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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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tung" offenbar zu hart behandelt, obwohl er einzelne Punkte mit
seinen diesmal ganz rücksichtslosen Worten nur in das rechte Licht
stellte. Uebrigens hat Mad. Birchpfeiffcr ihre Marquise aus halb
vergessenen Memoiren geholt; nicht einmal der osprit c!" I" coul-,
welcher in ihrem Werke herrscht, scheint ihr ursprünglich anzugehören.
-- Das Stück gefiel hier in der zweiten Hälfte sehr, doch nicht an¬
dauernd. Es machte nur ein volles Haus am Benefizabend unsers
wackern Baison. Nächstens sehen wir Gutzkow'S Urbild des Tar-
tüffe. Die Erwartungen sind hochgespannt. Hier namentlich haust
auch die Journalistik und der Concurrenzneid, gegen welchen Gutzkow's
Moliore in genanntem Lustspiel mit der Rächerkcule zu Felde zieht.
Laube's Struensee kommt ganz sicher im März, wenn nicht noch
in diesem Monate zur Darstellung. -- Im Thaliatheater erwartet
man diesen Sommer bald nach einander die Rachel und Bouffo
von Paris. Dies ist weder ein Scherz noch ein Puff. Außeror¬
dentliche Umstände, welche Sie nächstens en "Zvtuil erfahren sollen,
bringen uns die gefeierten französischen Gäste. Da die Tragödie nie¬
mals als Ganzes auf der Thaliabühne erscheinen darf, wird die
Rachel nur einzelne Scenen aus ihren berühmtesten Rollen vortragen.
-- Im Stadttheater singt mit kommendem Frühjahr die geniale
Jenny Lind. Auf der jüngeren Bühne erscheinen etwa zur selben
Zeit Hendrichs, die Hagn und Louis Schneider vom Ber¬
liner Hoftheater. Auch Döring wäre hier als Gast aufgetreten
ohne ein bereits früher mit Riga abgeschlossenes Engagement. -- So
eben erscheint hier bei Bcrendsohn die erste, nicht zunächst für das
Theater bestimmte Bearbeitung des "mi>ri n I" cam^rAiiv" unter
dem gäng und gebe gewordenen Titel: "Er muß auf'S Land." -- Darin
sind die handelnden Personen: Frau von Trier -- Consistorial-
rath Arnoldi -- Schiffslieutenant Cäsar von Ronge. -- Diese
Bearbeitung von Jos. Mendelssohn schließt sich an keine der früheren
des trefflichen Tcndenzlustspiels an, sondern ist durchaus selbständig
und bringt manches Neue.




tung" offenbar zu hart behandelt, obwohl er einzelne Punkte mit
seinen diesmal ganz rücksichtslosen Worten nur in das rechte Licht
stellte. Uebrigens hat Mad. Birchpfeiffcr ihre Marquise aus halb
vergessenen Memoiren geholt; nicht einmal der osprit c!« I» coul-,
welcher in ihrem Werke herrscht, scheint ihr ursprünglich anzugehören.
— Das Stück gefiel hier in der zweiten Hälfte sehr, doch nicht an¬
dauernd. Es machte nur ein volles Haus am Benefizabend unsers
wackern Baison. Nächstens sehen wir Gutzkow'S Urbild des Tar-
tüffe. Die Erwartungen sind hochgespannt. Hier namentlich haust
auch die Journalistik und der Concurrenzneid, gegen welchen Gutzkow's
Moliore in genanntem Lustspiel mit der Rächerkcule zu Felde zieht.
Laube's Struensee kommt ganz sicher im März, wenn nicht noch
in diesem Monate zur Darstellung. — Im Thaliatheater erwartet
man diesen Sommer bald nach einander die Rachel und Bouffo
von Paris. Dies ist weder ein Scherz noch ein Puff. Außeror¬
dentliche Umstände, welche Sie nächstens en «Zvtuil erfahren sollen,
bringen uns die gefeierten französischen Gäste. Da die Tragödie nie¬
mals als Ganzes auf der Thaliabühne erscheinen darf, wird die
Rachel nur einzelne Scenen aus ihren berühmtesten Rollen vortragen.
— Im Stadttheater singt mit kommendem Frühjahr die geniale
Jenny Lind. Auf der jüngeren Bühne erscheinen etwa zur selben
Zeit Hendrichs, die Hagn und Louis Schneider vom Ber¬
liner Hoftheater. Auch Döring wäre hier als Gast aufgetreten
ohne ein bereits früher mit Riga abgeschlossenes Engagement. — So
eben erscheint hier bei Bcrendsohn die erste, nicht zunächst für das
Theater bestimmte Bearbeitung des „mi>ri n I» cam^rAiiv" unter
dem gäng und gebe gewordenen Titel: „Er muß auf'S Land." — Darin
sind die handelnden Personen: Frau von Trier — Consistorial-
rath Arnoldi — Schiffslieutenant Cäsar von Ronge. — Diese
Bearbeitung von Jos. Mendelssohn schließt sich an keine der früheren
des trefflichen Tcndenzlustspiels an, sondern ist durchaus selbständig
und bringt manches Neue.




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[0424] tung" offenbar zu hart behandelt, obwohl er einzelne Punkte mit seinen diesmal ganz rücksichtslosen Worten nur in das rechte Licht stellte. Uebrigens hat Mad. Birchpfeiffcr ihre Marquise aus halb vergessenen Memoiren geholt; nicht einmal der osprit c!« I» coul-, welcher in ihrem Werke herrscht, scheint ihr ursprünglich anzugehören. — Das Stück gefiel hier in der zweiten Hälfte sehr, doch nicht an¬ dauernd. Es machte nur ein volles Haus am Benefizabend unsers wackern Baison. Nächstens sehen wir Gutzkow'S Urbild des Tar- tüffe. Die Erwartungen sind hochgespannt. Hier namentlich haust auch die Journalistik und der Concurrenzneid, gegen welchen Gutzkow's Moliore in genanntem Lustspiel mit der Rächerkcule zu Felde zieht. Laube's Struensee kommt ganz sicher im März, wenn nicht noch in diesem Monate zur Darstellung. — Im Thaliatheater erwartet man diesen Sommer bald nach einander die Rachel und Bouffo von Paris. Dies ist weder ein Scherz noch ein Puff. Außeror¬ dentliche Umstände, welche Sie nächstens en «Zvtuil erfahren sollen, bringen uns die gefeierten französischen Gäste. Da die Tragödie nie¬ mals als Ganzes auf der Thaliabühne erscheinen darf, wird die Rachel nur einzelne Scenen aus ihren berühmtesten Rollen vortragen. — Im Stadttheater singt mit kommendem Frühjahr die geniale Jenny Lind. Auf der jüngeren Bühne erscheinen etwa zur selben Zeit Hendrichs, die Hagn und Louis Schneider vom Ber¬ liner Hoftheater. Auch Döring wäre hier als Gast aufgetreten ohne ein bereits früher mit Riga abgeschlossenes Engagement. — So eben erscheint hier bei Bcrendsohn die erste, nicht zunächst für das Theater bestimmte Bearbeitung des „mi>ri n I» cam^rAiiv" unter dem gäng und gebe gewordenen Titel: „Er muß auf'S Land." — Darin sind die handelnden Personen: Frau von Trier — Consistorial- rath Arnoldi — Schiffslieutenant Cäsar von Ronge. — Diese Bearbeitung von Jos. Mendelssohn schließt sich an keine der früheren des trefflichen Tcndenzlustspiels an, sondern ist durchaus selbständig und bringt manches Neue.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/424>, abgerufen am 22.07.2024.