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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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tiker z. B. habe dagegen das Recht, auf seinem Gebiete die hcrüber-
greifenden kirchlichen Wurzeln auszuschneiden, wenn sie dem Anbau
des ästhetischen Bodens hinderlich sind. Zuletzt bemerkt der zur Ruhe
gesetzte Denker! "Daß die Seite der Vergangenheit in der Regel
stark genug besetzt ist, dafür ist gesorgt und es liegt in der Natur der
Sache; wer aber die Seite der Zukunft lieber ganz vertilgen möchte,
der mordet das werdende Geschlecht im Leib der Mutter."

-- Das Tschechenthum soll in Preußen ganz ausgerottet werden.
Man weiß, daß schon Ein Namensvetter des Attentaters in Echt umge¬
tauft wurde; jetzt hat eine Namensvetterin desselben, die Frau Bauin-
spector Thebens in Ratibor, vom König von Preußen die Erlaubniß er¬
halten, sich Trebur zu nennen. Thebens soll aber in Schlesien sehr
häufig vorkommen; wenn dah.r Alle, die so heißen, bei ihrem König
um Namen petitioniren sollten -- wie nach der Schöpfung die unschul¬
digen Thiere, als sie zu demselben Zweck in alphabetischer Ordnung an
Adam vorbeidesilirten -- so dürfte vielleicht doch einige Verlegenheit ent¬
stehen. Wir würden dieser Noth lieber durch ein Decret vorbeugen,
welches alle Verwandten oder Namensvettern des Attentaters mit einem¬
mal in Müller, Schmidt oder Schulze verwandelte; vorausgesetzt, daß
die Inhaber dieser in Deutschland so populären Namen nicht dagegen
protestirten.

-- Bezeichnend für die politische Einbildungskraft und Vorstel¬
lungsweise des Berliner Publicums ist die jüngste Erfindung der dor¬
tigen Fama. Preußen solle eine Constitution kriegen, hieß es; der Kö¬
nig hat dem Volke die Maß nehmen lassen und drei verschiedene Ver¬
fassungsröcke zur Probe bestellt; welcher dann dem zarten Bengel am
besten passen werde, der solle, mit einigen Aenderungen vielleicht, behalten
werden. Die drei Musterschneider warein Ritter Vunsen, Minister von
Arnim und Herr von Eanitz. Ein hoher österreichischer Staatsmann
sollte vorerst die drei Entwürfe corrigiren und Sr. Majestät der König
von Preußen sie in letzter Instanz revioiren. -- Welcher Berliner Spott¬
vogel hat diesen Witz gemacht? Der Vollständigkeit wegen müßten
eigentlich die drei Eonstitutionsentwürfe erst auch dem Kaiser von Ru߬
land und den andern Potentaten "ibi" t,i >!>>",", dann aber erst dem
Bundestag zur Begutachtung vorgelegt werden.

-- Herr Louis Negrelli ersucht uns um eine Berichtigung dessen,
was über die Staatseisenbahnverwaltung Oesterreichs in Ur. 3. d. I.
gesagt wurde. Der Artikel, schreibt uns Herr N., scheine aus rich¬
tigen Quellen geschöpft zu sein, enthalte jedoch in Betreff seiner einige
Unrichtigkeiten. Wir geben daher gern zur Verbesserung derselben die
Hauptdata aus der öffentlichen Laufbahn des Herrn N., nach dessen


tiker z. B. habe dagegen das Recht, auf seinem Gebiete die hcrüber-
greifenden kirchlichen Wurzeln auszuschneiden, wenn sie dem Anbau
des ästhetischen Bodens hinderlich sind. Zuletzt bemerkt der zur Ruhe
gesetzte Denker! „Daß die Seite der Vergangenheit in der Regel
stark genug besetzt ist, dafür ist gesorgt und es liegt in der Natur der
Sache; wer aber die Seite der Zukunft lieber ganz vertilgen möchte,
der mordet das werdende Geschlecht im Leib der Mutter."

— Das Tschechenthum soll in Preußen ganz ausgerottet werden.
Man weiß, daß schon Ein Namensvetter des Attentaters in Echt umge¬
tauft wurde; jetzt hat eine Namensvetterin desselben, die Frau Bauin-
spector Thebens in Ratibor, vom König von Preußen die Erlaubniß er¬
halten, sich Trebur zu nennen. Thebens soll aber in Schlesien sehr
häufig vorkommen; wenn dah.r Alle, die so heißen, bei ihrem König
um Namen petitioniren sollten — wie nach der Schöpfung die unschul¬
digen Thiere, als sie zu demselben Zweck in alphabetischer Ordnung an
Adam vorbeidesilirten — so dürfte vielleicht doch einige Verlegenheit ent¬
stehen. Wir würden dieser Noth lieber durch ein Decret vorbeugen,
welches alle Verwandten oder Namensvettern des Attentaters mit einem¬
mal in Müller, Schmidt oder Schulze verwandelte; vorausgesetzt, daß
die Inhaber dieser in Deutschland so populären Namen nicht dagegen
protestirten.

— Bezeichnend für die politische Einbildungskraft und Vorstel¬
lungsweise des Berliner Publicums ist die jüngste Erfindung der dor¬
tigen Fama. Preußen solle eine Constitution kriegen, hieß es; der Kö¬
nig hat dem Volke die Maß nehmen lassen und drei verschiedene Ver¬
fassungsröcke zur Probe bestellt; welcher dann dem zarten Bengel am
besten passen werde, der solle, mit einigen Aenderungen vielleicht, behalten
werden. Die drei Musterschneider warein Ritter Vunsen, Minister von
Arnim und Herr von Eanitz. Ein hoher österreichischer Staatsmann
sollte vorerst die drei Entwürfe corrigiren und Sr. Majestät der König
von Preußen sie in letzter Instanz revioiren. — Welcher Berliner Spott¬
vogel hat diesen Witz gemacht? Der Vollständigkeit wegen müßten
eigentlich die drei Eonstitutionsentwürfe erst auch dem Kaiser von Ru߬
land und den andern Potentaten «ibi« t,i >!>>«,», dann aber erst dem
Bundestag zur Begutachtung vorgelegt werden.

— Herr Louis Negrelli ersucht uns um eine Berichtigung dessen,
was über die Staatseisenbahnverwaltung Oesterreichs in Ur. 3. d. I.
gesagt wurde. Der Artikel, schreibt uns Herr N., scheine aus rich¬
tigen Quellen geschöpft zu sein, enthalte jedoch in Betreff seiner einige
Unrichtigkeiten. Wir geben daher gern zur Verbesserung derselben die
Hauptdata aus der öffentlichen Laufbahn des Herrn N., nach dessen


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[0297] tiker z. B. habe dagegen das Recht, auf seinem Gebiete die hcrüber- greifenden kirchlichen Wurzeln auszuschneiden, wenn sie dem Anbau des ästhetischen Bodens hinderlich sind. Zuletzt bemerkt der zur Ruhe gesetzte Denker! „Daß die Seite der Vergangenheit in der Regel stark genug besetzt ist, dafür ist gesorgt und es liegt in der Natur der Sache; wer aber die Seite der Zukunft lieber ganz vertilgen möchte, der mordet das werdende Geschlecht im Leib der Mutter." — Das Tschechenthum soll in Preußen ganz ausgerottet werden. Man weiß, daß schon Ein Namensvetter des Attentaters in Echt umge¬ tauft wurde; jetzt hat eine Namensvetterin desselben, die Frau Bauin- spector Thebens in Ratibor, vom König von Preußen die Erlaubniß er¬ halten, sich Trebur zu nennen. Thebens soll aber in Schlesien sehr häufig vorkommen; wenn dah.r Alle, die so heißen, bei ihrem König um Namen petitioniren sollten — wie nach der Schöpfung die unschul¬ digen Thiere, als sie zu demselben Zweck in alphabetischer Ordnung an Adam vorbeidesilirten — so dürfte vielleicht doch einige Verlegenheit ent¬ stehen. Wir würden dieser Noth lieber durch ein Decret vorbeugen, welches alle Verwandten oder Namensvettern des Attentaters mit einem¬ mal in Müller, Schmidt oder Schulze verwandelte; vorausgesetzt, daß die Inhaber dieser in Deutschland so populären Namen nicht dagegen protestirten. — Bezeichnend für die politische Einbildungskraft und Vorstel¬ lungsweise des Berliner Publicums ist die jüngste Erfindung der dor¬ tigen Fama. Preußen solle eine Constitution kriegen, hieß es; der Kö¬ nig hat dem Volke die Maß nehmen lassen und drei verschiedene Ver¬ fassungsröcke zur Probe bestellt; welcher dann dem zarten Bengel am besten passen werde, der solle, mit einigen Aenderungen vielleicht, behalten werden. Die drei Musterschneider warein Ritter Vunsen, Minister von Arnim und Herr von Eanitz. Ein hoher österreichischer Staatsmann sollte vorerst die drei Entwürfe corrigiren und Sr. Majestät der König von Preußen sie in letzter Instanz revioiren. — Welcher Berliner Spott¬ vogel hat diesen Witz gemacht? Der Vollständigkeit wegen müßten eigentlich die drei Eonstitutionsentwürfe erst auch dem Kaiser von Ru߬ land und den andern Potentaten «ibi« t,i >!>>«,», dann aber erst dem Bundestag zur Begutachtung vorgelegt werden. — Herr Louis Negrelli ersucht uns um eine Berichtigung dessen, was über die Staatseisenbahnverwaltung Oesterreichs in Ur. 3. d. I. gesagt wurde. Der Artikel, schreibt uns Herr N., scheine aus rich¬ tigen Quellen geschöpft zu sein, enthalte jedoch in Betreff seiner einige Unrichtigkeiten. Wir geben daher gern zur Verbesserung derselben die Hauptdata aus der öffentlichen Laufbahn des Herrn N., nach dessen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/297>, abgerufen am 23.07.2024.