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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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Nacht den Kehraus machen sollte. Ein dumpfes Gemurmel vor der
verschlossenen Pforte wuchs bald zu einem tobenden Geschrei. Man
begehrte Einlaß im Namen der Gesetze. Die Thür ward gesprengt
und die bewaffneten Trabanten der Obrigkeit besetzten die Ausgange
des Saales. Sie erschienen wie die Rathsdiener der wohlweisen
Signorie in weiß und roth getiegerten Röcken, in voller Bewaffnung
mit Flinten und Spontonö. Das Stadtwappen vorn auf der Brust
und hinten auf dem Rücken bekundete zum Ueberfluß, auf wessen Be¬
fehl sie hier einrückten, und ihr Führer verlas nach einem Trompeten¬
stoß den Verhaftsbefehl, laut welchem Jeder für einen Verräther an
der Ruhe der wohllöblichen freien Stadt, für einen Verschwörer gegen
das Wohl der altlutherischen Republik Nürnberg angesehen werden
sollte, falls er nicht ausweisen könne, wes Geistes Kind er sei, um
sich von dem Verdacht zu reinigen, hier an der schwarzen Kunst des
Teufels Theil gehabt zu haben.

Der Großmeister wandte sich mit ängstlicher Geberde an den
Prinzen, Rath, Hilfe, Fürsprache erflehend. -- Der Pfaffe hat ge¬
klatscht und denuncirt! flüsterte der Reichsgraf, indem er zu ihnen
trat, um an ihrer Berathung Theil zu nehmen. Erlaucht vermuthen?
fragte der Großmeister verlegen. -- Kein Zweifel! betheuerte jener.
Ich kenne ihn ja, er ist der Secretair jenes Prinzen von Sach¬
sen - Zeitz, der kürzlich in Rom den Kardinalshut erhielt. Daß
er in dessen Namen die Loge besuchte, hat er ja selbst gestanden.
Rom hat überall seine Hände im Spiel. Daß der alberne Teufel
hier so herausplatzte, weil ein Neophyt die alte Kirche beleidigte, war
freilich eine Privatdummheit. Hatte er einmal die Kirche Gottes für
beschimpft erklärt, so erwartete er, man werde den Neuling zurecht¬
weisen. Das geschieht nicht, so läuft er wüthend davon, macht den
Angeber und holt die Polizei. Die hohe Obrigkeit der ehrbaren und
wohlfürnehmen freien Reichsstadt Nürnberg hat vielleicht schon lange
auf den Fang gelauert; nun kommt Judas in Gestalt eines Pfaffen
und da haben wir die Prostemahlzeit und sitzen mit drin in der
Falle!

Die Anwesenden hatten sich in scheuen Gruppen zusammcnge-
flüchtet, während alle Stockwecke des Hauses von der zahlreichen
Soldateska besetzt, alle Gänge und Schlupfwinkel durchsucht wurden.
Hier und da sah man schlotternde Kniee, Zittern und Zagen war


Grenzboten l"is. I.

Nacht den Kehraus machen sollte. Ein dumpfes Gemurmel vor der
verschlossenen Pforte wuchs bald zu einem tobenden Geschrei. Man
begehrte Einlaß im Namen der Gesetze. Die Thür ward gesprengt
und die bewaffneten Trabanten der Obrigkeit besetzten die Ausgange
des Saales. Sie erschienen wie die Rathsdiener der wohlweisen
Signorie in weiß und roth getiegerten Röcken, in voller Bewaffnung
mit Flinten und Spontonö. Das Stadtwappen vorn auf der Brust
und hinten auf dem Rücken bekundete zum Ueberfluß, auf wessen Be¬
fehl sie hier einrückten, und ihr Führer verlas nach einem Trompeten¬
stoß den Verhaftsbefehl, laut welchem Jeder für einen Verräther an
der Ruhe der wohllöblichen freien Stadt, für einen Verschwörer gegen
das Wohl der altlutherischen Republik Nürnberg angesehen werden
sollte, falls er nicht ausweisen könne, wes Geistes Kind er sei, um
sich von dem Verdacht zu reinigen, hier an der schwarzen Kunst des
Teufels Theil gehabt zu haben.

Der Großmeister wandte sich mit ängstlicher Geberde an den
Prinzen, Rath, Hilfe, Fürsprache erflehend. — Der Pfaffe hat ge¬
klatscht und denuncirt! flüsterte der Reichsgraf, indem er zu ihnen
trat, um an ihrer Berathung Theil zu nehmen. Erlaucht vermuthen?
fragte der Großmeister verlegen. — Kein Zweifel! betheuerte jener.
Ich kenne ihn ja, er ist der Secretair jenes Prinzen von Sach¬
sen - Zeitz, der kürzlich in Rom den Kardinalshut erhielt. Daß
er in dessen Namen die Loge besuchte, hat er ja selbst gestanden.
Rom hat überall seine Hände im Spiel. Daß der alberne Teufel
hier so herausplatzte, weil ein Neophyt die alte Kirche beleidigte, war
freilich eine Privatdummheit. Hatte er einmal die Kirche Gottes für
beschimpft erklärt, so erwartete er, man werde den Neuling zurecht¬
weisen. Das geschieht nicht, so läuft er wüthend davon, macht den
Angeber und holt die Polizei. Die hohe Obrigkeit der ehrbaren und
wohlfürnehmen freien Reichsstadt Nürnberg hat vielleicht schon lange
auf den Fang gelauert; nun kommt Judas in Gestalt eines Pfaffen
und da haben wir die Prostemahlzeit und sitzen mit drin in der
Falle!

Die Anwesenden hatten sich in scheuen Gruppen zusammcnge-
flüchtet, während alle Stockwecke des Hauses von der zahlreichen
Soldateska besetzt, alle Gänge und Schlupfwinkel durchsucht wurden.
Hier und da sah man schlotternde Kniee, Zittern und Zagen war


Grenzboten l»is. I.
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[0411] Nacht den Kehraus machen sollte. Ein dumpfes Gemurmel vor der verschlossenen Pforte wuchs bald zu einem tobenden Geschrei. Man begehrte Einlaß im Namen der Gesetze. Die Thür ward gesprengt und die bewaffneten Trabanten der Obrigkeit besetzten die Ausgange des Saales. Sie erschienen wie die Rathsdiener der wohlweisen Signorie in weiß und roth getiegerten Röcken, in voller Bewaffnung mit Flinten und Spontonö. Das Stadtwappen vorn auf der Brust und hinten auf dem Rücken bekundete zum Ueberfluß, auf wessen Be¬ fehl sie hier einrückten, und ihr Führer verlas nach einem Trompeten¬ stoß den Verhaftsbefehl, laut welchem Jeder für einen Verräther an der Ruhe der wohllöblichen freien Stadt, für einen Verschwörer gegen das Wohl der altlutherischen Republik Nürnberg angesehen werden sollte, falls er nicht ausweisen könne, wes Geistes Kind er sei, um sich von dem Verdacht zu reinigen, hier an der schwarzen Kunst des Teufels Theil gehabt zu haben. Der Großmeister wandte sich mit ängstlicher Geberde an den Prinzen, Rath, Hilfe, Fürsprache erflehend. — Der Pfaffe hat ge¬ klatscht und denuncirt! flüsterte der Reichsgraf, indem er zu ihnen trat, um an ihrer Berathung Theil zu nehmen. Erlaucht vermuthen? fragte der Großmeister verlegen. — Kein Zweifel! betheuerte jener. Ich kenne ihn ja, er ist der Secretair jenes Prinzen von Sach¬ sen - Zeitz, der kürzlich in Rom den Kardinalshut erhielt. Daß er in dessen Namen die Loge besuchte, hat er ja selbst gestanden. Rom hat überall seine Hände im Spiel. Daß der alberne Teufel hier so herausplatzte, weil ein Neophyt die alte Kirche beleidigte, war freilich eine Privatdummheit. Hatte er einmal die Kirche Gottes für beschimpft erklärt, so erwartete er, man werde den Neuling zurecht¬ weisen. Das geschieht nicht, so läuft er wüthend davon, macht den Angeber und holt die Polizei. Die hohe Obrigkeit der ehrbaren und wohlfürnehmen freien Reichsstadt Nürnberg hat vielleicht schon lange auf den Fang gelauert; nun kommt Judas in Gestalt eines Pfaffen und da haben wir die Prostemahlzeit und sitzen mit drin in der Falle! Die Anwesenden hatten sich in scheuen Gruppen zusammcnge- flüchtet, während alle Stockwecke des Hauses von der zahlreichen Soldateska besetzt, alle Gänge und Schlupfwinkel durchsucht wurden. Hier und da sah man schlotternde Kniee, Zittern und Zagen war Grenzboten l»is. I.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/411>, abgerufen am 23.07.2024.