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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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für mich selbst Gebrauch mache. Ich möchte meine" hiesigen Auf¬
enthalt weder durch unwillkommene Polizeimaßregeln verbitten
noch verkürzt sehen. Die versprochenen Parallelen preußischer und
österreichischer Administration dürfen Sie für jetzt nicht erwarten.
Bei dem unglaublichen Mangel an öffentlichen Quellen und Doku¬
menten muß der Fremde, der hier Belehrung über österreichische Zu¬
stände schöpfen will, diese fast in katechettscher Form den darüber
Unterrichteten abfragen. Die erste Bedingung, die ein auf solche
Weise Ausgefragter stellt, ist die, um Gotteswillen ja keinen schlim-
men Gebrauch davon zu machen; der gute Mann hat dabei eine
solche Angst, seine Gefälligkeit kostet ihm offenbar ein so großes See-
lenopser, daß es Felonie wäre, die eingegangene Bedingung zu ver¬
letzen. Zudem sind solche Quellen das erste Mittel, dem Verfasser
einer Korrespondenz oder eines Buches auf die Spur zu kommen.
Die Polizei hat in dieser Beziehung eine feine Nase. Sie hat es
bald heraus, in welchen Kreisen der Autor sich bewegt haben muß,
um dies oder jenes zu erfahren, und wenn auch keine direkte Unter¬
suchung erfolgt, so schreibt man sich doch die Namen der muthmaß-
lichen Personen hinter's Ohr -- ein sehr unangenehmer Platz.

Verargen Sie es mir daher nicht, wenn ich meine Mappe in
Bezug auf die zwischen uns besprochenen Themata uneröffnet lasse.
Ich will mein Versprechen auf eine andere Art zu lösen suchen. Al¬
lenthalben, wo ich meine lettres et'iriti-otluctiou (der Deutsche hat
dafür nur das erniedrigende Wort: Empfehlungsschreiben, während
der Franzose einen feinen Unterschied zu machen weiß zwischen u""
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hatte, war die zweite Frage, ob es wahr sei, daß mein König die
Absicht habe, Preußen eine Konstitution zu geben. Die Augsburger
Allgemeine, der Koran, aus welchem die Wiener aller Stände (ein
guter Theil der höchsten Beamten mit eingerechnet) ihre politische
Bildung schöpfen, hat die Gläubigen durch Widersprüche irre geführt.
Vorgestern bestätigte sie das Gerücht durch einen Privatbrief, gestern
widerlegt sie es durch einen officiellen Bericht und heute kömmt wie^
der ein' Privater und berichtigt den Officiellen. Die guten Wiener
werden an ihrem Kalender irre. Gibt es ein Schaltjahr oder gibt
eS ein gewöhnliches Jahr? Und nun glauben sie, daß Jemand, der


für mich selbst Gebrauch mache. Ich möchte meine» hiesigen Auf¬
enthalt weder durch unwillkommene Polizeimaßregeln verbitten
noch verkürzt sehen. Die versprochenen Parallelen preußischer und
österreichischer Administration dürfen Sie für jetzt nicht erwarten.
Bei dem unglaublichen Mangel an öffentlichen Quellen und Doku¬
menten muß der Fremde, der hier Belehrung über österreichische Zu¬
stände schöpfen will, diese fast in katechettscher Form den darüber
Unterrichteten abfragen. Die erste Bedingung, die ein auf solche
Weise Ausgefragter stellt, ist die, um Gotteswillen ja keinen schlim-
men Gebrauch davon zu machen; der gute Mann hat dabei eine
solche Angst, seine Gefälligkeit kostet ihm offenbar ein so großes See-
lenopser, daß es Felonie wäre, die eingegangene Bedingung zu ver¬
letzen. Zudem sind solche Quellen das erste Mittel, dem Verfasser
einer Korrespondenz oder eines Buches auf die Spur zu kommen.
Die Polizei hat in dieser Beziehung eine feine Nase. Sie hat es
bald heraus, in welchen Kreisen der Autor sich bewegt haben muß,
um dies oder jenes zu erfahren, und wenn auch keine direkte Unter¬
suchung erfolgt, so schreibt man sich doch die Namen der muthmaß-
lichen Personen hinter's Ohr — ein sehr unangenehmer Platz.

Verargen Sie es mir daher nicht, wenn ich meine Mappe in
Bezug auf die zwischen uns besprochenen Themata uneröffnet lasse.
Ich will mein Versprechen auf eine andere Art zu lösen suchen. Al¬
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dafür nur das erniedrigende Wort: Empfehlungsschreiben, während
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Absicht habe, Preußen eine Konstitution zu geben. Die Augsburger
Allgemeine, der Koran, aus welchem die Wiener aller Stände (ein
guter Theil der höchsten Beamten mit eingerechnet) ihre politische
Bildung schöpfen, hat die Gläubigen durch Widersprüche irre geführt.
Vorgestern bestätigte sie das Gerücht durch einen Privatbrief, gestern
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werden an ihrem Kalender irre. Gibt es ein Schaltjahr oder gibt
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[0426] für mich selbst Gebrauch mache. Ich möchte meine» hiesigen Auf¬ enthalt weder durch unwillkommene Polizeimaßregeln verbitten noch verkürzt sehen. Die versprochenen Parallelen preußischer und österreichischer Administration dürfen Sie für jetzt nicht erwarten. Bei dem unglaublichen Mangel an öffentlichen Quellen und Doku¬ menten muß der Fremde, der hier Belehrung über österreichische Zu¬ stände schöpfen will, diese fast in katechettscher Form den darüber Unterrichteten abfragen. Die erste Bedingung, die ein auf solche Weise Ausgefragter stellt, ist die, um Gotteswillen ja keinen schlim- men Gebrauch davon zu machen; der gute Mann hat dabei eine solche Angst, seine Gefälligkeit kostet ihm offenbar ein so großes See- lenopser, daß es Felonie wäre, die eingegangene Bedingung zu ver¬ letzen. Zudem sind solche Quellen das erste Mittel, dem Verfasser einer Korrespondenz oder eines Buches auf die Spur zu kommen. Die Polizei hat in dieser Beziehung eine feine Nase. Sie hat es bald heraus, in welchen Kreisen der Autor sich bewegt haben muß, um dies oder jenes zu erfahren, und wenn auch keine direkte Unter¬ suchung erfolgt, so schreibt man sich doch die Namen der muthmaß- lichen Personen hinter's Ohr — ein sehr unangenehmer Platz. Verargen Sie es mir daher nicht, wenn ich meine Mappe in Bezug auf die zwischen uns besprochenen Themata uneröffnet lasse. Ich will mein Versprechen auf eine andere Art zu lösen suchen. Al¬ lenthalben, wo ich meine lettres et'iriti-otluctiou (der Deutsche hat dafür nur das erniedrigende Wort: Empfehlungsschreiben, während der Franzose einen feinen Unterschied zu machen weiß zwischen u„« intero «I« l-<>i-.«>»»n!>,nilittml> und >me It-dei-u in!neu«w) abgegeben hatte, war die zweite Frage, ob es wahr sei, daß mein König die Absicht habe, Preußen eine Konstitution zu geben. Die Augsburger Allgemeine, der Koran, aus welchem die Wiener aller Stände (ein guter Theil der höchsten Beamten mit eingerechnet) ihre politische Bildung schöpfen, hat die Gläubigen durch Widersprüche irre geführt. Vorgestern bestätigte sie das Gerücht durch einen Privatbrief, gestern widerlegt sie es durch einen officiellen Bericht und heute kömmt wie^ der ein' Privater und berichtigt den Officiellen. Die guten Wiener werden an ihrem Kalender irre. Gibt es ein Schaltjahr oder gibt eS ein gewöhnliches Jahr? Und nun glauben sie, daß Jemand, der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/426>, abgerufen am 22.07.2024.