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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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Deinen Finger stecke, findest Du die vier Buchstaben: I. .4. 4. I'.
Sie bedeuten: I^mis, 4er, 4^"!,, 1e,ii>. Es strebt der Geist
die vier Elemente sich dienstbar zu machen. Weder im Feuer,
noch in der Lust, im Wasser und in der Erde bist Du heimisch.
Lerne die Gewalten kennen und in ihre, Kenntniß die Macht, sie
zu beherrschen. Kenntniß ist Macht. Dir steht eine Frage frei an
die elementare Geisterwelt, und wofern Dein Sinn rein, Dein Herz
voll Zuversicht und Vertrauen ist auf den göttlichen Baumeister der
Welt, wird Dich die Pythia unseres Bundes, die in den Blättern
der Lotosblume schläft, erhören. Tritt jetzt zurück in die kleine dunkle
Halle zur Seite, überblicke Dein Leben im Gebet lind sammle Deine
Gedanken zu einem Wunsch, der Dein Schicksal berührt und Deinem
Herzen der liebste ist.

Er schwieg und der Gesang begann von Neuen,. Während dessen
hatten mich dienende Brüder mit der Schürze bekleidet, mir Winkel¬
maß und Kelle in die Hände gedrückt. Als sich neue Ankömmlinge
in der noch leer gebliebenen Halle zeigten, ward ich rasch in ein
kleines dunkles Seitengemach geführt, wo ich, abgeschlossen von den
weitern Vorgängen, mir selbst überlassen blieb. Ich setzte mich er¬
müdet auf den Säulenschaft und versank mit meinen Empfindungen
in die Vergangenheit meines Lebens. Also, man will mich kennen,
mein Schicksal verstehen, mir meine Zukunft aus meiner Vergangen¬
heit deuten! -- Ich verlange Nichts als Aufklärung über ein mir
dunkel gebliebenes Ereigniß meines Lebens. Meine Wünsche sam¬
melten sich bald um den einen Punkt, der mir der theuerste und liebste
war. Kann der geheime Bund über höhere Kräfte gebieten, haben
sie eine Fernschau, die bis in entlegene Länder, eine Seelenkunde, die
bis in fremde Herzen reicht, wohlan, so sollen sie mir ein Räthsel
lösen, ein Geheimniß enthüllen!

Die Stille in dem dunklen engen Gemach ward mir drückend.
Mir fehlte der Trank, der mich hier in der Einsamkeit zu Visionen
befähigen sollte. Je nüchterner ich war, desto unruhiger ward das
Verlangen nach Wechsel und Bewegung. Ich tappte rings an den
Wänden hin, ob sich nirgends ein Gegenstand der Zerstreuung, nir¬
gends ein Ausgang entdecken ließ. Die Thür, die zur Rotunde
führte, war fest und sicher; aber gegenüber schien das Getäfel be¬
weglich. Wie ich mich gegen die eine Säule lehne, drück' ich plötz--


Deinen Finger stecke, findest Du die vier Buchstaben: I. .4. 4. I'.
Sie bedeuten: I^mis, 4er, 4^»!,, 1e,ii>. Es strebt der Geist
die vier Elemente sich dienstbar zu machen. Weder im Feuer,
noch in der Lust, im Wasser und in der Erde bist Du heimisch.
Lerne die Gewalten kennen und in ihre, Kenntniß die Macht, sie
zu beherrschen. Kenntniß ist Macht. Dir steht eine Frage frei an
die elementare Geisterwelt, und wofern Dein Sinn rein, Dein Herz
voll Zuversicht und Vertrauen ist auf den göttlichen Baumeister der
Welt, wird Dich die Pythia unseres Bundes, die in den Blättern
der Lotosblume schläft, erhören. Tritt jetzt zurück in die kleine dunkle
Halle zur Seite, überblicke Dein Leben im Gebet lind sammle Deine
Gedanken zu einem Wunsch, der Dein Schicksal berührt und Deinem
Herzen der liebste ist.

Er schwieg und der Gesang begann von Neuen,. Während dessen
hatten mich dienende Brüder mit der Schürze bekleidet, mir Winkel¬
maß und Kelle in die Hände gedrückt. Als sich neue Ankömmlinge
in der noch leer gebliebenen Halle zeigten, ward ich rasch in ein
kleines dunkles Seitengemach geführt, wo ich, abgeschlossen von den
weitern Vorgängen, mir selbst überlassen blieb. Ich setzte mich er¬
müdet auf den Säulenschaft und versank mit meinen Empfindungen
in die Vergangenheit meines Lebens. Also, man will mich kennen,
mein Schicksal verstehen, mir meine Zukunft aus meiner Vergangen¬
heit deuten! — Ich verlange Nichts als Aufklärung über ein mir
dunkel gebliebenes Ereigniß meines Lebens. Meine Wünsche sam¬
melten sich bald um den einen Punkt, der mir der theuerste und liebste
war. Kann der geheime Bund über höhere Kräfte gebieten, haben
sie eine Fernschau, die bis in entlegene Länder, eine Seelenkunde, die
bis in fremde Herzen reicht, wohlan, so sollen sie mir ein Räthsel
lösen, ein Geheimniß enthüllen!

Die Stille in dem dunklen engen Gemach ward mir drückend.
Mir fehlte der Trank, der mich hier in der Einsamkeit zu Visionen
befähigen sollte. Je nüchterner ich war, desto unruhiger ward das
Verlangen nach Wechsel und Bewegung. Ich tappte rings an den
Wänden hin, ob sich nirgends ein Gegenstand der Zerstreuung, nir¬
gends ein Ausgang entdecken ließ. Die Thür, die zur Rotunde
führte, war fest und sicher; aber gegenüber schien das Getäfel be¬
weglich. Wie ich mich gegen die eine Säule lehne, drück' ich plötz--


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[0374] Deinen Finger stecke, findest Du die vier Buchstaben: I. .4. 4. I'. Sie bedeuten: I^mis, 4er, 4^»!,, 1e,ii>. Es strebt der Geist die vier Elemente sich dienstbar zu machen. Weder im Feuer, noch in der Lust, im Wasser und in der Erde bist Du heimisch. Lerne die Gewalten kennen und in ihre, Kenntniß die Macht, sie zu beherrschen. Kenntniß ist Macht. Dir steht eine Frage frei an die elementare Geisterwelt, und wofern Dein Sinn rein, Dein Herz voll Zuversicht und Vertrauen ist auf den göttlichen Baumeister der Welt, wird Dich die Pythia unseres Bundes, die in den Blättern der Lotosblume schläft, erhören. Tritt jetzt zurück in die kleine dunkle Halle zur Seite, überblicke Dein Leben im Gebet lind sammle Deine Gedanken zu einem Wunsch, der Dein Schicksal berührt und Deinem Herzen der liebste ist. Er schwieg und der Gesang begann von Neuen,. Während dessen hatten mich dienende Brüder mit der Schürze bekleidet, mir Winkel¬ maß und Kelle in die Hände gedrückt. Als sich neue Ankömmlinge in der noch leer gebliebenen Halle zeigten, ward ich rasch in ein kleines dunkles Seitengemach geführt, wo ich, abgeschlossen von den weitern Vorgängen, mir selbst überlassen blieb. Ich setzte mich er¬ müdet auf den Säulenschaft und versank mit meinen Empfindungen in die Vergangenheit meines Lebens. Also, man will mich kennen, mein Schicksal verstehen, mir meine Zukunft aus meiner Vergangen¬ heit deuten! — Ich verlange Nichts als Aufklärung über ein mir dunkel gebliebenes Ereigniß meines Lebens. Meine Wünsche sam¬ melten sich bald um den einen Punkt, der mir der theuerste und liebste war. Kann der geheime Bund über höhere Kräfte gebieten, haben sie eine Fernschau, die bis in entlegene Länder, eine Seelenkunde, die bis in fremde Herzen reicht, wohlan, so sollen sie mir ein Räthsel lösen, ein Geheimniß enthüllen! Die Stille in dem dunklen engen Gemach ward mir drückend. Mir fehlte der Trank, der mich hier in der Einsamkeit zu Visionen befähigen sollte. Je nüchterner ich war, desto unruhiger ward das Verlangen nach Wechsel und Bewegung. Ich tappte rings an den Wänden hin, ob sich nirgends ein Gegenstand der Zerstreuung, nir¬ gends ein Ausgang entdecken ließ. Die Thür, die zur Rotunde führte, war fest und sicher; aber gegenüber schien das Getäfel be¬ weglich. Wie ich mich gegen die eine Säule lehne, drück' ich plötz--

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/374>, abgerufen am 23.07.2024.