Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.wenn der Landwirth sich mehr für den barberinischen Faun, ich mich Die Hauptschwierigkeit erwächst mir jedoch aus einer Eigen¬ Das Lied, das ich so gerne singen mag, aber nicht einmal nicht gern vernehmen, sondern auch wo möglich wenn der Landwirth sich mehr für den barberinischen Faun, ich mich Die Hauptschwierigkeit erwächst mir jedoch aus einer Eigen¬ Das Lied, das ich so gerne singen mag, aber nicht einmal nicht gern vernehmen, sondern auch wo möglich <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0270" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/269687"/> <p xml:id="ID_773" prev="#ID_772"> wenn der Landwirth sich mehr für den barberinischen Faun, ich mich<lb/> dagegen mehr für einen tüchtigen Mastochsen interessiren wollte.<lb/> Freilich, es gibt jetzt Leute, welche der gesammten Menschheit nur<lb/> Ein Cyklopenauge, nämlich das ihrige, an die Stirn setzen möchten,<lb/> ohne zu bedenken, daß der Schöpfer selbst so viele verschiedenartige<lb/> Dinge geschaffen und angeordnet hat, für deren jedes auch ein beson-<lb/> deres Auge gehört, aber kein starres, Allen gemeinsames Cyclopen-<lb/> auge. Wie trift und einförmig wäre dann die Welt! Die Mensch¬<lb/> heit sähe wie der Landwirth entweder Nichts als Zuchtbullen oder<lb/> wie der einseitige Politiker Nichts als Zeitungsartikel, die in seinem<lb/> Sinne geschrieben wären, oder wie der Gastwirt!) nur liederliche<lb/> Schwärmer, welche bei ihm die Nächte durchjubeln, um sich den Tag<lb/> über krank mW stumpf zu fühlen, oder wie der Pfarrer nur Kirchen¬<lb/> gänger und Beicht- und Betkinder oder wie ein eingebildeter Mime<lb/> in jedem Stücke nur eine einzige Rolle, nämlich die seinige, oder wie<lb/> Nero am Rumpfe der gesammten Menschheit nur einen einzigen<lb/> Kopf, um ihn mit Einem Streiche abschlagen zu können.</p><lb/> <p xml:id="ID_774"> Die Hauptschwierigkeit erwächst mir jedoch aus einer Eigen¬<lb/> thümlichkeit der Künstler, und namentlich der Münchner, welche es<lb/> nur den wenigsten unter ihnen vergönnt, den gerechten Tadel mit<lb/> Ruhe, den ungerechten mit würdevollem Schweigen, das gerechte Lob<lb/> aber mit jenem bescheidenen Dank hinzunehmen, welcher dem echten<lb/> Künstler doppelt wohl steht. Es ist dieselbe Klage, die der Grenz»<lb/> boten-Correspondent über die Berliner Kunstausstellung in Bezug auf<lb/> die Künstler Berlins erhoben hat. Treffend war die Aeußerung, welche<lb/> ich neulich von Jemand hörte: wer einen Künstler tadelt, hat nur<lb/> Einen gegen sich und Alle für sich; wer einen Künstler lobt, hat nur<lb/> Einen für sich und Alle gegen sich; und man könnte hinzusetzen: wer<lb/> sie Alle durch einander lobt, hat zwar Keinen gegen sich, aber auch<lb/> Keinen für sich. So stehen sie immer noch auf dem Standpunkt,<lb/> wie ihn Göthe in „Künstlers Apotheose" bezeichnet:</p><lb/> <quote> Das Lied, das ich so gerne singen mag,<lb/> Das mag nicht Jeder gern vernehmen;</quote><lb/> <p xml:id="ID_775" next="#ID_776"> aber nicht einmal nicht gern vernehmen, sondern auch wo möglich<lb/> nicht unerwiedert und nicht ohne einen kreischenden Gegengesang las¬<lb/> sen. Was aber helfen die Reklamationen hiesiger berühmter Künst¬<lb/> ler in der Augsburger Allgemeinen Zeitung, z. B. gegen die gelinden</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0270]
wenn der Landwirth sich mehr für den barberinischen Faun, ich mich
dagegen mehr für einen tüchtigen Mastochsen interessiren wollte.
Freilich, es gibt jetzt Leute, welche der gesammten Menschheit nur
Ein Cyklopenauge, nämlich das ihrige, an die Stirn setzen möchten,
ohne zu bedenken, daß der Schöpfer selbst so viele verschiedenartige
Dinge geschaffen und angeordnet hat, für deren jedes auch ein beson-
deres Auge gehört, aber kein starres, Allen gemeinsames Cyclopen-
auge. Wie trift und einförmig wäre dann die Welt! Die Mensch¬
heit sähe wie der Landwirth entweder Nichts als Zuchtbullen oder
wie der einseitige Politiker Nichts als Zeitungsartikel, die in seinem
Sinne geschrieben wären, oder wie der Gastwirt!) nur liederliche
Schwärmer, welche bei ihm die Nächte durchjubeln, um sich den Tag
über krank mW stumpf zu fühlen, oder wie der Pfarrer nur Kirchen¬
gänger und Beicht- und Betkinder oder wie ein eingebildeter Mime
in jedem Stücke nur eine einzige Rolle, nämlich die seinige, oder wie
Nero am Rumpfe der gesammten Menschheit nur einen einzigen
Kopf, um ihn mit Einem Streiche abschlagen zu können.
Die Hauptschwierigkeit erwächst mir jedoch aus einer Eigen¬
thümlichkeit der Künstler, und namentlich der Münchner, welche es
nur den wenigsten unter ihnen vergönnt, den gerechten Tadel mit
Ruhe, den ungerechten mit würdevollem Schweigen, das gerechte Lob
aber mit jenem bescheidenen Dank hinzunehmen, welcher dem echten
Künstler doppelt wohl steht. Es ist dieselbe Klage, die der Grenz»
boten-Correspondent über die Berliner Kunstausstellung in Bezug auf
die Künstler Berlins erhoben hat. Treffend war die Aeußerung, welche
ich neulich von Jemand hörte: wer einen Künstler tadelt, hat nur
Einen gegen sich und Alle für sich; wer einen Künstler lobt, hat nur
Einen für sich und Alle gegen sich; und man könnte hinzusetzen: wer
sie Alle durch einander lobt, hat zwar Keinen gegen sich, aber auch
Keinen für sich. So stehen sie immer noch auf dem Standpunkt,
wie ihn Göthe in „Künstlers Apotheose" bezeichnet:
Das Lied, das ich so gerne singen mag,
Das mag nicht Jeder gern vernehmen;
aber nicht einmal nicht gern vernehmen, sondern auch wo möglich
nicht unerwiedert und nicht ohne einen kreischenden Gegengesang las¬
sen. Was aber helfen die Reklamationen hiesiger berühmter Künst¬
ler in der Augsburger Allgemeinen Zeitung, z. B. gegen die gelinden
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