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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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später im Jahre 1818, schrieb er: "Man bilde eine Gemeinde-, Kreis-,
Provinzialverfassung. Auf diese Provinzialverfassung gründe sich eine
Reichs" er fassung, die die Theile zu einem Ganzen, unter Lei¬
tung einer kräftigen Negierung, verbindet." W. v. Humboldt erklärte
es für "sehr bedenklich, Provinzialstände, ohne allgemeine, zu
errichten, weil daraus mehr oder weniger die Gefahr einer Zerrei¬
ßung des Staates entstehe . . . Die Frage, ob man Provinzial-
stände ohne allgemeine, oder allgemeine mit Provinzialständen, oder
ohne dieselben einrichten will, ist ungefähr dieselbe mit der: ob ein
Staat wieder eine Verbindung mehrerer Staaten werden oder Ein
Staat bleiben soll." Schon im Jahre 1810 war eine "zweckmäßig
eingerichtete Repräsentation sowohl in den Provinzen, als für das
Ganze" von dem Könige zugesichert. Diese Zusicherung 1811 wie¬
derholt: "Unsere Absicht geht noch immer dahin, der Nation eine
zweckmäßig eingerichtete Repräsentation zu geben."°i-) Endlich war
durch Gesetz v. 22. Mai 1815 vom Könige befohlen worden, "da¬
mit der preußischen Nation ein Pfand unsers Vertrauens gegeben
werde:" "Es soll eine Repräsentation des Volkes gebildet
werden." Zu diesem Zwecke sind Provinzialstände "dem Bedürf¬
nisse der Zeit gemäß" einzurichten. Aus diesen ist die "Versamm¬
lung der Landesrepräsentanten" zu wählen, die über alle Gegenstände,
mit Einschluß der Besteuerung, berathen sollen. Was unter "Bedürfniß
der Zeit"zu verstehen, diesem "gemäß"sei, hatPreußen in einer am 8. Mai
1815 -- also vierzehn Tage vor dem in Rede stehenden Gesetze -- in
einer auf dem Congresse abgegebenen Erklärung dahin ausgesprochen:
"Die landständische Verfassung ist in jedem Bundesstaate (also auch
in Preußen) so zu organisiren, daß alle Klassen der Staats¬
bürger daran Theil nehmen." Also nicht aus einzelnen, nur
das Interesse ihres Standes vertretenden Klassen, nicht etwa aus
Grundeigenthümern allein, sondern aus allen Klassen der Staats¬
bürger gewählte, das ganze Volk vertretende Stände, eine "Reprä¬
sentation des Volks" (mit den Worten deS Gesetzes) wurde
gesetzlich angeordnet. In mehrern spätern Gesetzen, so wie in den
Antworten des Staatskanzlers ist auf die Reichsstände verwiesen.



Gesetzsammlung 1810, S. 31. INI, S, 2V2.

später im Jahre 1818, schrieb er: „Man bilde eine Gemeinde-, Kreis-,
Provinzialverfassung. Auf diese Provinzialverfassung gründe sich eine
Reichs» er fassung, die die Theile zu einem Ganzen, unter Lei¬
tung einer kräftigen Negierung, verbindet." W. v. Humboldt erklärte
es für „sehr bedenklich, Provinzialstände, ohne allgemeine, zu
errichten, weil daraus mehr oder weniger die Gefahr einer Zerrei¬
ßung des Staates entstehe . . . Die Frage, ob man Provinzial-
stände ohne allgemeine, oder allgemeine mit Provinzialständen, oder
ohne dieselben einrichten will, ist ungefähr dieselbe mit der: ob ein
Staat wieder eine Verbindung mehrerer Staaten werden oder Ein
Staat bleiben soll." Schon im Jahre 1810 war eine „zweckmäßig
eingerichtete Repräsentation sowohl in den Provinzen, als für das
Ganze" von dem Könige zugesichert. Diese Zusicherung 1811 wie¬
derholt: „Unsere Absicht geht noch immer dahin, der Nation eine
zweckmäßig eingerichtete Repräsentation zu geben."°i-) Endlich war
durch Gesetz v. 22. Mai 1815 vom Könige befohlen worden, „da¬
mit der preußischen Nation ein Pfand unsers Vertrauens gegeben
werde:" „Es soll eine Repräsentation des Volkes gebildet
werden." Zu diesem Zwecke sind Provinzialstände „dem Bedürf¬
nisse der Zeit gemäß" einzurichten. Aus diesen ist die „Versamm¬
lung der Landesrepräsentanten" zu wählen, die über alle Gegenstände,
mit Einschluß der Besteuerung, berathen sollen. Was unter „Bedürfniß
der Zeit"zu verstehen, diesem „gemäß"sei, hatPreußen in einer am 8. Mai
1815 — also vierzehn Tage vor dem in Rede stehenden Gesetze — in
einer auf dem Congresse abgegebenen Erklärung dahin ausgesprochen:
„Die landständische Verfassung ist in jedem Bundesstaate (also auch
in Preußen) so zu organisiren, daß alle Klassen der Staats¬
bürger daran Theil nehmen." Also nicht aus einzelnen, nur
das Interesse ihres Standes vertretenden Klassen, nicht etwa aus
Grundeigenthümern allein, sondern aus allen Klassen der Staats¬
bürger gewählte, das ganze Volk vertretende Stände, eine „Reprä¬
sentation des Volks" (mit den Worten deS Gesetzes) wurde
gesetzlich angeordnet. In mehrern spätern Gesetzen, so wie in den
Antworten des Staatskanzlers ist auf die Reichsstände verwiesen.



Gesetzsammlung 1810, S. 31. INI, S, 2V2.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/452>, abgerufen am 23.07.2024.