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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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sich auf die Concordia und ihren wohlthätigen Einfluß hinzulenken
suchte und ihr den zweiten Toast brachte. Es folgten nun eine Menge
mehr oder minder gute Gedichte, die bei der gleichen Richtung Be¬
gegnungen und Wiederholungen herbeiführen mußten, so daß fast überall
Krieger und Sieger gereimt erschienen, was jedoch bei dem meist von
dem trefflichen Anschütz übernommenen Vortrag weniger ermüdend auffiel.
Unstreitig als das vorzüglichste, was literarischer Seits geboten war,
ergab sich ein von Ludw. Aug. Fränkl und Ad. Schmidt gemeinschaft¬
lich verfaßtes Gedicht in der Form eines Wechselgespräches zwischen
Aristophanes und einem dramatischen Dichter der Neuzeit und
von Fränkl und Eastclli vorgetragen. Das Gedicht soll in
der Wiener Zeitschrift erscheinen und wird wohl im wahrschein¬
lichen Falle her Streichung in irgend ein auswärtiges Blatt
übergehen- Doch erwähne ich eines optativcn Passus darin, der
dahin lautete, daß die Moräste, wo jetzt die Frösche quacken,
ausgetrocknet werden und zu Saatfeldern erblühen möchten, aus denen
Lerchen emporstreben, die sich jetzt nur noch bei uns im Wappenschilde
befanden, aber es nicht zum freien Gesang gebracht hätten. Eine im¬
provisiere und im schönsten Fluß abgehaltene Rede Schuselka's sprach
allgemein an, namentlich die Bemerkung, daß die freisinnigen Ideen,
welche die Bessern bei uns aussprechen, und deren unverholener Aus¬
druck B. so sehr in der öffentlichen Meinung geadelt hat, nicht ju¬
gendlichen Brauseköpfen und Fantasten, sondern gewiegten Männern
zuzuschreiben seien. Außerdem hielten sich alle poetischen wie prosai¬
schen Aeußerungen innerhalb der Schranken einer klugen Mäßigung,
und selbst ein dem vorgedachten Redner entschlüpftes Wort, wodurch
er Baucrnfeld's Drama als ein politisches Ereigmß bezeichnete, ward
nicht ganz gebilligt. In der That hätte man B. einen üblen Ge¬
fallen erwiesen, es anders zu halten, da er weit entfernt ist, sich die
Rolle eines politischen Löwen aneignen zu wollen, sondern sich mit
der ihm natürlichen Stellung begnügt, vom Standpunkt des gereiften
Patrioten und eines von Natur den Geistesfesseln abholden Dichters
die Leuchte über das entwürdigende Treiben in literarischen Dingen
zu halten. Dennoch dauerte dem bescheidenen Manne das Schwingen
des Rauchfasses schon zu lang und er hieß den von Zeit zu Zeit
auf sein bärbeißiges äußeres Wesen gerichteten Tadel als eine wahre
Erfrischung herzlich willkommen. -- Nebst dem Castelli'schen Gedicht
erhalten Sie anbei noch einige bei dieser Gelegenheit vorgetragene Klei¬
nigkeiten Die Tonkunst zeigte sich nicht minder dienstwillig und


*) Zoll für Zoll.
An den Dichter des Zollvereins.
Was jüngst Du fangst so frank und bieder,
Vom Zollverein, das schöne Wort,

sich auf die Concordia und ihren wohlthätigen Einfluß hinzulenken
suchte und ihr den zweiten Toast brachte. Es folgten nun eine Menge
mehr oder minder gute Gedichte, die bei der gleichen Richtung Be¬
gegnungen und Wiederholungen herbeiführen mußten, so daß fast überall
Krieger und Sieger gereimt erschienen, was jedoch bei dem meist von
dem trefflichen Anschütz übernommenen Vortrag weniger ermüdend auffiel.
Unstreitig als das vorzüglichste, was literarischer Seits geboten war,
ergab sich ein von Ludw. Aug. Fränkl und Ad. Schmidt gemeinschaft¬
lich verfaßtes Gedicht in der Form eines Wechselgespräches zwischen
Aristophanes und einem dramatischen Dichter der Neuzeit und
von Fränkl und Eastclli vorgetragen. Das Gedicht soll in
der Wiener Zeitschrift erscheinen und wird wohl im wahrschein¬
lichen Falle her Streichung in irgend ein auswärtiges Blatt
übergehen- Doch erwähne ich eines optativcn Passus darin, der
dahin lautete, daß die Moräste, wo jetzt die Frösche quacken,
ausgetrocknet werden und zu Saatfeldern erblühen möchten, aus denen
Lerchen emporstreben, die sich jetzt nur noch bei uns im Wappenschilde
befanden, aber es nicht zum freien Gesang gebracht hätten. Eine im¬
provisiere und im schönsten Fluß abgehaltene Rede Schuselka's sprach
allgemein an, namentlich die Bemerkung, daß die freisinnigen Ideen,
welche die Bessern bei uns aussprechen, und deren unverholener Aus¬
druck B. so sehr in der öffentlichen Meinung geadelt hat, nicht ju¬
gendlichen Brauseköpfen und Fantasten, sondern gewiegten Männern
zuzuschreiben seien. Außerdem hielten sich alle poetischen wie prosai¬
schen Aeußerungen innerhalb der Schranken einer klugen Mäßigung,
und selbst ein dem vorgedachten Redner entschlüpftes Wort, wodurch
er Baucrnfeld's Drama als ein politisches Ereigmß bezeichnete, ward
nicht ganz gebilligt. In der That hätte man B. einen üblen Ge¬
fallen erwiesen, es anders zu halten, da er weit entfernt ist, sich die
Rolle eines politischen Löwen aneignen zu wollen, sondern sich mit
der ihm natürlichen Stellung begnügt, vom Standpunkt des gereiften
Patrioten und eines von Natur den Geistesfesseln abholden Dichters
die Leuchte über das entwürdigende Treiben in literarischen Dingen
zu halten. Dennoch dauerte dem bescheidenen Manne das Schwingen
des Rauchfasses schon zu lang und er hieß den von Zeit zu Zeit
auf sein bärbeißiges äußeres Wesen gerichteten Tadel als eine wahre
Erfrischung herzlich willkommen. — Nebst dem Castelli'schen Gedicht
erhalten Sie anbei noch einige bei dieser Gelegenheit vorgetragene Klei¬
nigkeiten Die Tonkunst zeigte sich nicht minder dienstwillig und


*) Zoll für Zoll.
An den Dichter des Zollvereins.
Was jüngst Du fangst so frank und bieder,
Vom Zollverein, das schöne Wort,
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[0242] sich auf die Concordia und ihren wohlthätigen Einfluß hinzulenken suchte und ihr den zweiten Toast brachte. Es folgten nun eine Menge mehr oder minder gute Gedichte, die bei der gleichen Richtung Be¬ gegnungen und Wiederholungen herbeiführen mußten, so daß fast überall Krieger und Sieger gereimt erschienen, was jedoch bei dem meist von dem trefflichen Anschütz übernommenen Vortrag weniger ermüdend auffiel. Unstreitig als das vorzüglichste, was literarischer Seits geboten war, ergab sich ein von Ludw. Aug. Fränkl und Ad. Schmidt gemeinschaft¬ lich verfaßtes Gedicht in der Form eines Wechselgespräches zwischen Aristophanes und einem dramatischen Dichter der Neuzeit und von Fränkl und Eastclli vorgetragen. Das Gedicht soll in der Wiener Zeitschrift erscheinen und wird wohl im wahrschein¬ lichen Falle her Streichung in irgend ein auswärtiges Blatt übergehen- Doch erwähne ich eines optativcn Passus darin, der dahin lautete, daß die Moräste, wo jetzt die Frösche quacken, ausgetrocknet werden und zu Saatfeldern erblühen möchten, aus denen Lerchen emporstreben, die sich jetzt nur noch bei uns im Wappenschilde befanden, aber es nicht zum freien Gesang gebracht hätten. Eine im¬ provisiere und im schönsten Fluß abgehaltene Rede Schuselka's sprach allgemein an, namentlich die Bemerkung, daß die freisinnigen Ideen, welche die Bessern bei uns aussprechen, und deren unverholener Aus¬ druck B. so sehr in der öffentlichen Meinung geadelt hat, nicht ju¬ gendlichen Brauseköpfen und Fantasten, sondern gewiegten Männern zuzuschreiben seien. Außerdem hielten sich alle poetischen wie prosai¬ schen Aeußerungen innerhalb der Schranken einer klugen Mäßigung, und selbst ein dem vorgedachten Redner entschlüpftes Wort, wodurch er Baucrnfeld's Drama als ein politisches Ereigmß bezeichnete, ward nicht ganz gebilligt. In der That hätte man B. einen üblen Ge¬ fallen erwiesen, es anders zu halten, da er weit entfernt ist, sich die Rolle eines politischen Löwen aneignen zu wollen, sondern sich mit der ihm natürlichen Stellung begnügt, vom Standpunkt des gereiften Patrioten und eines von Natur den Geistesfesseln abholden Dichters die Leuchte über das entwürdigende Treiben in literarischen Dingen zu halten. Dennoch dauerte dem bescheidenen Manne das Schwingen des Rauchfasses schon zu lang und er hieß den von Zeit zu Zeit auf sein bärbeißiges äußeres Wesen gerichteten Tadel als eine wahre Erfrischung herzlich willkommen. — Nebst dem Castelli'schen Gedicht erhalten Sie anbei noch einige bei dieser Gelegenheit vorgetragene Klei¬ nigkeiten Die Tonkunst zeigte sich nicht minder dienstwillig und *) Zoll für Zoll. An den Dichter des Zollvereins. Was jüngst Du fangst so frank und bieder, Vom Zollverein, das schöne Wort,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/242>, abgerufen am 23.07.2024.