Anträge Preußens auf dem Wiener Con- gresse, spätere Erklärungen bei dem Bundestage, die Gesetzgebung von 1810 bis 1823 bezeugen, daß man eine allgemeine Vertretung des Landes „mit dem Wohle des Volks vereinbar fand." Es waren ja eben, wie Klüber versichert, und, was weltbekannt, „preußische Staatsbeamte der höchsten Klasse (Hardenberg, Humboldt), welche auf dem Wiener Congreß, unter allerhöchster Ermächtigung, die Ein¬ führung des Nepräsentativsystems in allen deutschen Bundesstaaten, mit allbemerktem Eifer und praktisch betrieben hatten." Damals er¬ klärte Friedrich Wilhelm III.: „Damit der wohlthätige Zustand der bürgerlichen Freiheit und die Dauer einer gerechten Verwaltung fester begründet, — der preußischen Nation ein Pfand unsers Vertrauens gegeben und der Nachkommenschaft die Grundsätze, nach welchen Un¬ sere Vorfahren und Wir selbst die Regierung Unseres Reiches geführt haben, treu überliefert und, vermittelst einer schriftlichen Urkunde, als Verfassung des preußischen Reichs, dauerhaft bewahrt werden, haben wir beschlossen: Essoll eine Repräsentation des Volks gebildet werden."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/454>, abgerufen am 23.07.2024.