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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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ses, es reizte mich, den Höhlenbau der Jacobspfarre keimen zu ler¬
nen; vielleicht war ich auch im Stande von ungeahnter Seite her
der geheimnißvollen Gesellschaft in die Coulissen zu blicken. In der
That sah das Sparren- und Lattenwerk unter dem Dache des Ge¬
bäudes einem alten Theater sehr ähnlich. Ausgebrannte Sonnen und
verbrauchte Feuerräder hingen neben allerlei Trödel von Dekorationen
aus Pappe, bunter Leinwand und Flittergold. Plötzlich hob sich eine
Fallthür, ein Mann trat heraus, schritt dicht an mir vorüber, ver¬
schwand aber bald im Dunkel. Die Klappe blieb offen und ein Ge¬
wühl von Stimmen drang aus dem untern Raum herauf. Ich trat
zwei Stufen hinunter, steckte den Kopf in eine runde Oeffnung und
fuhr, vom Glanz der Lichter geblendet, zurück. Wie durch ein Ooil
6v Iioeuk übersah ich hier den weiten erhellten Saal, wo Kopf an
Kopf gedrängt in feierlicher Spannung einem Redner lauschte. Es
mochte eine alte Festhalle der deutschen Ritter von ehedem sein; mein
Ochsenauge steckte zwischen den Schnörkeln der alten Stuccatur. Auf
die Gefahr hin. ertappt zu werden, blieb ich hier Zeuge der Verhand¬
lungen. Zu beiden Seitend es Saales liefen Bänke und Galerien hin¬
unter, jede Loge hatte für ihre Abgesandten Platz und Rang, Sitz
und Stimme in der Berathung. Alle waren in ihrer Arbeitstracht,
mit Schürze, Kelle und Ordensband; die Würdenträger mit ihrer
besondern Auszeichnung. Dicht vor mir präsidirte der Prinz mit den
Jnsignien eines Großineisters seiner Landesloge, den Hammer in der
Hand. Ein Tisch mit Schriften und Briefen stand vor ihm, Secre-
taire und Beamte traten leise ab und zu, seines Wirth gewärtig. Ihm
gegenüber halten sich in der Versammlung zwei Gruppen gebildet,
die, wie Ankläger und Angeklagte in Gcrichtssälen, durch Schranken
von einander getrennt waren. In jeder Partei führte Einer auf
hervorragendem Sitze das Wort. Ich verständigte mich bald über
das Thema, das hier verhandelt wurde. Die Loge unse et l>ax
hatte die Anerkennung und Aufnahme in den Bund der Maurerei
nachgesucht. In ihrem Redner glaubte ich Einen von den Männern
wiederzuerkennen, die mir das rothe Band um die Stirn geschlungen.
Um seinen Gegner, den deputirten Meister von Royal York, hatten
sich die Anhänger deS alten Logensystems geschaart. Er selbst saß
auf seinem breiten, hochlehnigen Sessel, in einen weiten Mantel ge¬
hüllt, dessen Falten zum Theil sein Gesicht verhüllten. So wie er sich


ses, es reizte mich, den Höhlenbau der Jacobspfarre keimen zu ler¬
nen; vielleicht war ich auch im Stande von ungeahnter Seite her
der geheimnißvollen Gesellschaft in die Coulissen zu blicken. In der
That sah das Sparren- und Lattenwerk unter dem Dache des Ge¬
bäudes einem alten Theater sehr ähnlich. Ausgebrannte Sonnen und
verbrauchte Feuerräder hingen neben allerlei Trödel von Dekorationen
aus Pappe, bunter Leinwand und Flittergold. Plötzlich hob sich eine
Fallthür, ein Mann trat heraus, schritt dicht an mir vorüber, ver¬
schwand aber bald im Dunkel. Die Klappe blieb offen und ein Ge¬
wühl von Stimmen drang aus dem untern Raum herauf. Ich trat
zwei Stufen hinunter, steckte den Kopf in eine runde Oeffnung und
fuhr, vom Glanz der Lichter geblendet, zurück. Wie durch ein Ooil
6v Iioeuk übersah ich hier den weiten erhellten Saal, wo Kopf an
Kopf gedrängt in feierlicher Spannung einem Redner lauschte. Es
mochte eine alte Festhalle der deutschen Ritter von ehedem sein; mein
Ochsenauge steckte zwischen den Schnörkeln der alten Stuccatur. Auf
die Gefahr hin. ertappt zu werden, blieb ich hier Zeuge der Verhand¬
lungen. Zu beiden Seitend es Saales liefen Bänke und Galerien hin¬
unter, jede Loge hatte für ihre Abgesandten Platz und Rang, Sitz
und Stimme in der Berathung. Alle waren in ihrer Arbeitstracht,
mit Schürze, Kelle und Ordensband; die Würdenträger mit ihrer
besondern Auszeichnung. Dicht vor mir präsidirte der Prinz mit den
Jnsignien eines Großineisters seiner Landesloge, den Hammer in der
Hand. Ein Tisch mit Schriften und Briefen stand vor ihm, Secre-
taire und Beamte traten leise ab und zu, seines Wirth gewärtig. Ihm
gegenüber halten sich in der Versammlung zwei Gruppen gebildet,
die, wie Ankläger und Angeklagte in Gcrichtssälen, durch Schranken
von einander getrennt waren. In jeder Partei führte Einer auf
hervorragendem Sitze das Wort. Ich verständigte mich bald über
das Thema, das hier verhandelt wurde. Die Loge unse et l>ax
hatte die Anerkennung und Aufnahme in den Bund der Maurerei
nachgesucht. In ihrem Redner glaubte ich Einen von den Männern
wiederzuerkennen, die mir das rothe Band um die Stirn geschlungen.
Um seinen Gegner, den deputirten Meister von Royal York, hatten
sich die Anhänger deS alten Logensystems geschaart. Er selbst saß
auf seinem breiten, hochlehnigen Sessel, in einen weiten Mantel ge¬
hüllt, dessen Falten zum Theil sein Gesicht verhüllten. So wie er sich


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[0376] ses, es reizte mich, den Höhlenbau der Jacobspfarre keimen zu ler¬ nen; vielleicht war ich auch im Stande von ungeahnter Seite her der geheimnißvollen Gesellschaft in die Coulissen zu blicken. In der That sah das Sparren- und Lattenwerk unter dem Dache des Ge¬ bäudes einem alten Theater sehr ähnlich. Ausgebrannte Sonnen und verbrauchte Feuerräder hingen neben allerlei Trödel von Dekorationen aus Pappe, bunter Leinwand und Flittergold. Plötzlich hob sich eine Fallthür, ein Mann trat heraus, schritt dicht an mir vorüber, ver¬ schwand aber bald im Dunkel. Die Klappe blieb offen und ein Ge¬ wühl von Stimmen drang aus dem untern Raum herauf. Ich trat zwei Stufen hinunter, steckte den Kopf in eine runde Oeffnung und fuhr, vom Glanz der Lichter geblendet, zurück. Wie durch ein Ooil 6v Iioeuk übersah ich hier den weiten erhellten Saal, wo Kopf an Kopf gedrängt in feierlicher Spannung einem Redner lauschte. Es mochte eine alte Festhalle der deutschen Ritter von ehedem sein; mein Ochsenauge steckte zwischen den Schnörkeln der alten Stuccatur. Auf die Gefahr hin. ertappt zu werden, blieb ich hier Zeuge der Verhand¬ lungen. Zu beiden Seitend es Saales liefen Bänke und Galerien hin¬ unter, jede Loge hatte für ihre Abgesandten Platz und Rang, Sitz und Stimme in der Berathung. Alle waren in ihrer Arbeitstracht, mit Schürze, Kelle und Ordensband; die Würdenträger mit ihrer besondern Auszeichnung. Dicht vor mir präsidirte der Prinz mit den Jnsignien eines Großineisters seiner Landesloge, den Hammer in der Hand. Ein Tisch mit Schriften und Briefen stand vor ihm, Secre- taire und Beamte traten leise ab und zu, seines Wirth gewärtig. Ihm gegenüber halten sich in der Versammlung zwei Gruppen gebildet, die, wie Ankläger und Angeklagte in Gcrichtssälen, durch Schranken von einander getrennt waren. In jeder Partei führte Einer auf hervorragendem Sitze das Wort. Ich verständigte mich bald über das Thema, das hier verhandelt wurde. Die Loge unse et l>ax hatte die Anerkennung und Aufnahme in den Bund der Maurerei nachgesucht. In ihrem Redner glaubte ich Einen von den Männern wiederzuerkennen, die mir das rothe Band um die Stirn geschlungen. Um seinen Gegner, den deputirten Meister von Royal York, hatten sich die Anhänger deS alten Logensystems geschaart. Er selbst saß auf seinem breiten, hochlehnigen Sessel, in einen weiten Mantel ge¬ hüllt, dessen Falten zum Theil sein Gesicht verhüllten. So wie er sich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/376>, abgerufen am 23.07.2024.