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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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war ganz geschickt, daß Sie die Nebenumstände verschwiegen. Hätten
Sie erzählt, daß einige Tage nach Aufführung meines Dramas in
Stuttgart (nachdem ich ein Jahr dort lebte) der gegenwärtige Theater¬
intendant, Herr von Taubenheim, mir sagte, der österreichische Gesandte
habe erfahren, der Verfasser sei ein Oesterreicher und den Wunsch ge¬
äußert, Herr von Taubenheim möge ihm denselben vorstellen, so würde
die erwähnte Tischeinladung allen verdächtigenden Beigeschmack verloren
haben. Auf einen Fehltritt muß ich Sie jedoch aufmerksam machen.
Es gibt eine journalistische Regel, die heißt: Nicht Jeder darf Jedes
sagen. Um gewisse Dinge vorzubringen, muß man einen reinen Cha¬
rakter und vor Allem Charakter haben. Wer Ihren Ruf hat, muß
vorsichtiger sein. Ihre Geschichte ven österreichischen Gesandten hatte
aus einer liberalen Feder ganz natürlich geklungen, so aber fragt sich
Jedermann: Wie kömmt der Lewald dazu, einen solchen Vorwurf zu
machen? Sie vergaßen, daß Herr Willkomm einen Brief publiciren
ließ, worin Sie ihm schreiben: Ihr sehr interessantes Bruchstück konnte
nur deshalb (in der Europa) keine Aufnahme finden, weil wir in
Oesterreich über tausind Abonnenten (im Vorbeigehen gesagt, eine
Lewaldische Aufschneiderei) haben; eine respectable Zahl, für die man
etwas thun muß! Und Sie, Sie haben die Stirne, auf mich eine
grinsende Hindeutung zu machen? Auf mich, der, obschon meine Fa¬
milie in Oesterreich lebt, doch sich nicht abhalten läßt, nach Kräften
die Krebsschäden zu beleuchten, welche den Fortschritt und die Entwick¬
lung meines Vaterlandes hindern. Die Grenzboten haben in letzterer
Zeit in Oesterreich ein schärferes Verbot erhalten, -- wahrend Ihre
Europa die Ehre des "drin"?ne" genießt. -- Sehen Sie, indem Sie
mich verdächtigen wollen, ziehen Sie die Aufmerksamkeit zu Ihrem
Nachtheile aus sich selbst und Sie haben da nicht nur einen schlechten,
sondern, was in Ihren Augen viel ärger ist, einen dummen Streich
gemacht. -- Ganz unjournalistisch ist der Spott, daß die Grenz¬
boten ihren Herausgeber von sonstigen literarischen Productionen ab¬
ziehen; Sie allerdings, der Sie Ihr Blatt mit Rosenöl und franzö¬
sischem Abfall füllen, der in der Literatur nur den Erwerb sieht, kön¬
nen nicht begreifen, was der Journalismus, der ehrliche, wirkenseifrige
Journalismus an Schmerzen und Freuden, an Liebe und Haß auf¬
zehrt. O glauben Sie mir, der Journalismus hat auch seine Poesie,
wie er seine Hölle hat. Wer wie Armand Carrel, wie Paul Louis
Courier schreiben könnte, gäbe das Gewässer aller Ihrer gesammelten
Schriften für eine solche Feuerzeile. Sehen Sie nur um sich, Herr
Lewald, sehen Sie die großeZahl besserer deutscher Männer, die mit seelen-
rrcuer Ueberzeugung der Tagespresse dienen, und Sie werden gewiß
Nachsicht mit mir und Andern haben, daß wir es vorziehen, dem
Streben ihrer "unproductiven" mannhaften Thätigkeit uns anzu¬
schließen, als Ihrer müßigen und unnützen Fruchtbarkeit. Die Bücher


war ganz geschickt, daß Sie die Nebenumstände verschwiegen. Hätten
Sie erzählt, daß einige Tage nach Aufführung meines Dramas in
Stuttgart (nachdem ich ein Jahr dort lebte) der gegenwärtige Theater¬
intendant, Herr von Taubenheim, mir sagte, der österreichische Gesandte
habe erfahren, der Verfasser sei ein Oesterreicher und den Wunsch ge¬
äußert, Herr von Taubenheim möge ihm denselben vorstellen, so würde
die erwähnte Tischeinladung allen verdächtigenden Beigeschmack verloren
haben. Auf einen Fehltritt muß ich Sie jedoch aufmerksam machen.
Es gibt eine journalistische Regel, die heißt: Nicht Jeder darf Jedes
sagen. Um gewisse Dinge vorzubringen, muß man einen reinen Cha¬
rakter und vor Allem Charakter haben. Wer Ihren Ruf hat, muß
vorsichtiger sein. Ihre Geschichte ven österreichischen Gesandten hatte
aus einer liberalen Feder ganz natürlich geklungen, so aber fragt sich
Jedermann: Wie kömmt der Lewald dazu, einen solchen Vorwurf zu
machen? Sie vergaßen, daß Herr Willkomm einen Brief publiciren
ließ, worin Sie ihm schreiben: Ihr sehr interessantes Bruchstück konnte
nur deshalb (in der Europa) keine Aufnahme finden, weil wir in
Oesterreich über tausind Abonnenten (im Vorbeigehen gesagt, eine
Lewaldische Aufschneiderei) haben; eine respectable Zahl, für die man
etwas thun muß! Und Sie, Sie haben die Stirne, auf mich eine
grinsende Hindeutung zu machen? Auf mich, der, obschon meine Fa¬
milie in Oesterreich lebt, doch sich nicht abhalten läßt, nach Kräften
die Krebsschäden zu beleuchten, welche den Fortschritt und die Entwick¬
lung meines Vaterlandes hindern. Die Grenzboten haben in letzterer
Zeit in Oesterreich ein schärferes Verbot erhalten, — wahrend Ihre
Europa die Ehre des „drin«?ne" genießt. — Sehen Sie, indem Sie
mich verdächtigen wollen, ziehen Sie die Aufmerksamkeit zu Ihrem
Nachtheile aus sich selbst und Sie haben da nicht nur einen schlechten,
sondern, was in Ihren Augen viel ärger ist, einen dummen Streich
gemacht. — Ganz unjournalistisch ist der Spott, daß die Grenz¬
boten ihren Herausgeber von sonstigen literarischen Productionen ab¬
ziehen; Sie allerdings, der Sie Ihr Blatt mit Rosenöl und franzö¬
sischem Abfall füllen, der in der Literatur nur den Erwerb sieht, kön¬
nen nicht begreifen, was der Journalismus, der ehrliche, wirkenseifrige
Journalismus an Schmerzen und Freuden, an Liebe und Haß auf¬
zehrt. O glauben Sie mir, der Journalismus hat auch seine Poesie,
wie er seine Hölle hat. Wer wie Armand Carrel, wie Paul Louis
Courier schreiben könnte, gäbe das Gewässer aller Ihrer gesammelten
Schriften für eine solche Feuerzeile. Sehen Sie nur um sich, Herr
Lewald, sehen Sie die großeZahl besserer deutscher Männer, die mit seelen-
rrcuer Ueberzeugung der Tagespresse dienen, und Sie werden gewiß
Nachsicht mit mir und Andern haben, daß wir es vorziehen, dem
Streben ihrer „unproductiven" mannhaften Thätigkeit uns anzu¬
schließen, als Ihrer müßigen und unnützen Fruchtbarkeit. Die Bücher


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/350>, abgerufen am 23.07.2024.