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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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hier Anmuth, Frische und Schönheit im reizendsten Bunde auftraten.
Die Hofbälle, zu denen außer dem Adel auch alle Offiziere der Armee
und der Bürgermiliz Jutritt haben, doch ohne deren Frauen, zeichnen
sich durch ihre übergroße Einfachheit aus und wenn nicht zuweilen
die schimmernden Uniformen und frappanten Nationalkostüme fremder
Gäste die schmucklose Gesellschaft, die sich in den Sälen der Hofburg
versammelt, zieren möchten, würden diese Balle ein ziemlich eintöniges
Bild gewähren. Eine so gemischte Gesellschaft kann unmöglich alle
jene strengen Formen einhalten, welche die Etiquette gebietet, und jedes
Jahr bringt Vorfalle zur Sprache, welche einen pikanten Unterhaltungs-
stoff der hiesigen Kreise abgeben. Im verflossenen Winter mußte ein
besonderer Befehl des commandirenden Generals die Herren vom Mi¬
litär belehren, daß es nicht schicklich sei, das Eonfect aus dem Saal
hinaufzutragen und den wartenden Burschen im Vorzimmer und auf
der Stiege zu übergeben, und in dem gegenwärtigen rief ein von sei¬
ner Landgarnison nach Wien versetzter Kriegsmann den Lakai durch
ein Anklirren des Trinkglases und als ihn der Gerufene über die Un¬
ziemlichkeit dieses Zeichens höflich aufklären wollte, verstand der Pro-
vinziale die Sache übel und das Zwischenspiel endete mit der unfrei¬
willigen Entfernung des Etiquetteverletzers.

Bisher hatte noch niemals ein Souper bei Hofe Statt gefunden,
sondern immer beschränkte sich die kaiserliche Bewirthung auf Erfri¬
schungen, welche stehenden Fußes genossen wurden; am letzten Carne-
valstage sollte nun das erste Mal eine sitzende Tafel Statt finden,
wurde indeß wieder abgesagt, weil die Kunde von dem Tode der Her¬
zogin von Nassau die eilige Einstellung aller Lustbarkeiten am Hof¬
lager nothwendig machte Mit diesem Todesfalle ist abermals ein
Faden der russischen Politik, welche gar so gerne sich mit den deutschen
Staatsinteressen versippen möchte, abgerissen, so wie schon früher die
an den Prinzen von Hessen vermählte Großfürstin durch ihren plötz¬
lichen Hintritt die ehrgeizigen Absichten des russischen Cabinets auf
Dänemark vereitelte. Unter den Festivitäten der hohen Aristokratie
zeichnen sich besonders die der fürstlichen Häuser Schwarzenberg und
Esterhazy aus, wovon in dem letzter" nach englischem Muster die hier
unerhörte Sitte eingeführt ward, Niemand einzuladen, vielmehr Jedem
ohne Ausnahme, der einmal in den Cirkel aufgenommen worden, den
Zutritt zu gewahren.

Der Mittelstand amüsirt sich auf Hausbällen und in geschlossenen
Gesellschaften, worunter ich namentlich den slavischen Ball erwähnen
muß, der seiner eigenthümlichen Charakteristik wegen ausgezeichnet zu
werden verdient und jedesmal von dem russischen Gesandten, Grafen
Medem, besucht wird. Die untern Schichten der Bourgeoisie und,
die zahlreiche Klasse der Dienstleute strömen in die immer lachenden
Hallen des sogenannten Elystums, welches der Besitzer des renomirtc-


hier Anmuth, Frische und Schönheit im reizendsten Bunde auftraten.
Die Hofbälle, zu denen außer dem Adel auch alle Offiziere der Armee
und der Bürgermiliz Jutritt haben, doch ohne deren Frauen, zeichnen
sich durch ihre übergroße Einfachheit aus und wenn nicht zuweilen
die schimmernden Uniformen und frappanten Nationalkostüme fremder
Gäste die schmucklose Gesellschaft, die sich in den Sälen der Hofburg
versammelt, zieren möchten, würden diese Balle ein ziemlich eintöniges
Bild gewähren. Eine so gemischte Gesellschaft kann unmöglich alle
jene strengen Formen einhalten, welche die Etiquette gebietet, und jedes
Jahr bringt Vorfalle zur Sprache, welche einen pikanten Unterhaltungs-
stoff der hiesigen Kreise abgeben. Im verflossenen Winter mußte ein
besonderer Befehl des commandirenden Generals die Herren vom Mi¬
litär belehren, daß es nicht schicklich sei, das Eonfect aus dem Saal
hinaufzutragen und den wartenden Burschen im Vorzimmer und auf
der Stiege zu übergeben, und in dem gegenwärtigen rief ein von sei¬
ner Landgarnison nach Wien versetzter Kriegsmann den Lakai durch
ein Anklirren des Trinkglases und als ihn der Gerufene über die Un¬
ziemlichkeit dieses Zeichens höflich aufklären wollte, verstand der Pro-
vinziale die Sache übel und das Zwischenspiel endete mit der unfrei¬
willigen Entfernung des Etiquetteverletzers.

Bisher hatte noch niemals ein Souper bei Hofe Statt gefunden,
sondern immer beschränkte sich die kaiserliche Bewirthung auf Erfri¬
schungen, welche stehenden Fußes genossen wurden; am letzten Carne-
valstage sollte nun das erste Mal eine sitzende Tafel Statt finden,
wurde indeß wieder abgesagt, weil die Kunde von dem Tode der Her¬
zogin von Nassau die eilige Einstellung aller Lustbarkeiten am Hof¬
lager nothwendig machte Mit diesem Todesfalle ist abermals ein
Faden der russischen Politik, welche gar so gerne sich mit den deutschen
Staatsinteressen versippen möchte, abgerissen, so wie schon früher die
an den Prinzen von Hessen vermählte Großfürstin durch ihren plötz¬
lichen Hintritt die ehrgeizigen Absichten des russischen Cabinets auf
Dänemark vereitelte. Unter den Festivitäten der hohen Aristokratie
zeichnen sich besonders die der fürstlichen Häuser Schwarzenberg und
Esterhazy aus, wovon in dem letzter» nach englischem Muster die hier
unerhörte Sitte eingeführt ward, Niemand einzuladen, vielmehr Jedem
ohne Ausnahme, der einmal in den Cirkel aufgenommen worden, den
Zutritt zu gewahren.

Der Mittelstand amüsirt sich auf Hausbällen und in geschlossenen
Gesellschaften, worunter ich namentlich den slavischen Ball erwähnen
muß, der seiner eigenthümlichen Charakteristik wegen ausgezeichnet zu
werden verdient und jedesmal von dem russischen Gesandten, Grafen
Medem, besucht wird. Die untern Schichten der Bourgeoisie und,
die zahlreiche Klasse der Dienstleute strömen in die immer lachenden
Hallen des sogenannten Elystums, welches der Besitzer des renomirtc-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/440>, abgerufen am 22.07.2024.