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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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wird, wo die Prämissen fehlen. Denn darf man auch annehmen,
die Zuckereinfuhr werde auch ohne specielle Zollermäßigung blos
durch die erleichterte Einfuhr des Kaffees wachsen, so kann doch
diese wachsende Zuckereinfuhr unmöglich so schnell sein und dergestalt
in's Gewicht fallen, als unser Lloydjournal angibt, dem es unter
gewissen Umständen wohl manchmal geschieht, den Himmel voll Gei¬
gen zu sehen, indeß später der Katzenjammer eintritt. Auch mit
Biedermann's deutscher Monatsschrift haben wir zu rechten, die nicht
selten sehr gelungene Aufsätze über Oesterreich bringt, doch diesmal
bei Besprechung der Zollreform sich offenbar zu einem ungerechten
Vorwurf gegen die Finanzverwaltung hinreißen ließ.

Es wäre übrigens zu wünschen gewesen, sagt der Verfasser des
Artikels, die Regierung hätte auch beim Kaffee einen Termin bis
zur Einführung des neuen Zollsatzes, wie bei den übrigen Artikeln,
bestimmt. Viele Kaufleute, die von dieser Veränderung nicht das
Geringste wußten, da dieselbe bis zum letzten Augenblicke als stren¬
ges Dienstgeheimniß betrachtet wurde, kamen dadurch in erheblichen
Schaden, und der kleine Gewinn, welchen das Aerar bei dieser
Gelegenheit machte, ist eher zu beklagen, als geeignet, die Maßregel
der Negierung zu entschuldigen. Der Staat soll auf das Sorgfäl¬
tigste darüber wachen, daß Niemandem von seiner Seite ungesetzlicher
Nachtheil zugefügt werde; unersetzlich muß man aber einen Verlust
nennen, der in einer unerläßlichen Preisherabsetzung besteht, die we¬
gen der Concurrenz nicht einen Tag verschoben werden konnte, wäh¬
rend der Kaufmann, ununterrichtet von der bevorstehenden Ma߬
regel, noch die Waare fast um das Doppelte des reducirten Zolles
bezogen hatte. Wir vermögen auch bei dem besten Willen keinen
stichhaltigen politischen Grund zu entwerfen, weshalb nicht bei sämmt¬
lichen Anikeln, welchen eine Zollerleichterung zu Theil wird, ein
Termin, von welchem angefangen der neue Satz zu gelten habe, ein¬
geführt werden sollte; und wir hoffen, es werde dieser wohlmeinende
Wink bei den später in'S Werk zu setzenden Reduktionen nicht unbe¬
achtet bleiben.

Während der Verfasser diese Anklage schrieb, scheint es ihm
völlig entgangen zu sein, daß allerdings ganz triftige Gründe die
Staatsverwaltung bewogen, in Betreff des Kaffees eine Ausnahme
zu machen und die Giltigkeit der für diesen Artikel bestimmten Zoll-


wird, wo die Prämissen fehlen. Denn darf man auch annehmen,
die Zuckereinfuhr werde auch ohne specielle Zollermäßigung blos
durch die erleichterte Einfuhr des Kaffees wachsen, so kann doch
diese wachsende Zuckereinfuhr unmöglich so schnell sein und dergestalt
in's Gewicht fallen, als unser Lloydjournal angibt, dem es unter
gewissen Umständen wohl manchmal geschieht, den Himmel voll Gei¬
gen zu sehen, indeß später der Katzenjammer eintritt. Auch mit
Biedermann's deutscher Monatsschrift haben wir zu rechten, die nicht
selten sehr gelungene Aufsätze über Oesterreich bringt, doch diesmal
bei Besprechung der Zollreform sich offenbar zu einem ungerechten
Vorwurf gegen die Finanzverwaltung hinreißen ließ.

Es wäre übrigens zu wünschen gewesen, sagt der Verfasser des
Artikels, die Regierung hätte auch beim Kaffee einen Termin bis
zur Einführung des neuen Zollsatzes, wie bei den übrigen Artikeln,
bestimmt. Viele Kaufleute, die von dieser Veränderung nicht das
Geringste wußten, da dieselbe bis zum letzten Augenblicke als stren¬
ges Dienstgeheimniß betrachtet wurde, kamen dadurch in erheblichen
Schaden, und der kleine Gewinn, welchen das Aerar bei dieser
Gelegenheit machte, ist eher zu beklagen, als geeignet, die Maßregel
der Negierung zu entschuldigen. Der Staat soll auf das Sorgfäl¬
tigste darüber wachen, daß Niemandem von seiner Seite ungesetzlicher
Nachtheil zugefügt werde; unersetzlich muß man aber einen Verlust
nennen, der in einer unerläßlichen Preisherabsetzung besteht, die we¬
gen der Concurrenz nicht einen Tag verschoben werden konnte, wäh¬
rend der Kaufmann, ununterrichtet von der bevorstehenden Ma߬
regel, noch die Waare fast um das Doppelte des reducirten Zolles
bezogen hatte. Wir vermögen auch bei dem besten Willen keinen
stichhaltigen politischen Grund zu entwerfen, weshalb nicht bei sämmt¬
lichen Anikeln, welchen eine Zollerleichterung zu Theil wird, ein
Termin, von welchem angefangen der neue Satz zu gelten habe, ein¬
geführt werden sollte; und wir hoffen, es werde dieser wohlmeinende
Wink bei den später in'S Werk zu setzenden Reduktionen nicht unbe¬
achtet bleiben.

Während der Verfasser diese Anklage schrieb, scheint es ihm
völlig entgangen zu sein, daß allerdings ganz triftige Gründe die
Staatsverwaltung bewogen, in Betreff des Kaffees eine Ausnahme
zu machen und die Giltigkeit der für diesen Artikel bestimmten Zoll-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/30>, abgerufen am 22.07.2024.