Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.heim auf die peinliche Anklage deö Reichshoffiscals gefänglich einge¬ Noch peinlicher aber als die Anklage des Reichshoffiscals find heim auf die peinliche Anklage deö Reichshoffiscals gefänglich einge¬ Noch peinlicher aber als die Anklage des Reichshoffiscals find <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0257" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/269674"/> <p xml:id="ID_742" prev="#ID_741"> heim auf die peinliche Anklage deö Reichshoffiscals gefänglich einge¬<lb/> steckt. Sein Proceß sollte auf Kosten des fränkischen Kreises geführt<lb/> werden; da aber der fränkische Kreis sich nicht dazu verstehen wollte,<lb/> so zog sich die Untersuchung in die Länge. „Inzwischen," sagte mein<lb/> guter Wirth, „hat man den Inquisiten entwischen lassen!'</p><lb/> <p xml:id="ID_743" next="#ID_744"> Noch peinlicher aber als die Anklage des Reichshoffiscals find<lb/> ich die heimliche Auflaurerei der Leute unter einander, um auszumit-<lb/> teln, wes Glaubens Kind man sei. Und wehe dem, den ein beson¬<lb/> deres Gelüst nach den geheimen Schätzen des Christenthums bei An¬<lb/> dersgläubigen dazu treibt, die Grenzen seiner ihm angeborenen Kirche<lb/> zu überschreiten! Nach der Ueberzeugung der gründlichen norddeutschen<lb/> Gelehrten steht der Verlust der ewigen Seligkeit darauf. Und so<lb/> eifrig sonst die Herren vom Worte Gottes sich bei Hofe um weltliche<lb/> Gunst bemühen, in diesem Punkte hauen sie blind drein mit der<lb/> Faust, ich meine mit der Zunge, die manchem deutschen Mann wie<lb/> eine Faust aus dem Maule hängt. Als die Prinzessin von Wolfen-<lb/> büttel an den spätern Kaiser verheirathet wurde, schrieb der gelehrte<lb/> Fabricius eigens ein Buch, um nachzuweisen, daß den katholisch<lb/> Gläubigen nicht das ewige Heil jenseits entzogen bleibe. Aber ein<lb/> zelotischer Herr Löscher widerstritt dieser, wie er sagte, gar frechen<lb/> Behauptung; der katholische Glaube, sagte er in einer grausamen<lb/> Schrift, sei ein Gräuel Gottes. Die Facultät der kleinen Hochschule<lb/> zu Helmstädt vertheidigte ihren Fabricius, aber die Tübinger ver¬<lb/> ketzerten die Helmstädter, und die Helmstädter verunglimpften die<lb/> Wittenberger, die ihrerseits wieder mit den Hallensern darüber zer¬<lb/> fielen, und diese, die Hallenser, als die allerfrömmsten Leute, ver¬<lb/> dammten alle Welt. Die Sache ward hochverräterisch, denn die<lb/> arme unschuldige Seele der Prinzessin von Wolfenbüttel lief Gefahr,<lb/> von den wüthenden deutscheu Gelehrten zerrissen zu werden. Als<lb/> der große Kanzel- und Kathederstreit ausgetobt hatte, war Jeder so<lb/> klug wie zuvor. Die hartköpfigen Hofprediger in Wolfenbüttel blie¬<lb/> ben der Meinung, ein Glaubeuswechsel, er sei zu Gunsten der katho¬<lb/> lischen oder der reformirten Kirche, ziehe den Verlust der ewigen<lb/> Seligkeit nach sich. Als sie dem Herzoge wegen seiner Zustimmung<lb/> in die Heirath gar das Abendmahl verweigerten, machte er von<lb/> seinem Hausrecht Gebrauch und jagte sie zum Lande hinaus Ich<lb/> erzähle hier ganz einfache, wahre deutsche Historien. — Deutschland</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0257]
heim auf die peinliche Anklage deö Reichshoffiscals gefänglich einge¬
steckt. Sein Proceß sollte auf Kosten des fränkischen Kreises geführt
werden; da aber der fränkische Kreis sich nicht dazu verstehen wollte,
so zog sich die Untersuchung in die Länge. „Inzwischen," sagte mein
guter Wirth, „hat man den Inquisiten entwischen lassen!'
Noch peinlicher aber als die Anklage des Reichshoffiscals find
ich die heimliche Auflaurerei der Leute unter einander, um auszumit-
teln, wes Glaubens Kind man sei. Und wehe dem, den ein beson¬
deres Gelüst nach den geheimen Schätzen des Christenthums bei An¬
dersgläubigen dazu treibt, die Grenzen seiner ihm angeborenen Kirche
zu überschreiten! Nach der Ueberzeugung der gründlichen norddeutschen
Gelehrten steht der Verlust der ewigen Seligkeit darauf. Und so
eifrig sonst die Herren vom Worte Gottes sich bei Hofe um weltliche
Gunst bemühen, in diesem Punkte hauen sie blind drein mit der
Faust, ich meine mit der Zunge, die manchem deutschen Mann wie
eine Faust aus dem Maule hängt. Als die Prinzessin von Wolfen-
büttel an den spätern Kaiser verheirathet wurde, schrieb der gelehrte
Fabricius eigens ein Buch, um nachzuweisen, daß den katholisch
Gläubigen nicht das ewige Heil jenseits entzogen bleibe. Aber ein
zelotischer Herr Löscher widerstritt dieser, wie er sagte, gar frechen
Behauptung; der katholische Glaube, sagte er in einer grausamen
Schrift, sei ein Gräuel Gottes. Die Facultät der kleinen Hochschule
zu Helmstädt vertheidigte ihren Fabricius, aber die Tübinger ver¬
ketzerten die Helmstädter, und die Helmstädter verunglimpften die
Wittenberger, die ihrerseits wieder mit den Hallensern darüber zer¬
fielen, und diese, die Hallenser, als die allerfrömmsten Leute, ver¬
dammten alle Welt. Die Sache ward hochverräterisch, denn die
arme unschuldige Seele der Prinzessin von Wolfenbüttel lief Gefahr,
von den wüthenden deutscheu Gelehrten zerrissen zu werden. Als
der große Kanzel- und Kathederstreit ausgetobt hatte, war Jeder so
klug wie zuvor. Die hartköpfigen Hofprediger in Wolfenbüttel blie¬
ben der Meinung, ein Glaubeuswechsel, er sei zu Gunsten der katho¬
lischen oder der reformirten Kirche, ziehe den Verlust der ewigen
Seligkeit nach sich. Als sie dem Herzoge wegen seiner Zustimmung
in die Heirath gar das Abendmahl verweigerten, machte er von
seinem Hausrecht Gebrauch und jagte sie zum Lande hinaus Ich
erzähle hier ganz einfache, wahre deutsche Historien. — Deutschland
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