Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht, daß wir bei so bewandten schwache" Beweisgründen allerdings
im Stande der Unschuld und der Vierfüßer verbleiben. Da hab' ich nun
hier meinen katholischen Pfarrer. Ich will ihn jetzt nicht weiter be¬
langen, denn während er so eifrig die Sterblichkeit dieses NogclS
beweist, mochte er sich um die Unstciblichkeit eines so körperlosen Din¬
ges, wie die Seele ist, nicht viel bekümmern. Mit einem Priester
von der alten Mutterkirche hätte ich so gerne allen Ernstes einen Dis¬
put! -- Aber Eins müßt Ihr mir doch sagen, lieber Herr Pfarrer!
Was macht denn die alte Nonne drüben? Sie hat die Schwindsucht
und heilt durch Händeauflegcn. Arzt, hilf Dir selber! paßt auf sie
nicht; sie bleibt krank, aber sie macht andere Leute gesund, wie?

-- Der Schweiß ihrer Hand ist segenbringend, sagte Sebaldus,
sah aber sehr ungläubig aus, während er die Augen verdrehte und
that einen kräftigen Zug aus dem Deckelglase, als wüßte er im Stil¬
len sehr gut, von wannen für ihn der Segen fließt -- Wenn eS noch
eine kräftige frische Jungfrau wäre! sagte der R.cichSgraf ganz ernst¬
haft; ja dann wollt' ich Ew. Ehrwürden von der Nichtigkeit der
Sache überzeugen! Aber von einer Schwindsüchtigen hol' ich mir
nicht die Lebenskraft, geh' ich nicht gradbeinig wieder fort, wenn ich
krumm und lahm hinkam.

-- Der Glaube thut'S! sagte Sebaldus und schlug sein Deckel¬
glas zu.

-- Da haben wir'ö wieder! rief der Reichsgraf, sprang vom
Sessel auf, schlug die Hände zusammen und lief wie ein angeschosse¬
ner Eber auf und ab. In seinem rothbraunen Gesicht stand wieder
das Feuerzeichen jenes Fanatismus, der sich für die gesunde Vernunft
todtschlagen läßt. Mit Jedem laufe ich immer bis dicht an die
Wand und da steht uns gleicher Weise der Verstand still. Gvtzen-
diencrei, Fetischanbcterci, Vicrfüiicrei! Pfui der Tausend!

-- Die Vierfüßer an der Krippe hatten, mit Ew. Erlaucht gnädi¬
ger Erlaubniß, zu ihrer Zeit den ganz richtigen Glauben, sagte der
Pfarrer eben so boshaft als einfach und schlicht.

-- Ich glaube, sie haben ihn noch! schrie der Reichsgraf und
entlud in Blicken und Geberden seinen ganzen Zorn auf den Ge¬
salbten des Herrn. Was man l'uror ttmtom<at> nennt, ward hier
in o>"til"!l l?"rin.'l ersichtlich.

Fürst und Priester hatten sich offenbar verbissen und festgerannt;


nicht, daß wir bei so bewandten schwache» Beweisgründen allerdings
im Stande der Unschuld und der Vierfüßer verbleiben. Da hab' ich nun
hier meinen katholischen Pfarrer. Ich will ihn jetzt nicht weiter be¬
langen, denn während er so eifrig die Sterblichkeit dieses NogclS
beweist, mochte er sich um die Unstciblichkeit eines so körperlosen Din¬
ges, wie die Seele ist, nicht viel bekümmern. Mit einem Priester
von der alten Mutterkirche hätte ich so gerne allen Ernstes einen Dis¬
put! — Aber Eins müßt Ihr mir doch sagen, lieber Herr Pfarrer!
Was macht denn die alte Nonne drüben? Sie hat die Schwindsucht
und heilt durch Händeauflegcn. Arzt, hilf Dir selber! paßt auf sie
nicht; sie bleibt krank, aber sie macht andere Leute gesund, wie?

— Der Schweiß ihrer Hand ist segenbringend, sagte Sebaldus,
sah aber sehr ungläubig aus, während er die Augen verdrehte und
that einen kräftigen Zug aus dem Deckelglase, als wüßte er im Stil¬
len sehr gut, von wannen für ihn der Segen fließt — Wenn eS noch
eine kräftige frische Jungfrau wäre! sagte der R.cichSgraf ganz ernst¬
haft; ja dann wollt' ich Ew. Ehrwürden von der Nichtigkeit der
Sache überzeugen! Aber von einer Schwindsüchtigen hol' ich mir
nicht die Lebenskraft, geh' ich nicht gradbeinig wieder fort, wenn ich
krumm und lahm hinkam.

— Der Glaube thut'S! sagte Sebaldus und schlug sein Deckel¬
glas zu.

— Da haben wir'ö wieder! rief der Reichsgraf, sprang vom
Sessel auf, schlug die Hände zusammen und lief wie ein angeschosse¬
ner Eber auf und ab. In seinem rothbraunen Gesicht stand wieder
das Feuerzeichen jenes Fanatismus, der sich für die gesunde Vernunft
todtschlagen läßt. Mit Jedem laufe ich immer bis dicht an die
Wand und da steht uns gleicher Weise der Verstand still. Gvtzen-
diencrei, Fetischanbcterci, Vicrfüiicrei! Pfui der Tausend!

— Die Vierfüßer an der Krippe hatten, mit Ew. Erlaucht gnädi¬
ger Erlaubniß, zu ihrer Zeit den ganz richtigen Glauben, sagte der
Pfarrer eben so boshaft als einfach und schlicht.

— Ich glaube, sie haben ihn noch! schrie der Reichsgraf und
entlud in Blicken und Geberden seinen ganzen Zorn auf den Ge¬
salbten des Herrn. Was man l'uror ttmtom<at> nennt, ward hier
in o>»til»!l l?»rin.'l ersichtlich.

Fürst und Priester hatten sich offenbar verbissen und festgerannt;


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0308" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/269723"/>
            <p xml:id="ID_855" prev="#ID_854"> nicht, daß wir bei so bewandten schwache» Beweisgründen allerdings<lb/>
im Stande der Unschuld und der Vierfüßer verbleiben. Da hab' ich nun<lb/>
hier meinen katholischen Pfarrer. Ich will ihn jetzt nicht weiter be¬<lb/>
langen, denn während er so eifrig die Sterblichkeit dieses NogclS<lb/>
beweist, mochte er sich um die Unstciblichkeit eines so körperlosen Din¬<lb/>
ges, wie die Seele ist, nicht viel bekümmern. Mit einem Priester<lb/>
von der alten Mutterkirche hätte ich so gerne allen Ernstes einen Dis¬<lb/>
put! &#x2014; Aber Eins müßt Ihr mir doch sagen, lieber Herr Pfarrer!<lb/>
Was macht denn die alte Nonne drüben? Sie hat die Schwindsucht<lb/>
und heilt durch Händeauflegcn. Arzt, hilf Dir selber! paßt auf sie<lb/>
nicht; sie bleibt krank, aber sie macht andere Leute gesund, wie?</p><lb/>
            <p xml:id="ID_856"> &#x2014; Der Schweiß ihrer Hand ist segenbringend, sagte Sebaldus,<lb/>
sah aber sehr ungläubig aus, während er die Augen verdrehte und<lb/>
that einen kräftigen Zug aus dem Deckelglase, als wüßte er im Stil¬<lb/>
len sehr gut, von wannen für ihn der Segen fließt &#x2014; Wenn eS noch<lb/>
eine kräftige frische Jungfrau wäre! sagte der R.cichSgraf ganz ernst¬<lb/>
haft; ja dann wollt' ich Ew. Ehrwürden von der Nichtigkeit der<lb/>
Sache überzeugen! Aber von einer Schwindsüchtigen hol' ich mir<lb/>
nicht die Lebenskraft, geh' ich nicht gradbeinig wieder fort, wenn ich<lb/>
krumm und lahm hinkam.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_857"> &#x2014; Der Glaube thut'S! sagte Sebaldus und schlug sein Deckel¬<lb/>
glas zu.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_858"> &#x2014; Da haben wir'ö wieder! rief der Reichsgraf, sprang vom<lb/>
Sessel auf, schlug die Hände zusammen und lief wie ein angeschosse¬<lb/>
ner Eber auf und ab. In seinem rothbraunen Gesicht stand wieder<lb/>
das Feuerzeichen jenes Fanatismus, der sich für die gesunde Vernunft<lb/>
todtschlagen läßt. Mit Jedem laufe ich immer bis dicht an die<lb/>
Wand und da steht uns gleicher Weise der Verstand still. Gvtzen-<lb/>
diencrei, Fetischanbcterci, Vicrfüiicrei! Pfui der Tausend!</p><lb/>
            <p xml:id="ID_859"> &#x2014; Die Vierfüßer an der Krippe hatten, mit Ew. Erlaucht gnädi¬<lb/>
ger Erlaubniß, zu ihrer Zeit den ganz richtigen Glauben, sagte der<lb/>
Pfarrer eben so boshaft als einfach und schlicht.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_860"> &#x2014; Ich glaube, sie haben ihn noch! schrie der Reichsgraf und<lb/>
entlud in Blicken und Geberden seinen ganzen Zorn auf den Ge¬<lb/>
salbten des Herrn. Was man l'uror ttmtom&lt;at&gt; nennt, ward hier<lb/>
in o&gt;»til»!l l?»rin.'l ersichtlich.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_861" next="#ID_862"> Fürst und Priester hatten sich offenbar verbissen und festgerannt;</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0308] nicht, daß wir bei so bewandten schwache» Beweisgründen allerdings im Stande der Unschuld und der Vierfüßer verbleiben. Da hab' ich nun hier meinen katholischen Pfarrer. Ich will ihn jetzt nicht weiter be¬ langen, denn während er so eifrig die Sterblichkeit dieses NogclS beweist, mochte er sich um die Unstciblichkeit eines so körperlosen Din¬ ges, wie die Seele ist, nicht viel bekümmern. Mit einem Priester von der alten Mutterkirche hätte ich so gerne allen Ernstes einen Dis¬ put! — Aber Eins müßt Ihr mir doch sagen, lieber Herr Pfarrer! Was macht denn die alte Nonne drüben? Sie hat die Schwindsucht und heilt durch Händeauflegcn. Arzt, hilf Dir selber! paßt auf sie nicht; sie bleibt krank, aber sie macht andere Leute gesund, wie? — Der Schweiß ihrer Hand ist segenbringend, sagte Sebaldus, sah aber sehr ungläubig aus, während er die Augen verdrehte und that einen kräftigen Zug aus dem Deckelglase, als wüßte er im Stil¬ len sehr gut, von wannen für ihn der Segen fließt — Wenn eS noch eine kräftige frische Jungfrau wäre! sagte der R.cichSgraf ganz ernst¬ haft; ja dann wollt' ich Ew. Ehrwürden von der Nichtigkeit der Sache überzeugen! Aber von einer Schwindsüchtigen hol' ich mir nicht die Lebenskraft, geh' ich nicht gradbeinig wieder fort, wenn ich krumm und lahm hinkam. — Der Glaube thut'S! sagte Sebaldus und schlug sein Deckel¬ glas zu. — Da haben wir'ö wieder! rief der Reichsgraf, sprang vom Sessel auf, schlug die Hände zusammen und lief wie ein angeschosse¬ ner Eber auf und ab. In seinem rothbraunen Gesicht stand wieder das Feuerzeichen jenes Fanatismus, der sich für die gesunde Vernunft todtschlagen läßt. Mit Jedem laufe ich immer bis dicht an die Wand und da steht uns gleicher Weise der Verstand still. Gvtzen- diencrei, Fetischanbcterci, Vicrfüiicrei! Pfui der Tausend! — Die Vierfüßer an der Krippe hatten, mit Ew. Erlaucht gnädi¬ ger Erlaubniß, zu ihrer Zeit den ganz richtigen Glauben, sagte der Pfarrer eben so boshaft als einfach und schlicht. — Ich glaube, sie haben ihn noch! schrie der Reichsgraf und entlud in Blicken und Geberden seinen ganzen Zorn auf den Ge¬ salbten des Herrn. Was man l'uror ttmtom<at> nennt, ward hier in o>»til»!l l?»rin.'l ersichtlich. Fürst und Priester hatten sich offenbar verbissen und festgerannt;

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/308
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/308>, abgerufen am 23.07.2024.