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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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und Revolutionen, der erste Lord-Diabol der Journalistik und der
Großteufel der Literatur Rapport abzustatten wünschen.




Da erschien ein alter, häßlicher, zerlumpter, zerhauener, schmutzi¬
ger, widerlicher Teufel mit zerzausten Haaren, mit einem ausgesto-
ßenen Ange, einem abgebrochenen Horne, mit Krallen wie eine Hyäne,
mit Zähnen ohne Lippen wie bei einer Leiche und einem großen
Pflaster auf der Rückseite hinter dem Schwänze. Auf seinen Schul¬
tern hing ein Sack, vollgestopft mit Papieren, mit Blut und Schmutz
bedeckt; auf dem Kopfe trug er einen alten lakirten Kutscherhut; auf
dem Hute eine dreifarbige Kokarde; im Gürtel einen Dolch und ein
Paar Pistolen; in den Händen einen Knüttelstock und eine verrostete
Flinte ohne Schloß. Die Taschen waren mit Pflastersteinen und
Glasscherben vollgestopft. Jeder, selbst wer nicht in Paris gewesen,
konnte in ihm alsogleich den bösen Geist der Emeuten und Revolu¬
tionen erkennen. Er hieß Astarot. Er drehte sich einige Mal in der
Luft herum zum Zeichen der tiefsten Verehrung.

-- Nun, was gibt's Neues? fragte der Teufel.

- Der Eifer und die Anhänglichkeit an den Thron Ew. Fin¬
sterniß sind immer die Richtschnur meiner schwachen Bestrebungen
gewesen, und die pflichtschuldige Sorge für den mir anvertrauten
Theil....

-- Halt! rief der Satan aus, diese Einleitung kenne ich schon
auswendig, alle nichtssagenden Berichte beginnen mit Eifer und An¬
hänglichkeit. Sage mir kurz und deutlich, wie viele neue Revolu¬
tionen sind im Gange?

Keine einzige ordentliche, Em. Finsterniß.

-- Und warum das? fragte Satanas strenge. Vor kurzem erst
waren gegen acht oder neun angesponnen. Was hast du mit ihnen
gemacht?

-- Sie sind zu Ende, Ew. Finsterniß.

-- Durch deine Dummheit, Unthätigkeit, Ungeschicklichkeit, Nach¬
lässigkeit --

-- Durchaus nicht, Finsterster der Finstersten! Es ist Ew. Unrei¬
nen Macht bekannt, wie eifrig ich von jeher zum Nutzen und Frommen


Grcnjüoten 184". I. 2l>

und Revolutionen, der erste Lord-Diabol der Journalistik und der
Großteufel der Literatur Rapport abzustatten wünschen.




Da erschien ein alter, häßlicher, zerlumpter, zerhauener, schmutzi¬
ger, widerlicher Teufel mit zerzausten Haaren, mit einem ausgesto-
ßenen Ange, einem abgebrochenen Horne, mit Krallen wie eine Hyäne,
mit Zähnen ohne Lippen wie bei einer Leiche und einem großen
Pflaster auf der Rückseite hinter dem Schwänze. Auf seinen Schul¬
tern hing ein Sack, vollgestopft mit Papieren, mit Blut und Schmutz
bedeckt; auf dem Kopfe trug er einen alten lakirten Kutscherhut; auf
dem Hute eine dreifarbige Kokarde; im Gürtel einen Dolch und ein
Paar Pistolen; in den Händen einen Knüttelstock und eine verrostete
Flinte ohne Schloß. Die Taschen waren mit Pflastersteinen und
Glasscherben vollgestopft. Jeder, selbst wer nicht in Paris gewesen,
konnte in ihm alsogleich den bösen Geist der Emeuten und Revolu¬
tionen erkennen. Er hieß Astarot. Er drehte sich einige Mal in der
Luft herum zum Zeichen der tiefsten Verehrung.

— Nun, was gibt's Neues? fragte der Teufel.

- Der Eifer und die Anhänglichkeit an den Thron Ew. Fin¬
sterniß sind immer die Richtschnur meiner schwachen Bestrebungen
gewesen, und die pflichtschuldige Sorge für den mir anvertrauten
Theil....

— Halt! rief der Satan aus, diese Einleitung kenne ich schon
auswendig, alle nichtssagenden Berichte beginnen mit Eifer und An¬
hänglichkeit. Sage mir kurz und deutlich, wie viele neue Revolu¬
tionen sind im Gange?

Keine einzige ordentliche, Em. Finsterniß.

— Und warum das? fragte Satanas strenge. Vor kurzem erst
waren gegen acht oder neun angesponnen. Was hast du mit ihnen
gemacht?

— Sie sind zu Ende, Ew. Finsterniß.

— Durch deine Dummheit, Unthätigkeit, Ungeschicklichkeit, Nach¬
lässigkeit —

— Durchaus nicht, Finsterster der Finstersten! Es ist Ew. Unrei¬
nen Macht bekannt, wie eifrig ich von jeher zum Nutzen und Frommen


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[0227] und Revolutionen, der erste Lord-Diabol der Journalistik und der Großteufel der Literatur Rapport abzustatten wünschen. Da erschien ein alter, häßlicher, zerlumpter, zerhauener, schmutzi¬ ger, widerlicher Teufel mit zerzausten Haaren, mit einem ausgesto- ßenen Ange, einem abgebrochenen Horne, mit Krallen wie eine Hyäne, mit Zähnen ohne Lippen wie bei einer Leiche und einem großen Pflaster auf der Rückseite hinter dem Schwänze. Auf seinen Schul¬ tern hing ein Sack, vollgestopft mit Papieren, mit Blut und Schmutz bedeckt; auf dem Kopfe trug er einen alten lakirten Kutscherhut; auf dem Hute eine dreifarbige Kokarde; im Gürtel einen Dolch und ein Paar Pistolen; in den Händen einen Knüttelstock und eine verrostete Flinte ohne Schloß. Die Taschen waren mit Pflastersteinen und Glasscherben vollgestopft. Jeder, selbst wer nicht in Paris gewesen, konnte in ihm alsogleich den bösen Geist der Emeuten und Revolu¬ tionen erkennen. Er hieß Astarot. Er drehte sich einige Mal in der Luft herum zum Zeichen der tiefsten Verehrung. — Nun, was gibt's Neues? fragte der Teufel. - Der Eifer und die Anhänglichkeit an den Thron Ew. Fin¬ sterniß sind immer die Richtschnur meiner schwachen Bestrebungen gewesen, und die pflichtschuldige Sorge für den mir anvertrauten Theil.... — Halt! rief der Satan aus, diese Einleitung kenne ich schon auswendig, alle nichtssagenden Berichte beginnen mit Eifer und An¬ hänglichkeit. Sage mir kurz und deutlich, wie viele neue Revolu¬ tionen sind im Gange? Keine einzige ordentliche, Em. Finsterniß. — Und warum das? fragte Satanas strenge. Vor kurzem erst waren gegen acht oder neun angesponnen. Was hast du mit ihnen gemacht? — Sie sind zu Ende, Ew. Finsterniß. — Durch deine Dummheit, Unthätigkeit, Ungeschicklichkeit, Nach¬ lässigkeit — — Durchaus nicht, Finsterster der Finstersten! Es ist Ew. Unrei¬ nen Macht bekannt, wie eifrig ich von jeher zum Nutzen und Frommen Grcnjüoten 184». I. 2l>

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/227>, abgerufen am 23.07.2024.