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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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noch ein andrer und so originell, daß ihn schwerlich Jemand errathet,
selbst wenn er die lakonische Strenge der Ueberzeugungen dieses Man¬
nes kennt oder auch nur seine Vertheidigung der LandeSconstitutionen
gegen den cpitralisirenden Einfluß der Bundesgewalt gelesen hat.
Pfitzer sagt/Da die Opposition der deutschen Kammern darauf hin¬
arbeitet und pflichtmäßig darauf hinarbeiten muß, das Maß constitu-
tioneller Freiheiten nach Kräften zu erweitern und da in Folge dieser
Richtung die Wege der konstitutionellen und absolutistischen Staaten
Deutschlands immer mehr auseinander gehen müssen, ich aber die
Einigkeit Deutschlands um keinen Preis, selbst nicht um den der
Freiheit, auf'ö Spiel setzen mag, so will/ich lieber auf Verfolgung
des Einen Ziels, der Freiheit, verzichtend schweigen, als für dieses
Ziel thätig das ebenbürtige, die Einigkeit, verderben helfen. -- Eine
nothwendige Folge dieser Gesinnung ist Pfitzer's Abneigung gegen
französischen Einfluß in Deutschland. Nicht als ob er zu jener klei¬
nen heiligen Schaar der Franzosenfresser gehörte, welche, den reisigen
Fahnenjunker Menzel voran, nichts Französischem Pardon geben.
Pfitzer liebt und achtet Frankreich; aber er fürchtet, daß es, in deutsche
Angelegenheiten sich mischend, altem Gelüste verfallen könnte, wie der
gezähmte Löwe, wenn er Blut sieht. Darum wünscht Pfitzer, -- und
er soll dies in einem demnächst erscheinenden Nachtrage zu seiner
Schrift: Kirche und Staat, näher ausführen wollen -- Alles zu ver¬
meiden, was die Wiederkehr eines Rheinbundes, "b auch nur der
Geister, anbahnen könnte. -- Mit diesen seinen Ansichten steht übri¬
gens Pfitzer, wenigstens hier in Würtemberg, so ziemlich v/reinzelt
zwischen den Deutschthümlern und der großen Mehrheit derFiberalcn.
Letztere, ohne sich die von Frankreich drohende Gefahr für Deutsch¬
lands Integrität zu verhehlen, schätzen doch in Frankreich das unent¬
behrliche Kohlcnmagazin für jene reinigenden Feuer, in welchen der¬
zeit ganz Europa sein politisch-sociales Erz von den alten Schlacken
zu erlösen trachtet. Frankreich ist dieser Partei die unumgängliche
Basis für die Politik des Fortschrittes. Sie hofft von Frankreichs
gutem Willen wenig oder Nichts, von seiner Bestimmung Alles. --
Die Massen jedoch theilen diese Sympathien keineswegs. Und wie
kann es anders sein? Die Julisonne ist es nicht, welche dem Pri¬
vilegium, den weltlichen und geistlichen Hierarchien ihren Waizen blü¬
hen läßt: wer also solchen Waizen will aufgehen sehen, wendet sich


noch ein andrer und so originell, daß ihn schwerlich Jemand errathet,
selbst wenn er die lakonische Strenge der Ueberzeugungen dieses Man¬
nes kennt oder auch nur seine Vertheidigung der LandeSconstitutionen
gegen den cpitralisirenden Einfluß der Bundesgewalt gelesen hat.
Pfitzer sagt/Da die Opposition der deutschen Kammern darauf hin¬
arbeitet und pflichtmäßig darauf hinarbeiten muß, das Maß constitu-
tioneller Freiheiten nach Kräften zu erweitern und da in Folge dieser
Richtung die Wege der konstitutionellen und absolutistischen Staaten
Deutschlands immer mehr auseinander gehen müssen, ich aber die
Einigkeit Deutschlands um keinen Preis, selbst nicht um den der
Freiheit, auf'ö Spiel setzen mag, so will/ich lieber auf Verfolgung
des Einen Ziels, der Freiheit, verzichtend schweigen, als für dieses
Ziel thätig das ebenbürtige, die Einigkeit, verderben helfen. — Eine
nothwendige Folge dieser Gesinnung ist Pfitzer's Abneigung gegen
französischen Einfluß in Deutschland. Nicht als ob er zu jener klei¬
nen heiligen Schaar der Franzosenfresser gehörte, welche, den reisigen
Fahnenjunker Menzel voran, nichts Französischem Pardon geben.
Pfitzer liebt und achtet Frankreich; aber er fürchtet, daß es, in deutsche
Angelegenheiten sich mischend, altem Gelüste verfallen könnte, wie der
gezähmte Löwe, wenn er Blut sieht. Darum wünscht Pfitzer, — und
er soll dies in einem demnächst erscheinenden Nachtrage zu seiner
Schrift: Kirche und Staat, näher ausführen wollen — Alles zu ver¬
meiden, was die Wiederkehr eines Rheinbundes, »b auch nur der
Geister, anbahnen könnte. — Mit diesen seinen Ansichten steht übri¬
gens Pfitzer, wenigstens hier in Würtemberg, so ziemlich v/reinzelt
zwischen den Deutschthümlern und der großen Mehrheit derFiberalcn.
Letztere, ohne sich die von Frankreich drohende Gefahr für Deutsch¬
lands Integrität zu verhehlen, schätzen doch in Frankreich das unent¬
behrliche Kohlcnmagazin für jene reinigenden Feuer, in welchen der¬
zeit ganz Europa sein politisch-sociales Erz von den alten Schlacken
zu erlösen trachtet. Frankreich ist dieser Partei die unumgängliche
Basis für die Politik des Fortschrittes. Sie hofft von Frankreichs
gutem Willen wenig oder Nichts, von seiner Bestimmung Alles. —
Die Massen jedoch theilen diese Sympathien keineswegs. Und wie
kann es anders sein? Die Julisonne ist es nicht, welche dem Pri¬
vilegium, den weltlichen und geistlichen Hierarchien ihren Waizen blü¬
hen läßt: wer also solchen Waizen will aufgehen sehen, wendet sich


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[0326] noch ein andrer und so originell, daß ihn schwerlich Jemand errathet, selbst wenn er die lakonische Strenge der Ueberzeugungen dieses Man¬ nes kennt oder auch nur seine Vertheidigung der LandeSconstitutionen gegen den cpitralisirenden Einfluß der Bundesgewalt gelesen hat. Pfitzer sagt/Da die Opposition der deutschen Kammern darauf hin¬ arbeitet und pflichtmäßig darauf hinarbeiten muß, das Maß constitu- tioneller Freiheiten nach Kräften zu erweitern und da in Folge dieser Richtung die Wege der konstitutionellen und absolutistischen Staaten Deutschlands immer mehr auseinander gehen müssen, ich aber die Einigkeit Deutschlands um keinen Preis, selbst nicht um den der Freiheit, auf'ö Spiel setzen mag, so will/ich lieber auf Verfolgung des Einen Ziels, der Freiheit, verzichtend schweigen, als für dieses Ziel thätig das ebenbürtige, die Einigkeit, verderben helfen. — Eine nothwendige Folge dieser Gesinnung ist Pfitzer's Abneigung gegen französischen Einfluß in Deutschland. Nicht als ob er zu jener klei¬ nen heiligen Schaar der Franzosenfresser gehörte, welche, den reisigen Fahnenjunker Menzel voran, nichts Französischem Pardon geben. Pfitzer liebt und achtet Frankreich; aber er fürchtet, daß es, in deutsche Angelegenheiten sich mischend, altem Gelüste verfallen könnte, wie der gezähmte Löwe, wenn er Blut sieht. Darum wünscht Pfitzer, — und er soll dies in einem demnächst erscheinenden Nachtrage zu seiner Schrift: Kirche und Staat, näher ausführen wollen — Alles zu ver¬ meiden, was die Wiederkehr eines Rheinbundes, »b auch nur der Geister, anbahnen könnte. — Mit diesen seinen Ansichten steht übri¬ gens Pfitzer, wenigstens hier in Würtemberg, so ziemlich v/reinzelt zwischen den Deutschthümlern und der großen Mehrheit derFiberalcn. Letztere, ohne sich die von Frankreich drohende Gefahr für Deutsch¬ lands Integrität zu verhehlen, schätzen doch in Frankreich das unent¬ behrliche Kohlcnmagazin für jene reinigenden Feuer, in welchen der¬ zeit ganz Europa sein politisch-sociales Erz von den alten Schlacken zu erlösen trachtet. Frankreich ist dieser Partei die unumgängliche Basis für die Politik des Fortschrittes. Sie hofft von Frankreichs gutem Willen wenig oder Nichts, von seiner Bestimmung Alles. — Die Massen jedoch theilen diese Sympathien keineswegs. Und wie kann es anders sein? Die Julisonne ist es nicht, welche dem Pri¬ vilegium, den weltlichen und geistlichen Hierarchien ihren Waizen blü¬ hen läßt: wer also solchen Waizen will aufgehen sehen, wendet sich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/326>, abgerufen am 22.07.2024.