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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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-- Glaubst Du, fuhr der Redende fort, daß diese Elemente dem
Geiste dienstbar sind?

-- Welchem Geiste? fragte ich. -- Der Sprecher schwieg. -- Es
gibt der Geister viele, fuhr ich fort. Wenn Du Deine Seele rein
hältst von aller Befleckung des Irdischen, frei von der Trübung der
Begierde, wenn Du Dein mißgestaltetes Ich und die mißgeformte
Welt um Dich her vergissest, den Urquell der Dinge wiederfindest und
jenen stillen See betrittst, auf dessen Wassern der Geist Gottes schwebt,
-- dann hast Du Gewalt über die Natur, dann bist Du mächtig
über die Elemente. Ich glaube, daß der reine Geist das vermag,
glaube, daß seine Kräfte sich in geweihten Augenblicken ausdehnen
über die Welt, das Auge weiter sieht, das Ohr tiefer hineinhorche
in den Zusammenhang der Dinge. Ich glaube an die heilige Hil¬
degard, an jenes Mädchen von Orleans, an die heilige Brigitte von
Schweden. Ich glaube, daß die Elemente dem reinen, gotterfüllten
Willen dienstbar sind. Das ist mein Glaube, und ich weiß nicht,
seht Ihr darin eine gereinigte "der ungereinigte Lehre!

Es war sehr still im Raum, der Redner hatte sein Wort ver¬
loren, ein Anderer schien ihn nicht ablösen zu wollen. Hatte sie mein
Glaubensbekenntniß irre gemacht? Was verlangt Ihr sonst noch?
fragt' ich. Wollt Ihr auch wissen, woran ich nicht glaube? Nun
denn, so hört! Man hat mir gesagt, es gebe eine Kunst, die Metalle
aufzulösen und neu zusammenzusehen, eine Wissenschaft, die Al-ltena
prium, jene Substanz, aus der Gott den ersten Menschen schon in
seiner Leiblichkeit unsterblich schuf, wieder aufzufinden. Ich habe von
der Gabe gehört, das physische Leben zu verlängern. Um hier glau¬
ben zu können, verlange ich Zeichen und Thaten! Ruft mir Geister
herbei aus der Vergangenheit, aus der Zukunft, einen Geist, dem ich
eine Frage über Sein und Nichtsein vorlegen kann, einen Geist, der
mir Rede steht über mein Schicksal, Rede steht über einen Zweifel,
der mir Mark und Adern durchbrennt!

-- Zeichen und Wunder sollen Dir werden! sprach der Redner.
Jetzt fehlen Dir noch die Sinne zur Wahrnehmung des Nebcrirdi-
schen! Du wirst draußen harren müssen, bis ein Heller Wetterschlag
der Wahrheit Dir die verschlossene Pforte zum Tempel des Lichtes
öffnet. Lerne zunächst die Symbole unseres Bundes kennen!

Senf ein gegebenes Zeichen erschien an der Wand ein großes


— Glaubst Du, fuhr der Redende fort, daß diese Elemente dem
Geiste dienstbar sind?

— Welchem Geiste? fragte ich. — Der Sprecher schwieg. — Es
gibt der Geister viele, fuhr ich fort. Wenn Du Deine Seele rein
hältst von aller Befleckung des Irdischen, frei von der Trübung der
Begierde, wenn Du Dein mißgestaltetes Ich und die mißgeformte
Welt um Dich her vergissest, den Urquell der Dinge wiederfindest und
jenen stillen See betrittst, auf dessen Wassern der Geist Gottes schwebt,
— dann hast Du Gewalt über die Natur, dann bist Du mächtig
über die Elemente. Ich glaube, daß der reine Geist das vermag,
glaube, daß seine Kräfte sich in geweihten Augenblicken ausdehnen
über die Welt, das Auge weiter sieht, das Ohr tiefer hineinhorche
in den Zusammenhang der Dinge. Ich glaube an die heilige Hil¬
degard, an jenes Mädchen von Orleans, an die heilige Brigitte von
Schweden. Ich glaube, daß die Elemente dem reinen, gotterfüllten
Willen dienstbar sind. Das ist mein Glaube, und ich weiß nicht,
seht Ihr darin eine gereinigte »der ungereinigte Lehre!

Es war sehr still im Raum, der Redner hatte sein Wort ver¬
loren, ein Anderer schien ihn nicht ablösen zu wollen. Hatte sie mein
Glaubensbekenntniß irre gemacht? Was verlangt Ihr sonst noch?
fragt' ich. Wollt Ihr auch wissen, woran ich nicht glaube? Nun
denn, so hört! Man hat mir gesagt, es gebe eine Kunst, die Metalle
aufzulösen und neu zusammenzusehen, eine Wissenschaft, die Al-ltena
prium, jene Substanz, aus der Gott den ersten Menschen schon in
seiner Leiblichkeit unsterblich schuf, wieder aufzufinden. Ich habe von
der Gabe gehört, das physische Leben zu verlängern. Um hier glau¬
ben zu können, verlange ich Zeichen und Thaten! Ruft mir Geister
herbei aus der Vergangenheit, aus der Zukunft, einen Geist, dem ich
eine Frage über Sein und Nichtsein vorlegen kann, einen Geist, der
mir Rede steht über mein Schicksal, Rede steht über einen Zweifel,
der mir Mark und Adern durchbrennt!

— Zeichen und Wunder sollen Dir werden! sprach der Redner.
Jetzt fehlen Dir noch die Sinne zur Wahrnehmung des Nebcrirdi-
schen! Du wirst draußen harren müssen, bis ein Heller Wetterschlag
der Wahrheit Dir die verschlossene Pforte zum Tempel des Lichtes
öffnet. Lerne zunächst die Symbole unseres Bundes kennen!

Senf ein gegebenes Zeichen erschien an der Wand ein großes


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[0369] — Glaubst Du, fuhr der Redende fort, daß diese Elemente dem Geiste dienstbar sind? — Welchem Geiste? fragte ich. — Der Sprecher schwieg. — Es gibt der Geister viele, fuhr ich fort. Wenn Du Deine Seele rein hältst von aller Befleckung des Irdischen, frei von der Trübung der Begierde, wenn Du Dein mißgestaltetes Ich und die mißgeformte Welt um Dich her vergissest, den Urquell der Dinge wiederfindest und jenen stillen See betrittst, auf dessen Wassern der Geist Gottes schwebt, — dann hast Du Gewalt über die Natur, dann bist Du mächtig über die Elemente. Ich glaube, daß der reine Geist das vermag, glaube, daß seine Kräfte sich in geweihten Augenblicken ausdehnen über die Welt, das Auge weiter sieht, das Ohr tiefer hineinhorche in den Zusammenhang der Dinge. Ich glaube an die heilige Hil¬ degard, an jenes Mädchen von Orleans, an die heilige Brigitte von Schweden. Ich glaube, daß die Elemente dem reinen, gotterfüllten Willen dienstbar sind. Das ist mein Glaube, und ich weiß nicht, seht Ihr darin eine gereinigte »der ungereinigte Lehre! Es war sehr still im Raum, der Redner hatte sein Wort ver¬ loren, ein Anderer schien ihn nicht ablösen zu wollen. Hatte sie mein Glaubensbekenntniß irre gemacht? Was verlangt Ihr sonst noch? fragt' ich. Wollt Ihr auch wissen, woran ich nicht glaube? Nun denn, so hört! Man hat mir gesagt, es gebe eine Kunst, die Metalle aufzulösen und neu zusammenzusehen, eine Wissenschaft, die Al-ltena prium, jene Substanz, aus der Gott den ersten Menschen schon in seiner Leiblichkeit unsterblich schuf, wieder aufzufinden. Ich habe von der Gabe gehört, das physische Leben zu verlängern. Um hier glau¬ ben zu können, verlange ich Zeichen und Thaten! Ruft mir Geister herbei aus der Vergangenheit, aus der Zukunft, einen Geist, dem ich eine Frage über Sein und Nichtsein vorlegen kann, einen Geist, der mir Rede steht über mein Schicksal, Rede steht über einen Zweifel, der mir Mark und Adern durchbrennt! — Zeichen und Wunder sollen Dir werden! sprach der Redner. Jetzt fehlen Dir noch die Sinne zur Wahrnehmung des Nebcrirdi- schen! Du wirst draußen harren müssen, bis ein Heller Wetterschlag der Wahrheit Dir die verschlossene Pforte zum Tempel des Lichtes öffnet. Lerne zunächst die Symbole unseres Bundes kennen! Senf ein gegebenes Zeichen erschien an der Wand ein großes

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/369>, abgerufen am 23.07.2024.