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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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jedes andere, vom Staate verliehene Privilegium, damit nicht der
Fall eintrete, daß Millionen von Konsumenten zum Vortheil einiger
tausend Fabrikanten besteuert werden. Das Prohibitivsyste in wa
demnach blos eine Schutzfrist und keine Verpflichtung zum Cervi-
tut, wie es wohl manche Industrielle ansehen möchten, die auf dem
Lotterbett der Unthätigkeit steinreich zu werden wünschen. ES komm^
Alles darauf an, die durch das Prohibitivsystem gewährte Frist von
Seite der Fabrikanten redlich zu benutzen, um die ausländische In¬
dustrie baldigst einzuholen; und wo dies in einzelnen Zweigen
der Fabrikation aus localen Ursachen nicht möglich ist, da muß der
Ausfall durch einen Vorsprung in andern durch die Landeseigenthümlichkeit
begünstigten Gcwerbsfächern wieder ausgeglichen werden. Nur in
dem einzigen Falle, wo die Regierung selbst auf dem Gebiet der
Gesetzgebung, der Justiz oder Besteuerung hemmend in die industri¬
elle Entwicklung cingriffe, durch Vernachlässigung des öffentlichen
Unterrichts und Beschränkung der Intelligenz die Entfaltung der auf¬
strebenden Künste unmöglich machte, nur in diesem einzigen Falle
dürfte ein Widerstreben der Jndustriemänner bei Aufhebung hoher
Schutzzölle gerechtfertigt erscheinen. Wir werden in der Folge sehen,
in wiefern dies in Oesterreich Anwendung findet. Die aufblühende
Größe des von Preußen angeregten deutschen Zollvereins war der
erste Anstoß für die österreichischen Staatsmänner, die Güte deS herr¬
schenden Zollsystems zu prüfen; mit Neid sah man von Jahr zu Jahr
die Zolleinkünfte des Vereins anwachsen, indeß das Zollerträgniß
Oesterreichs in gar keinem Verhältniß zu der Ausdehnung der ein¬
heimischen Industrie stand und der Schmuggel die Staatskassen be-
stahl. ES entging dem scharfen Auge der Finanzleute keineswegs, wie
die Reaction in Deutschland zum Theil nur durch die vollen Zvll-
kasfen im VereinSgebicte möglich wurde, die die Regierungen in ihren
finanziellen Bedürfnissen immer mehr unabhängig machten von den
steuerbewilligenden Landständen, die dadurch nicht wenig von ihrer
Wichtigkeit einbüßten. Dieses leuchtende Beispiel lockte Oesterreich
zuerst auf die Neformbahn, und wenn es sich auch nicht, wie anfangs
projectirt, in aller Eile dem goldhaltigen Handelsbunde anschloß, so
entstand wenigstens die sehr erklärliche Lust zur Nacheiferung.

Dazu trug nun freilich die genauere Kenntniß deS im großar¬
tigsten Styl betriebenen Schmuggels wesentlich bei. Man hat im


jedes andere, vom Staate verliehene Privilegium, damit nicht der
Fall eintrete, daß Millionen von Konsumenten zum Vortheil einiger
tausend Fabrikanten besteuert werden. Das Prohibitivsyste in wa
demnach blos eine Schutzfrist und keine Verpflichtung zum Cervi-
tut, wie es wohl manche Industrielle ansehen möchten, die auf dem
Lotterbett der Unthätigkeit steinreich zu werden wünschen. ES komm^
Alles darauf an, die durch das Prohibitivsystem gewährte Frist von
Seite der Fabrikanten redlich zu benutzen, um die ausländische In¬
dustrie baldigst einzuholen; und wo dies in einzelnen Zweigen
der Fabrikation aus localen Ursachen nicht möglich ist, da muß der
Ausfall durch einen Vorsprung in andern durch die Landeseigenthümlichkeit
begünstigten Gcwerbsfächern wieder ausgeglichen werden. Nur in
dem einzigen Falle, wo die Regierung selbst auf dem Gebiet der
Gesetzgebung, der Justiz oder Besteuerung hemmend in die industri¬
elle Entwicklung cingriffe, durch Vernachlässigung des öffentlichen
Unterrichts und Beschränkung der Intelligenz die Entfaltung der auf¬
strebenden Künste unmöglich machte, nur in diesem einzigen Falle
dürfte ein Widerstreben der Jndustriemänner bei Aufhebung hoher
Schutzzölle gerechtfertigt erscheinen. Wir werden in der Folge sehen,
in wiefern dies in Oesterreich Anwendung findet. Die aufblühende
Größe des von Preußen angeregten deutschen Zollvereins war der
erste Anstoß für die österreichischen Staatsmänner, die Güte deS herr¬
schenden Zollsystems zu prüfen; mit Neid sah man von Jahr zu Jahr
die Zolleinkünfte des Vereins anwachsen, indeß das Zollerträgniß
Oesterreichs in gar keinem Verhältniß zu der Ausdehnung der ein¬
heimischen Industrie stand und der Schmuggel die Staatskassen be-
stahl. ES entging dem scharfen Auge der Finanzleute keineswegs, wie
die Reaction in Deutschland zum Theil nur durch die vollen Zvll-
kasfen im VereinSgebicte möglich wurde, die die Regierungen in ihren
finanziellen Bedürfnissen immer mehr unabhängig machten von den
steuerbewilligenden Landständen, die dadurch nicht wenig von ihrer
Wichtigkeit einbüßten. Dieses leuchtende Beispiel lockte Oesterreich
zuerst auf die Neformbahn, und wenn es sich auch nicht, wie anfangs
projectirt, in aller Eile dem goldhaltigen Handelsbunde anschloß, so
entstand wenigstens die sehr erklärliche Lust zur Nacheiferung.

Dazu trug nun freilich die genauere Kenntniß deS im großar¬
tigsten Styl betriebenen Schmuggels wesentlich bei. Man hat im


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[0025] jedes andere, vom Staate verliehene Privilegium, damit nicht der Fall eintrete, daß Millionen von Konsumenten zum Vortheil einiger tausend Fabrikanten besteuert werden. Das Prohibitivsyste in wa demnach blos eine Schutzfrist und keine Verpflichtung zum Cervi- tut, wie es wohl manche Industrielle ansehen möchten, die auf dem Lotterbett der Unthätigkeit steinreich zu werden wünschen. ES komm^ Alles darauf an, die durch das Prohibitivsystem gewährte Frist von Seite der Fabrikanten redlich zu benutzen, um die ausländische In¬ dustrie baldigst einzuholen; und wo dies in einzelnen Zweigen der Fabrikation aus localen Ursachen nicht möglich ist, da muß der Ausfall durch einen Vorsprung in andern durch die Landeseigenthümlichkeit begünstigten Gcwerbsfächern wieder ausgeglichen werden. Nur in dem einzigen Falle, wo die Regierung selbst auf dem Gebiet der Gesetzgebung, der Justiz oder Besteuerung hemmend in die industri¬ elle Entwicklung cingriffe, durch Vernachlässigung des öffentlichen Unterrichts und Beschränkung der Intelligenz die Entfaltung der auf¬ strebenden Künste unmöglich machte, nur in diesem einzigen Falle dürfte ein Widerstreben der Jndustriemänner bei Aufhebung hoher Schutzzölle gerechtfertigt erscheinen. Wir werden in der Folge sehen, in wiefern dies in Oesterreich Anwendung findet. Die aufblühende Größe des von Preußen angeregten deutschen Zollvereins war der erste Anstoß für die österreichischen Staatsmänner, die Güte deS herr¬ schenden Zollsystems zu prüfen; mit Neid sah man von Jahr zu Jahr die Zolleinkünfte des Vereins anwachsen, indeß das Zollerträgniß Oesterreichs in gar keinem Verhältniß zu der Ausdehnung der ein¬ heimischen Industrie stand und der Schmuggel die Staatskassen be- stahl. ES entging dem scharfen Auge der Finanzleute keineswegs, wie die Reaction in Deutschland zum Theil nur durch die vollen Zvll- kasfen im VereinSgebicte möglich wurde, die die Regierungen in ihren finanziellen Bedürfnissen immer mehr unabhängig machten von den steuerbewilligenden Landständen, die dadurch nicht wenig von ihrer Wichtigkeit einbüßten. Dieses leuchtende Beispiel lockte Oesterreich zuerst auf die Neformbahn, und wenn es sich auch nicht, wie anfangs projectirt, in aller Eile dem goldhaltigen Handelsbunde anschloß, so entstand wenigstens die sehr erklärliche Lust zur Nacheiferung. Dazu trug nun freilich die genauere Kenntniß deS im großar¬ tigsten Styl betriebenen Schmuggels wesentlich bei. Man hat im

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/25>, abgerufen am 22.07.2024.